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Perfekt gekleidet, ohne Krawatte, dafür mit einem Baguette unter dem Arm, erscheint Seri Wada zum Gespräch. Just vor einem Jahr hängte er seinen Job als Kundenbetreuer in der Finanzbranche an den Nagel und begann, Brote zu produzieren. Heute zeigt der 43-Jährige, der nie eine Bäckerlehre absolvierte, den Grossen, wie man richtig Baguette backt und trifft damit den Nerv der Zeit.
Sie hätten sich in der Finanzbranche eine goldene Nase verdienen können. Warum gaben Sie das auf, um Baguettes zu backen?
Seri Wada: Der Job als Finanzberater machte mich nicht glücklich. Backen passt besser zu mir.
Gibt es nicht schon genug Bäcker?
Nein. Es gibt zwar genügend Brot, Bäckereien im urtümlichen Sinne jedoch verschwinden. In Zürich zum Beispiel gibt es immer weniger. Nur noch Grossbäckereien mit zentralen Produktionen, die dann an die Filialen ausliefern.
Was ist daran falsch?
Je grösser, je industrieller eine Bäckerei ist, desto weniger Geschmack hat das Brot. Als ich vor etwas mehr als einem Jahr bei einem Grossverteiler ein Brot kaufte, konnte ich es nicht fertig essen; es hatte so wenig Geschmack und keinen Charakter. Das war der Zeitpunkt, an dem ich beschloss, selber zu backen.
Warum schmeckt Ihnen das Brot der Grossen nicht?
Weil sie dem Brot keine Zeit geben. Sie arbeiten mit Backtreibmittel, damit die Brote schneller aufgehen. So kann kein gutes Brot entstehen. Solche Brote haben kein Leben, sie sind nur noch der Form nach Brote.
Was braucht es denn, damit ein Brot wirklich gut wird?
Nehmen wir das Baguette ...
... warum ausgerechnet das Baguette?
Ich habe viele verschieden Brotsorten ausprobiert und bin zum Schluss gekommen, dass ich nur etwas mache, das dafür richtig. Das ist übrigens ein weiteres Problem der Bäckereien: Alle bieten alles an; nebst den Broten Fastnachtsküchlein, Berliner und Erdbeertörtchen. So viele verschiedene Produkte gut zu produzieren, ist schlicht unmöglich. Deshalb konzentriere ich mich auf Baguettes. Und dafür braucht es – um auf Ihre Frage zurückzukommen – eigentlich nur Wasser, Mehl, Hefe und Salz.
Und wie machen Sie daraus das perfekte Baguette?
Vereinfacht gesagt ist der wichtigste Schritt der vom Mehl zum Brot. Das geschieht bei mir über Nacht. Ein gutes Baguette braucht Zeit, bei mir braucht es bis zu 36 Stunden, bis der Teig bereit ist. Früher nahmen sich die Bäcker mehr Zeit, durch die Industrialisierung ging das aber leider verloren. Denn Zeit ist Geld. Ich bin kein guter Beck, aber ich lasse mir Zeit. Deshalb haben meine Brote viel Feuchtigkeit drin, die nur langsam abgegeben wird. So bleiben sie lange frisch.
Von wem haben Sie das gelernt?
Ich habe es mir selber beigebracht, mittlerweile backe ich seit vier Jahren. Schon früh merkte ich, dass Brot nicht an jedem Tag gleich schmeckt, dass die Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur einen Einfluss auf das Brot haben.
Bei wem schauten Sie ab?
In Frankreich gibt es den «Concours de la meilleure baguette de Paris». Wer den Wettbewerb gewinnt, darf seine Baguettes ein Jahr lang dem Präsidenten liefern. Hier bediente ich mich einiger Rezepte und entwickelte sie weiter. Zuerst buk ich für mich, dann für meine Kollegen. Alles entstand in meinem kleinen Backofen in meiner Wohnung.
Mittlerweile backen Sie in einer Backstube, die Ihnen der Zürcher Gastronom Michel Péclard zur Verfügung stellt. Wie kam es dazu?
Das ist eine lange Geschichte, ich versuche sie zusammenzufassen: Schon während meiner Zeit als Kundenberater machte ich ab und zu das Catering für verschiedene Anlässe. Unter anderem bot ich dabei meine Baguettes an. Das waren jeweils nur so zwei bis drei. Diese schmeckten den Leuten und sie fragten nach, woher sie kommen. Das Catering war die Plattform für meine Baguettes.
Was geschah dann?
Es sprach sich herum, dass ich sehr gute Baguettes backe. Ich begann eine Facebook-Seite aufzubauen und postete auf Instagram Bilder meiner Backwaren. Im August dieses Jahres bekam Anna Pearson, die das Kochbuch «Zu Tisch» schrieb, Wind davon und bestellte 32 Baguettes für einen Event. Danach postete sie: «Stimmt, Seri Wada macht die Besten». Das löste etwas aus. Der Style-Papst Jeroen van Rooijen schrieb auf seinem Blog ein Porträt über mich. Schliesslich kam Michel Péclard auf mich zu und bot mir eine Backstube unter der Milchbar beim Paradeplatz in Zürich an.
Wen beliefern Sie? Wie viele Baguettes backen Sie momentan?
Ein Teil der Vereinbarung mit Michel Péclard ist, dass meine Baguettes in der Milchbar zum Essen angeboten werden. Zusätzlich kann man sie an der Milchbar-Theke kaufen zum mitnehmen. Die Zahl der Brote variiert momentan noch stark. Ich muss zuerst den Backofen noch etwas besser kennen lernen.
Was ist Ihr Ziel?
Als Ziel für den Dezember habe ich mir 100 Baguettes pro Tag gesteckt. Davon könnte ich leben und käme meinem Traum, dass mich die Menschen als Baguette-Mann sehen, ein grosses Stück näher.
Ich backe seit Jahren oft mein "eigenes" Brot. Mal mit Eigelb, mal mit Milch, Butter, Petersilie, Knoblauch, Olivenöl, Mais, sogar mit Gofio. Meistens gelingt's - oft auch nur schlecht.
Experimentieren bringt's! Viel Erfolg!