Abtreibungen bremsen die «rote Welle»: Die US-Wahlnacht in 5 Punkten
Die Wahllokale haben geschlossen. Die Auszählung bei den US-Zwischenwahlen läuft. Und ein klarer Trend ist bislang nicht in Sicht. Angesichts der letzten Umfragen ist das eher überraschend, denn die allgemeine Stimmungslage im Land ist negativ. Doch die Demokraten halten sich besser als erwartet. Das sind die bislang wichtigsten Punkte:
Die rote Welle bleibt aus
Vor vier Jahren erhielt Präsident Donald Trump bei den Midterms einen Denkzettel in Form einer «blauen Welle» im Repräsentantenhaus. Die Demokraten eroberten die Mehrheit in der grossen Kongresskammer. Nun musste Joe Biden Ähnliches befürchten. Angesichts der Umfragen sahen manche Kommentatoren einen roten Tsunami über ihn hinweg rollen.
Der aber ist ausgeblieben. Selbst von einer roten Welle kann bislang keine Rede sein. Zwar bleibt es wahrscheinlich, dass die Republikaner das Repräsentantenhaus zurückholen können, aber womöglich knapper als erwartet. Und im Senat konnte der Demokrat John Fetterman in Pennsylvania einen bislang republikanischen Sitz erobern.
It's abortion, stupid!
In den Exit Polls haben sich zwei Themen herauskristallisiert, die für die Wählerschaft zentral waren: Inflation und Abtreibung. Letzteres ist eine Blamage für die vorab männlichen Beobachter, die angesichts der Umfragen davon ausgingen, die Wut der Frauen über das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom Juni sei verraucht und der «Dobbs-Effekt» verpufft.
Das ist offenbar nicht der Fall. Die Kontroverse um den Schwangerschaftsabbruch ist nicht ausgestanden. Zwar ist das Thema nicht zu dem von den Demokraten erhofften Gamechanger geworden. Dafür ist der Unmut in Amerika über die hohe Teuerung und die Benzinpreise zu gross. Aber es rettet die Regierung Biden vielleicht vor einem Debakel.
Verschärfte Polarisierung
Verpufft sind dafür offenbar die Warnungen von Präsident Biden vor einer Gefahr für die Demokratie durch Wahlerfolge für die Trump-Republikaner. Einige Dutzend «Wahlleugner» haben sich auf nationaler und regionaler Ebene durchgesetzt. Kontroverse Figuren wie die Gouverneure Greg Abbott (Texas) und Ron DeSantis (Florida) wurden klar wiedergewählt.
Dies dürfte die Ambitionen von DeSantis auf das Weisse Haus beflügeln. Gleichzeitig entwickelt sich Florida vom Swing State zu einer Bastion der Republikaner. Ein ähnlicher Trend zeigt sich in Ohio, wo der «Wendehals» J.D. Vance die Senatswahl gewann. Die Polarisierung in den USA, bedingt durch das Zweiparteiensystem, verschärft sich.
Wahl wird Juristenfutter
Ausgerechnet im Bundesstaat Arizona, wo die fanatischen Trump-Anhänger und Leugner von Joe Bidens Wahlsieg besonders aktiv sind, kam es in der Nacht zu Problemen mit den Wahlmaschinen. Das lässt für die nächsten Tage und Wochen nichts Gutes erwarten. Schon vor dem Wahltag haben vor allem die Republikaner zahlreiche Klagen eingereicht.
BREAKING: Kari Lake inspires with message of strength amid continued ballot counting in Arizona, predicts victory within hours
— RSBN 🇺🇸 (@RSBNetwork) November 9, 2022
“When we win, FIRST line of action is to restore honesty to Arizona elections” @KariLake pic.twitter.com/ZKM4ELjzBl
Die Wahl dürfte zum Juristenfutter werden, was die Bekanntgabe des endgültigen Resultats in manchen Fällen um Tage oder Wochen verzögern könnte. Bei der Präsidentschaftswahl 2020 waren entsprechende Bestrebungen von Donald Trump und seiner Partei fast durchwegs erfolglos. Aber sie konnten damit Zweifel an der Legitimität der Wahl schüren.
Wie geht es weiter?
Nicht nur wegen möglicher Gerichtsverfahren könnte es dauern, bis feststeht, wer die Kontrolle über den Kongress übernimmt. In Georgia könnte es zu einer Stichwahl für den Senatssitz kommen. Denn in diesem Bundesstaat schreibt das Wahlgesetz vor, dass für einen Erfolg im ersten Durchgang mindestens 50 Prozent der Stimmen benötigt werden.
Verzögerungen aber sind potenzielles Gift für das Vertrauen in die Demokratie und das Wahlverfahren. Das dürfte ganz im Sinn von Donald Trump und seiner Anhängerschaft sein. Bereits gibt es wie erwartet Stimmen vonseiten der Republikaner, die über Wahlbetrug schwadronieren. Den USA dürften erneut unruhige Zeiten bevorstehen.