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Fünf Tote bei Lawinenunglück in Tirol – Experten beklagen Leichtsinn

Polizeirapport

Fünf Tote bei Lawinenunglück in Tirol – Experten beklagen Leichtsinn

Nach mehreren Todesfällen und Verletzten: Die Lawinensituation in der Schweiz und Österreich bleibt übers Wochenende angespannt.
04.02.2022, 18:47

Bei einem Lawinenabgang im österreichischen Bundesland Tirol sind am Freitag nach Angaben der Polizei fünf Menschen ums Leben gekommen. Das Unglück ereignete sich abseits der Piste im Gebiet von Spiss, einem Ort an der Grenze zur Schweiz. Ein Opfer wurde verletzt in die Schweiz geflogen.

Bei einem weiteren Lawinenunglück nahe Sölden – ebenfalls im ungesicherten Gelände – wurden laut Polizei am Freitag fünf Menschen erfasst. Vier von ihnen mussten verletzt ins Krankenhaus gebracht werden. Zum genauen Hergang, der Herkunft und dem Alter der Opfer konnte die Polizei zunächst keine weiteren Angaben machen.

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Am Rettenbachferner im Tiroler Sölden ist am 4. Februar 2022 eine Lawine auf eine Piste im Skigebiet abgegangen. Im Bild: Rettungskräfte am Lawinenkegel.Bild: keystone

Aufgrund des vielen Neuschnees kam es am Donnerstag und Freitag nach Angaben des Lawinenwarndienstes zu fast 60 Lawinen allein in Tirol. Der Freitag war der bis dahin folgenschwerste Lawinentag in dieser Wintersaison. Der Chef des Tiroler Lawinenwarndienstes, Rudi Mair, sagte angesichts der zahlreichen Vorfälle: «Es macht mich traurig, aber ich bin auch erschüttert und wütend, dass alle Warnungen nichts nützen.» Seit Tagen werde auf die kritischen Verhältnisse hingewiesen. Skitouren und Variantenabfahrten erforderten aktuell besonders viel Erfahrung in der Beurteilung der Lawinengefahr.

Laut Österreichs Lawinenwarnsystem herrscht nach dem Neuschnee, der regional zwei Meter hoch ist, in weiten Teilen der Berge erhebliche Gefahr - die dritte Stufe auf der fünfteiligen Risikoskala. Bei dieser mittleren Gefahrenlage passieren für gewöhnlich die meisten Lawinenunfälle.

Glück im Unglück hatte eine deutsche Skifahrerin, die im Tiroler Skigebiet Glungezer verschüttet wurde. Sie konnte dank einer raschen Suchaktion ihrer Begleiter nach 15 Minuten lebend geborgen werden. Sie wurde laut Polizei in einer Tiefe von 1 bis 1.5 Metern gefunden. Die Frau war bewusstlos, doch ihre Atmung und ihr Kreislauf funktionierten noch. «Auf jeden Fall ist es ein totaler Glücksfall, wenn man 15 Minuten lang überlebt», sagte der Polizeisprecher. Die Frau, die in Innsbruck lebt, wurde verletzt in ein Krankenhaus geflogen.

Die Frau und ihre Kollegen waren mit elektronischen Ortungsgeräten, Lawinensonden und Schaufeln gut ausgerüstet in dem Skigebiet unterwegs. Die rasche Bergung durch Begleiter ist laut Experten von entscheidender Bedeutung, da die Überlebenschancen von Verschütteten unter dem Schnee binnen kurzer Zeit rasch sinken.

Lawinensituation bleibt angespannt

Die Lawinengefahr stufte das Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) für morgen Samstag immer noch als erheblich ein (Gefahrenstufe 3 von 5). Rund zwei Drittel aller tödlichen Lawinenunfälle geschehen allerdings bei dieser Gefahrenstufe, wie die SLF-Lawinenwarnerin Christine Pielmeier auf Anfrage von Keystone-SDA erklärte.

Es lägen sehr unfallträchtige Tage hinter uns. Grund für die heikle Lage sind die vielerorts mächtigen Neu- und Triebschneeschichten von Dienstag und Mittwoch, die auf auf eine ausgeprägte schwache Altschneeschicht gefallen sind.

Für Sonntag könnte sich laut der Lawinenwarnerin das Problem mit dem Neuschnee leicht entspannen. Allerdings seien hohe Windgeschwindigkeiten vorausgesagt, die die Gefahr von Lawinenabgängen nochmals erhöhen könnten.

Unfälle unter langjährigem Durchschnitt

In diesem Winter (seit 1. Oktober 2021) zählte das SLF bereits 48 Lawinenunfälle, wobei sechzig Personen erfasst und vier getötet wurden.

Vergleiche man diese Zahlen mit den letzten zwanzig Jahren, würden wir aktuell aber immer noch unter dem Durchschnitt liegen, erklärte Pielmeier. Im Durchschnitt habe es bis zum jetzigen Zeitpunkt sechzig Lawinenunfälle gegeben, wobei neunzig Personen erfasst und neun getötet wurden.

Diese Statistik könne sich aber noch ändern. Meldungen zu Lawinenunfällen würden wegen der angespannten Situation laufend neu registriert. (sda)

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