International
Ukraine

Jixian Wang berichtet unzensiert aus Odessa – nun will China ihn stoppen

Jixian Wang berichtet unzensiert aus Odessa – nun will Peking ihn mundtot machen

Seit Anfang des Jahres lebt Jixian Wang in Odessa. In seinen Videos kritisiert er den russischen Überfall auf die Ukraine scharf – und muss dafür in seiner chinesischen Heimat mit Repressalien rechnen.
30.04.2022, 11:30
Mehr «International»
Ein Artikel von
t-online

«Ich verstehe das einfach nicht, warum freut ihr euch so, dass Putin seine Truppen hierhin schickt? Was habt Ihr davon? Nicht mal die Russen stehen so hinter Putin.» Es ist nicht nur die chinesische Staatsmacht, mit der sich Jixian Wang in seinen Videos anlegt, sondern auch mit vielen seiner Landsleute. In sozialen Medien wird der 37-Jährige heftig attackiert, doch schweigen will er deshalb nicht.

Seit Anfang des Jahres lebt Jixian Wang in Odessa. In seinen Videos kritisiert er den russischen Überfall auf die Ukraine scharf – und muss dafür in seiner chinesischen Heimat mit Repressalien rechnen ...
Will nicht schweigen: der 37-jährige Jixian Wang.screenshot: youtube/hellojixin

Anfang des Jahres zog der Programmierer aus China nach Odessa. Nach dem russischen Überfall auf sein Gastland fing Wang an, Videos aus der Hafenstadt in chinesischen sozialen Medien zu posten. Was Wang dort berichtet, passt so gar nicht zu Darstellungen des Krieges in den chinesischen Staatsmedien. Die halten sich an die russischen Propagandalügen von der «militärischen Spezialoperation» zur «Entnazifizierung» der Ukraine. Berichte über russische Kriegsgräuel in Butscha, Mariupol und anderen Orten liefern sie nicht.

>> Alle aktuellen Entwicklungen im Liveticker

Wang widerspricht offen Chinas Staatsmedien 

Ganz anders Wang. In seinen Videos berichtet er meist vom Alltagsleben in Odessa. Die Stadt am Schwarzen Meer steht nicht unter russischer Besatzung, doch die Bedrohung ist allgegenwärtig. Regelmässig schrillt der Luftalarm, immer wieder sind Bomben und Raketen nahe der Stadt eingeschlagen. Wer Wangs Begegnungen mit den Menschen in der Stadt sieht, wird kaum glauben können, dass diese von einer nationalistischen Diktatur befreit werden müssen, wie es die russische Seite behauptet und wie es in China weiterverbreitet wird.

epa09863839 A view of Odessa National Academic Theater of Opera and Balletstore building surrounded by sandbags in a checkpoint, Odessa, Ukraine, 01 April 2022. On 24 February Russian troops had enter ...
Verbarikadiert mit Sandsäcken: Das Opernhaus von Odessa anfangs April.Bild: keystone

Doch Wang geht in seinen Berichten noch weiter. Er zeigt Bilder von zerstörten russischen Panzern, von schlecht ausgerüsteten oder gefangenen russischen Soldaten – und widerspricht damit der offiziellen chinesischen Erzählung, wonach die Invasion ganz im Sinne Moskaus verlaufe. Anfangs liessen die chinesischen Zensoren Wang machen, doch spätestens seit Ende März sieht sich der Blogger massivem Druck ausgesetzt.

«Panik kann ansteckend sein»

Am 28. März postete er ein Video, in dem er von Vergewaltigungen durch russische Soldaten in Butscha spricht – und ganz direkt die Führung in Peking kritisiert. Daraufhin sperrten nicht nur die chinesischen Zensoren Wangs Konto auf der Plattform WeChat, auch Youtube liess Wang keine Videos mehr hochladen. Begründung: Er teile dort «gewalttätige Inhalte».

«Ich finde das unerklärlich», sagte Wang «Radio Free Asia». «Wo ist denn die Gewalt? Ich habe in dem Video überhaupt keine Bilder von Gewalt gezeigt.»

Seinen Youtube-Kanal mit den mehr als 116'000 Abonnenten hat Wang nach einer Beschwerde inzwischen wiederbekommen, doch auch die Anfeindungen werden schlimmer – nicht nur vonseiten der Regierung in Peking.

In Chinas sozialen Medien wird Wang häufig als Verräter beschimpft, manche Nutzer warnen ihn vor Kritik an der chinesischen Führung, andere wünsche ihm «von den Tschetschenen gefangen zu werden». Seine Familie fürchtet, dass Wang in China Repressalien zu erwarten hat, sollte er in sein Heimatland zurückkehren. Aufhören will er dennoch nicht.

«Wenn ein autoritärer Staat dich einschüchtern will, musst du so gut es geht zurückschlagen», so Wang. «Panik kann ansteckend sein und sich wie ein Virus verbreiten. Ich begegne den Lügen und der Panik, indem ich von der Front berichte.» (t-online,mk )

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Journalist platzt nach Zweifel an Butscha-Bildern der Kragen
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
28 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
outdoorch
30.04.2022 12:30registriert Dezember 2017
Respekt. Der Mann hat Courage.
1592
Melden
Zum Kommentar
avatar
Jep.
30.04.2022 12:16registriert Januar 2022
Dass ihn auch Youtube sperrt, spricht Bände. Die freien westlichen, die Meinungsfreiheit zelebrierenden Medien bücken sich vor der Dikatur. Aber nur vor der wirtschaftlich starken, die Zaster liefern. Doppelmoral vom feinsten. Bin gespannt, ob die armen Taiwanesen auch so eine Unterstützung erfahren, wenn es soweit ist. Ah Moment, man hat ja vorsorglich Taiwan nicht als unabhängigen Staat anerkannt, so dass man mit China geschäften kann und sich im Kriegsfall nicht in „innere“ Konflikte einmischen muss. Eine kleine Protestnote in der Uno und weiter geht´s. Wetten?
1475
Melden
Zum Kommentar
avatar
manhunt
30.04.2022 13:55registriert April 2014
wang wird sich damit wohl eine sichere rückreise in seine heimat auf unbestimmte zeit verunmöglicht haben. trotzdem macht er weiter. mutig. und überaus wichtig. es braucht mehr wangs auf dieser welt.
481
Melden
Zum Kommentar
28
WHO alarmiert wegen Ausbreitung von Vogelgrippe auf andere Arten

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat wegen des Übergreifens des Vogelgrippe-Erregers H5N1 auf immer mehr Arten Alarm geschlagen. Dass H5N1 nicht mehr nur Vögel befalle, rechtfertige «enorme Besorgnis», sagte WHO-Chefwissenschaftler Jeremy Farrar am Donnerstag in Genf.

Zur Story