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Das sind die 9 wichtigsten Flaschenhälse der Handelsschifffahrt

Das sind die 9 wichtigsten Flaschenhälse der Handelsschifffahrt

21.01.2024, 10:0021.01.2024, 13:35
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Die Schifffahrt ist das Rückgrat des Welthandels; sie wird von der Globalisierung angetrieben und treibt sie zugleich an. Der internationale Handel läuft, was das Volumen betrifft, schätzungsweise zu 80 Prozent über Frachtschiffe; wenn es um den Wert der Güter geht, sind es immer noch mehr als 70 Prozent. Ein grosser Teil dieses Handels wird über Seerouten abgewickelt, die über natürliche und künstliche maritime Engpässe verlaufen. Diese Flaschenhälse der Handelsschifffahrt sind relativ schmal und stark befahren. Und einige von ihnen befinden sich in Regionen, die politisch instabil sind.

Wie verwundbar die Handelsrouten durch solche Nadelöhre sind, zeigt sich derzeit im Roten Meer: Nach den Angriffen der Huthi-Rebellen auf Schiffe, welche die Meerenge von Bab el-Mandeb durchqueren und danach Kurs auf den Suezkanal und die wichtigen Wirtschaftszentren Europas nehmen, haben mehrere grosse Reedereien angekündigt, ihre Schiffe nicht mehr durch das Rote Meer zu schicken. Stattdessen nehmen sie nun die wesentlich längere Route um das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas.

Nicht nur geopolitische Risiken wie militärische Konflikte oder politisch motivierte Sperrungen gefährden diese Schifffahrtswege, sondern auch strukturelle Risiken. Ein bekanntes Beispiel dafür ist das Containerschiff Ever Given, das im Suezkanal auf Grund lief. Das riesige Schiff blockierte die Schifffahrtsrinne sechs Tage lang; Hunderte Schiffe stauten sich deshalb in beiden Fahrtrichtungen. Beim Panamakanal wiederum ist die Schifffahrt derzeit stark eingeschränkt, weil der Wasserpegel wegen einer anhaltenden Dürre bedrohlich gesunken ist.

Was immer auch die Gründe für die Blockade eines solchen maritimen Flaschenhalses sein mögen – der Unterbruch wirkt sich sofort auf die komplexen Lieferketten der globalisierten Weltwirtschaft aus. Diese 9 Flaschenhälse der Handelsschifffahrt – von West nach Ost geordnet – sind besonders wichtig:

Maritime Chokepoints
Bild: watson

Panamakanal

Lage Panamakanal
Karte: Google Earth/watson
  • Lage: Panama (Mittelamerika)
  • Verbindet: Pazifik und Atlantik (Karibik)
  • Länge: 81,6 Kilometer
  • Schmalste Stelle: 150 Meter
  • Maximal möglicher Tiefgang: 15,2 Meter
  • Schiffspassagen: 14'239 (2022)
  • Fracht: 296,4 Mio. Tonnen (2022)

Der 1914 eröffnete Panamakanal ist eine der wichtigsten Wasserstrassen der Welt, durch die schätzungsweise fünf Prozent des weltweiten Seefrachtverkehrs laufen. Der Kanal, der mit mehreren Schleusen einen Höhenunterschied von 26 Metern überbrückt, erspart den langen Umweg um Kap Hoorn, die Südspitze Südamerikas. Damit kürzt er den Seeweg zwischen New York und San Francisco um gut 20'000 Kilometer ab, was Schiffsreisen um etwa 21 Tage verkürzt. Der Panamakanal ist deshalb vor allem für Transporte zwischen der Ost- und der Westküste der USA – 60 Prozent davon gehen durch den Kanal – sowie zwischen Asien und der US-Küste von grosser Bedeutung.

Es waren denn auch die USA, die den Bau des Kanals vorantrieben, dafür 1903 die Abtretung des Gebietes von Kolumbien erzwangen und daraus den Staat Panama formten. Sie behielten bis Ende 1999 die Kontrolle über die Kanalzone, seither wird der Kanal von der Panamakanal-Behörde verwaltet, die auch die Mautgebühren erhebt. Im Durchschnitt kostet eine Passage rund 48'000 Dollar. 2019 betrugen die Einnahmen aus den Gebühren mehr als 2,6 Milliarden Dollar.

Bis 2016 wurde der Kanal neun Jahre lang für grössere Schiffe ausgebaut; seither können bis zu 366 Meter lange und 50 Meter breite Containerschiffe die Schleusen passieren. Dieses Erweiterungsprojekt hat den Kanal für asiatische Mega-Containerschiffe, die die US-Ostküste ansteuern, attraktiv gemacht. In umgekehrter Richtung werden grosse Mengen Soja und Mais aus den USA und Brasilien nach Asien verschifft; in beiden Richtungen passieren jedes Jahr rund ein Fünftel der weltweiten Sojaexporte und ein Sechstel der weltweiten Maisexporte den Kanal.

FILE - A Panama Canal worker docks the Chinese container ship Cosco at the Panama Canals' Cocoli Locks, in Panama City on Dec. 3, 2018. China's Belt and Road initiative has built power plant ...
Ein chinesisches Containerschiff bei den Cocoli-Schleusen des Panamakanals. Bild: keystone

Die Folgen eines Ausfalls der Wasserstrasse sind bedeutend, da der Umweg über das gefürchtete Kap Hoorn – oder durch die ebenfalls weit südlich gelegene Magellanstrasse – extrem lang ist. Seit 2022 ist es in Panama mehrmals zu Massenprotesten gegen die extreme soziale Ungleichheit gekommen, doch insgesamt scheint das Land stabil zu sein.

Grosse Probleme verursacht hingegen die anhaltende Dürre, die wohl mit dem Klimawandel und dem Wetterphänomen El Niño zu tun hat und die den Wasserstand des Kanals stark hat sinken lassen. Die Zahl der buchbaren Schiffspassagen wird deshalb laut Angaben der Kanalbehörde bis Februar 2024 von 30 auf 18 pro Tag beschränkt.

Strasse von Gibraltar

Lage Strasse von Gibraltar
Karte: Google Earth/watson
  • Lage: Spanien/Marokko (Europa/Nordafrika)
  • Verbindet: Atlantik und Mittelmeer
  • Länge: ca. 60 Kilometer
  • Schmalste Stelle: 13 Kilometer
  • Schiffspassagen: ca. 110'000 pro Jahr

Die Strasse von Gibraltar ist die einzige natürliche Verbindung zwischen Atlantik und Mittelmeer und gehört zu den meistbefahrenen Meerengen der Welt – jeden Tag wird sie von schätzungsweise 300 Schiffe durchquert. Im Norden wird der Engpass durch Spanien und das britische Überseegebiet Gibraltar begrenzt, im Süden durch Marokko und die spanische Exklave Ceuta.

Meerenge von Gibraltar aus dem All.
Die Meerenge von Gibraltar in einer Satellitenaufnahme.Bild: Shutterstock

Die Meerenge ist nicht nur für die kommerzielle Schifffahrt von grosser Bedeutung, sondern auch militärstrategisch: So erwies sich die Kontrolle über die Wasserstrasse dank der Festung Gibraltar in mehreren Kriegen als wesentlicher Vorteil für das Britische Empire. Auch heute noch ist die Meerenge strategisch wichtig. Da sie sehr tief ist, können hier U-Boote entlang der gesamten Wasserstrasse untergetaucht operieren.

Felsen von Gibraltar
Der Felsen von Gibraltar – der Name stammt aus dem Arabischen (Dschabal Tariq, «Berg des Tarik») – enthält eine unterirdische Festung. Bild: Shutterstock

Die Gefahr für einen Ausfall dieser wichtigen Wasserstrasse ist sehr gering; die Region ist geopolitisch stabil. Problematisch können die Wetterverhältnisse in der Meerenge sein, die in der Vergangenheit öfter Unfälle ausgelöst haben. Solche sind besonders bei Tankern gefährlich, da sie zu Ölkatastrophen führen können. Erst im Sommer 2022 kollidierte ein Massengutfrachter mit einem Flüssiggastanker, wobei eine Ölpest nur knapp verhindert werden konnte. Bisher gab es jedoch noch keinen Unfall, der eine komplette Sperrung der Wasserstrasse verursacht hätte.

Ärmelkanal

Lage Ärmelkanal
Karte: Google Earth/watson
  • Lage: Vereinigtes Königreich/Frankreich (Europa)
  • Verbindet: Atlantik (Keltische See) und Nordsee
  • Länge: ca. 560 Kilometer
  • Schmalste Stelle: 34 Kilometer (Strasse von Dover)

Der Ärmelkanal, insbesondere die Strasse von Dover an seinem östlichen Ende, ist einer der meistfrequentierten Schifffahrtswege weltweit. Dort passieren jeden Tag 400 bis 500 Schiffe. Die Wasserstrasse – die in England «English Channel» und in Frankreich «La Manche» genannt wird – stellt die kürzeste Verbindung zwischen wichtigen Nordsee-Containerhäfen wie Rotterdam, Antwerpen oder Hamburg mit dem Atlantik dar. Historisch bedeutsam war allerdings auch die trennende Funktion der Meerenge – sie schützte die Britischen Inseln seit 1066 zuverlässig vor Invasionen vom Festland.

Ärmelkanal bei Nacht aus dem All gesehen.
Der Ärmelkanal aus dem All bei Nacht. Die beiden grossen Lichtflecken sind London (oben) und Paris (unten).Bild: Shutterstock

Die Region in Westeuropa ist geopolitisch stabil; von dieser Seite droht dem Schiffsverkehr kaum Gefahr. Zwar sorgen protestierende Fischer bisweilen für Ungemach, doch die grösste Gefahrenquelle für die Handelsschifffahrt stellen hier Unfälle dar. Schon die besonderen Wind- und Gezeitenverhältnisse machen die Meerenge zu einer Herausforderung für jeden Navigator; hinzu kommt das hohe Verkehrsaufkommen: Riesige Containerschiffe und Supertanker kreuzen die Kurse von zahlreichen Fähren, die zwischen der Normandie im Süden und der englischen Südküste im Norden pendeln, dazu kommen unzählige Fischer und Hobbysegler.

epa02383526 Handout photo issued by the French Navy in Brest, France, 08 October 2010, showing a rescue helicopter hovering over the YM Uranus, that is heavily listing after having collided with anoth ...
Der havarierte Chemietanker YM Uranus, 2010.Bild: EPA

Dass es zu Havarien kommt, ist daher nicht verwunderlich. Der letzte schwere Unfall liegt gleichwohl schon mehrere Jahre zurück: 2010 stiess der Chemietanker YM Uranus mit einem Containerschiff zusammen. Eine Umweltkatastrophe konnte freilich verhindert werden.

Dänische Meerengen

Lage Kleiner und Grosser Belt, Öresund
Karte: Google Earth/watson
  • Lage: Dänemark/Schweden (Europa)
  • Verbinden: Ostsee und Nordsee (Kattegat)

Drei Meerengen verbinden die Ostsee über das Kattegat mit der Nordsee: der Kleine Belt, der Grosse Belt und der Öresund (von West nach Ost). Pro Jahr passieren rund 100'000 Schiffe diese drei Wasserstrassen, etwa die Hälfte davon nutzt den Grossen Belt, etwa ein Drittel den engen Öresund.

Karte Kleiner Belt, Grosser Belt, Öresund
Die drei dänischen Meerengen: Kleiner Belt, Grosser Belt und Öresund (von West nach Ost). Bild: Mapdata/watson

Der Kleine Belt (dänisch: Lille Bælt) ist rund 70 Kilometer lang und an der schmalsten Stelle etwa 600 Meter breit. Er verläuft zwischen der Insel Fünen und der Halbinsel Jütland. Er ist im Gegensatz zu den beiden anderen Meerengen für die Handelsschifffahrt eher unbedeutend. Der Grosse Belt (dänisch: Store Bælt) im engeren Sinn ist rund 70 Kilometer lang und 20 bis 30 Kilometer breit. Er trennt die dänischen Inseln Fünen und Seeland. Der Öresund (dänisch: Øresund) ist etwa 180 Kilometer lang und an der schmalsten Stelle 4 Kilometer breit. Er wird im Westen von der dänischen Insel Seeland und im Osten von der schwedischen Küste begrenzt.

epa06102239 The Russian 'Thyphoon'-class nuclear submarine 'Dmitrij Donskoj' ploughs through Danish waters under the Great Belt Bridge between Jyutland and Fun, Denmark, 21 July 20 ...
Ein russisches Atom-U-Boot passiert die Brücke über den Grossen Belt, die Storebæltsbroen. Die russischen Ostseehäfen sind über die dänischen Meerengen mit dem Weltmeer verbunden. Bild: EPA/SCANPIX DENMARK

Die dänischen Meerengen gelten weltweit als sicherster maritimer Engpass. Hier verlaufen die meistbefahrenen Schifffahrtsrouten für russische Ölexporte nach Europa, die allerdings seit Beginn des Ukrainekriegs abgenommen haben.

Bosporus und Dardanellen

Lage Bosporus und Dardanellen
Karte: Google Earth/watson
  • Lage: Türkei (Europa/Asien)
  • Verbinden: Mittelmeer (Ägäis, Marmarameer) und Schwarzes Meer
  • Länge: ca. 30 Kilometer (Bosporus)/65 Kilometer (Dardanellen)
  • Schmalste Stelle: ca. 700 Meter (Bosporus)/1,3 Kilometer (Dardanellen)
  • Schiffspassagen: ca. 50'000 pro Jahr

Die türkischen Meerengen besitzen enorme strategische Bedeutung, da sie die Schwarzmeer-Region und daran anschliessend die Region des Kaspischen Meeres über das Mittelmeer mit dem Ozean verbinden. Über Bosporus und Dardanellen haben Russland, die Ukraine, Rumänien, Bulgarien und Georgien Anschluss an das Mittelmeer und über die Strasse von Gibraltar und den Suezkanal Zugang zu den Passagen nach Asien und Amerika. Für Russland sind die Meerengen die wichtigste Route für den Zugang zu den europäischen Märkten.

Satelliten-Bild der Dardanellen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Dardanellen#/media/Datei:Dardanelles_landsat.jpg
Satellitenaufnahme der Dardanellen. Die Halbinsel im Nordwesten gehört zu Europa, die südöstliche Landmasse zu Asien. Bild: Wikimedia

Die türkischen Meerengen gelten als die gefährlichste Engstelle der Welt, namentlich der Bosporus, da dieser stark befahren und an seiner engsten Stelle nur 700 Meter breit ist. Zudem weist er viele scharfe Kurven auf, was die Schifffahrt äusserst schwierig macht. Die hauptsächlichen Risiken an diesem Engpass sind denn auch viel eher schlechtes Wetter und Havarien als Konflikte oder Terrorismus.

Der Bosporus, im unteren Teil des Bildes İstanbul, das sowohl in Europa (links) als auch in Asien (rechts) liegt. 
https://de.wikipedia.org/wiki/Bosporus#/media/Datei:Bosporus.jpg
Der Bosporus trennt Europa (links) von Asien (rechts). Am südlichen Teil des Bosporus liegt zu beiden Seiten die Metropole Istanbul. Bild: Wikimedia

Für aus Asien kommende Güter stellt die Route über die Meerengen, das Schwarze Meer, den Donau-Schwarzmeerkanal und die Donau eine Alternative zur Route Mittelmeer – Strasse von Gibraltar – Nordsee-Häfen dar. Alle wichtigen Städte entlang der Donau können dadurch schneller erreicht werden; die Reisezeit wird dadurch um etwa 13 Tage verkürzt.

Über den türkischen Flaschenhals gelangt Öl aus der Region des Kaspischen Meeres nach Westen. Zudem wird Getreide aus der Ukraine durch die Meerengen transportiert. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat jedoch die Lieferketten im Schwarzen Meer durcheinandergebracht. Die Risiken für Handelsschiffe sind dort gestiegen, und Versicherungsgesellschaften haben die Prämien für Schwarzmeer-Fahrten erhöht. Im März 2022 setzte die Türkei den Schiffsverkehr im Bosporus für mehrere Stunden aus, weil eine Seemine frei umhertrieb.

Containerschiff auf dem Bosporus bei Istanbul.
Containerschiff auf dem Bosporus bei Istanbul.Bild: Shutterstock

Die Hoheitsrechte über die Meerengen liegen bei der Türkei, die für die Passage Gebühren erhebt und im Kriegsfall auch das Recht hat, den Engpass zu sperren. Sonst muss die Türkei gemäss dem 1936 unterzeichneten Übereinkommen von Montreux nichtmilitärischen Schiffen aus Ländern, mit denen sie sich nicht im Krieg befindet, die freie Durchfahrt gewähren. Anfang 2024 hat Ankara das Gesuch Grossbritanniens, zwei Minensuchschiffe über die Meerengen an die Ukraine zu liefern, abgelehnt und erklärt, sie werde allen Militärschiffen mit Verbindungen zu Russland oder der Ukraine die Durchfahrt verweigern, solange der Krieg andauere.

Suezkanal

Lage Suezkanal
Karte: Google Earth/watson
  • Lage: Ägypten (Afrika/Asien)
  • Verbindet: Rotes Meer (Golf von Suez) und Mittelmeer
  • Länge: 193,3 Kilometer
  • Schmalste Stelle (für Schiffe nutzbar): 210 Meter
  • Maximal möglicher Tiefgang: 20,1 Meter
  • Schiffspassagen: 18'829 (2020)
  • Fracht: 1170 Mio. Tonnen (2020)

Der 1869 eröffnete Suezkanal ist ein künstlicher Meerwasserkanal zwischen dem Mittelmeer und dem Roten Meer, der zusammen mit der natürlichen Meerenge von Bab el-Mandeb am südlichen Ausgang des Roten Meeres den Indischen Ozean mit dem Atlantik verbindet. Wie der Panamakanal macht er die Umfahrung eines ganzen Kontinents überflüssig – er verkürzt den Seeweg von Singapur nach Rotterdam um etwa 6000 Kilometer. Der Umweg über das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas ist etwa neun Tage länger. Im Gegensatz zum Panamakanal ist der Suezkanal jedoch schleusenlos.

Suezkanal (Satellitenfoto), 2001.
https://de.wikipedia.org/wiki/Suezkanal#/media/Datei:SuezCanal-EO.JPG
Satellitenaufnahme des Suezkanals mit dem Grossen und Kleinen Bittersee.Bild: Wikimedia

Der Kanal war einst die Lebensader des Britischen Weltreichs, dessen mit Abstand wichtigste Kolonie Indien war. Grossbritannien kontrollierte die Kanalzone bis 1956, dann verstaatlichte Ägypten den Kanal. Heute ist der Suezkanal eine wichtige Einnahmequelle für Ägypten: Jeden Tag passieren rund 50 Schiffe die Wasserstrasse; pro Durchfahrt erhebt die ägyptische Betreibergesellschaft Gebühren von durchschnittlich 300'000 Dollar.

Die Wasserstrasse – nach dem Nord-Ostsee-Kanal der weltweit meistbefahrene Kanal – ist eine der wichtigsten Arterien des Welthandels, über die etwa 12 Prozent des weltweiten Handelsverkehrs laufen. Der Anteil am globalen Containerverkehr liegt mit etwa einem Drittel sogar noch höher. Der Kanal ist ein wichtiger Transportweg für Erdöl und Flüssiggas aus dem Nahen Osten nach Europa. Allerdings hat der Suezkanal seit den Siebzigerjahren, als Westeuropa noch den Grossteil seiner Ölversorgung aus der Golfregion bezog, erheblich an Bedeutung verloren.

Auch im Vergleich mit dem Panamakanal, den nach einer neunjährigen Erweiterung grössere Schiffe passieren können, ist der Suezkanal weniger wichtig als zuvor. Für einige der Container-Riesen, die früher nur den Suezkanal durchfahren konnten, stellt der Panamakanal nun eine Alternative für die Route von Asien zum Atlantik dar.

Die Risiken für die Handelsschifffahrt sind beim Suezkanal sowohl struktureller wie geopolitischer Natur: Die trotz der Erweiterung 2015 auf dem Grossteil der Strecke nur einspurig befahrbare Wasserstrasse ist anfällig für Verstopfungen, wie 2021 die Blockade durch das Containerschiff Ever Given deutlich vor Augen geführt hat. Auch für erfahrene Kapitäne ist es kein leichtes Unterfangen, ein 400 Meter langes Schiff bei Strömung und Seitenwind durch diese schmale Schifffahrtsrinne zu steuern.

Der Kanal liegt zudem in einer notorisch instabilen Region, in der es zahlreiche Konflikte gibt wie aktuell den Krieg im Gazastreifen. Nach dem Ende des Sechstagekriegs 1967 wurde er von den ägyptischen Behörden komplett gesperrt und blieb bis 1975 geschlossen. Gegen Ende dieses Zeitraums bereiteten sich europäische Länder aufgrund der Ölkrise darauf vor, Benzin für Autos zu rationieren. Auch der Terrorismus ist ein Problem für die Wasserstrasse, wie mehrfache Bombenanschläge der Muslimbruderschaft 2015 gezeigt haben.

Meerenge von Bab el-Mandeb

Lage Meerenge von Bab el-Mandeb
Karte: GoogleEarth/watson
  • Lage: Jemen/Dschibuti und Eritrea (Asien/Afrika)
  • Verbindet: Rotes Meer und Indischer Ozean (Golf von Aden)
  • Länge: ca. 50 Kilometer
  • Schmalste Stelle: 27 Kilometer

Wie der Suezkanal, mit dem sie logistisch zusammenhängt, ist die Meerenge von Bab el-Mandeb Teil der Schifffahrtsroute von Asien über den Nahen Osten zum Mittelmeer. Und wie der Suezkanal ist dieser Engpass eine wichtige Wasserstrasse für den Transport von Erdöl und Erdgas. Jeden Tag passieren nach Angaben der U.S. Energy Information Administration schätzungsweise 4,5 Millionen Barrel Öl die Meerenge.

Bab el-Mandeb, Dschibuti, Jemen, Rotes Meer
Satellitenaufnahme der Meerenge. Bab el-Mandeb bedeutet «Tor der Tränen». Bild: Wikipedia/NASA

Gemäss Schätzungen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) wird bis zu einem Viertel des weltweiten Schiffsverkehrs über diese Route abgewickelt. Dabei ist er an der engsten Stelle der Meeresstrasse auf zwei jeweils drei bis vier Kilometer breite Fahrrinnen für ein- und ausgehende Transporte beschränkt. Deren Blockade würde Tanker aus den Golfstaaten und Containerschiffe aus Asien dazu zwingen, die Südspitze von Afrika zu umfahren. Die Folgen für die Ölversorgung des Westens wären noch schwerwiegender als bei einer Sperrung des Suezkanals, weil dann nicht einmal mehr die Sumed-Pipeline, die vom Roten Meer zum Mittelmeer führt, erreichbar wäre.

Die Region um Bab el-Mandeb mit den Anrainerstaaten Eritrea und Dschibuti auf der afrikanischen und dem Jemen auf der asiatischen Seite ist geopolitisch höchst instabil. Im Jemen herrscht seit Jahren ein verheerender Bürgerkrieg, der als Stellvertreterkrieg Teil des Ringens der beiden rivalisierenden Vormächte Saudi-Arabien und Iran um die Vorherrschaft in der Region ist. Der Iran unterstützt dabei die Huthi-Rebellen, die gegen die von Saudi-Arabien unterstützten Regierungstruppen kämpfen. Die Huthis haben seit Beginn des Gazakriegs ihre Angriffe auf die Schifffahrt im Roten Meer intensiviert.

Der aktuelle Krieg im Gazastreifen ist nicht der erste Konflikt mit Beteiligung Israels, der Auswirkungen auf die Meerenge von Bab el-Mandeb hat. Nach dem Jom-Kippur-Krieg 1973 verhängten die arabischen ölproduzierenden Länder eine Blockade gegen Tanker, die Erdöl aus dem damals noch prowestlichen Iran nach Israel transportierten. Die Blockade, die einige Monate dauerte, wurde von ägyptischen Kriegsschiffen durchgesetzt.

epa11012837 An armed Yemeni sits on a boat in front of the Galaxy Leader cargo ship, seized by the Houthis offshore of the Al-Salif port on the Red Sea in the province of Hodeidah, Yemen, 05 December  ...
Das Containerschiff Galaxy Leader (im Hintergrund) wurde im November 2023 nördlich der Meerenge von Huthi-Rebellen gekapert. Bild: keystone

Früher waren somalische Piraten die häufigste Bedrohung für die Schifffahrt am Horn von Afrika und der Einfahrt zum Roten Meer. Diese Gefahr hat deutlich abgenommen, auch dank des internationalen Marine-Einsatzkommandos Atalanta. Die durch Piraterie verursachten ökonomischen Kosten im Westindischen Ozean sanken von 7 Milliarden Dollar im Jahr 2010 auf 1,3 Milliarden Dollar 2015. Vereinzelt kommt es aber nach wie vor zu Piratenüberfällen, so im Mai 2020, als ein britischer Chemikalientanker vor der Küste des Jemen angegriffen wurde.

Strasse von Hormus

Lage Strasse von Hormus
Karte: GoogleEarth/watson
  • Lage: Iran/Oman und Vereinigte Arabische Emirate
  • Verbindet: Persischer Golf und Indischer Ozean (Golf von Oman, Arabisches Meer)
  • Länge: ca. 167 Kilometer
  • Schmalste Stelle: ca. 38 Kilometer

Die Strasse von Hormus ist der einzige maritime Zugang zum Persischen Golf – durch diesen Flaschenhals verläuft der gesamte Schiffsverkehr von und zu den Ölhäfen des Irak, Bahrains, Kuwaits, Katars und der Vereinigten Arabischen Emirate. Auch die wichtigsten Ölhäfen Saudi-Arabiens befinden sich am Golf; das Königreich verfügt lediglich über ein paar Ausweichhäfen am Roten Meer. Zudem dienen Pipelines aus Abu Dhabi und Saudi-Arabien der Umgehung der Strasse von Hormus, doch deren Kapazitäten sind beschränkt.

Satellitenbild der Strasse von Hormus
https://de.wikipedia.org/wiki/Stra%C3%9Fe_von_Hormus#/media/Datei:Stra%C3%9Fe_von_Hormuz.jpg
Satellitenbild der Strasse von Hormus.Bild: Wikimedia

Knapp 21 Millionen Barrel – rund ein Drittel der etwa 60 Millionen Barrel, die jeden Tag auf den Weltmeeren bewegt werden – laufen durch diese Hauptader der weltweiten Ölversorgung. Dies entspricht volumenmässig etwa einem Fünftel des weltweiten Verbrauchs. Auch knapp ein Drittel des weltweiten Flüssiggas-Handels wird über diese Strasse abgewickelt – Katar etwa exportiert nahezu sein komplettes Flüssiggas über diese Route. In umgekehrter Richtung werden Lebensmittel zur Versorgung der Golfstaaten über die Strasse importiert. Ihr kommt daher eine enorme strategische Bedeutung zu.

Durch die schmalste Stelle der Meerenge zwischen dem iranischen Hafen Bandar Abbas und der Insel Kumzar in Oman führen zwei Schifffahrtswege, die jeweils nur gerade knapp vier Kilometer breit sind. Es ist daher möglich, die Strasse von Hormus auch mit relativ bescheidenen militärischen Mitteln zu sperren – mit enormen Auswirkungen auf die Ölversorgung Europas und vor allem Asiens, wohin drei Viertel des Öls vom Golf gehen. Der Iran, in dessen Hoheitsgebiet der nördliche Teil der Meeresstrasse liegt, ist dazu ohne Weiteres in der Lage.

The aircraft carrier USS Dwight D. Eisenhower and other warships crosses the Strait of Hormuz into the Persian Gulf on Sunday, Nov. 26, 2023, as part of a wider American deployment in the Middle East  ...
Der Flugzeugträger USS Dwight D. Eisenhower in der Strasse von Hormus. Die USA haben ihre Flottenpräsenz in der Golfregion infolge der Spannungen nach dem Ausbruch des Kriegs im Gazastreifen erhöht.Bild: keystone

Schon während des Ersten Golfkriegs zwischen dem Irak und dem Iran in den Achtzigerjahren drohte Teheran mit der Blockade des Seewegs, die allerdings auch eigene Ölexporte getroffen hätte. In diesem Konflikt kam es zu gegenseitigen Angriffen auf Tanker und Handelsschiffe – dem sogenannten Tankerkrieg. Auch später hat der Iran die Drohung, diese wichtige Lebensader der Weltwirtschaft zu sperren, als Druckmittel verwendet – beispielsweise 2011 während des Streits über das iranische Atomprogramm.

In den vergangenen Jahren haben iranische Streitkräfte nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums insgesamt 20 Handelsschiffe angegriffen oder gekapert. Derzeit wird befürchtet, dass eine Ausweitung des Kriegs im Gazastreifen zu einer Blockade durch den Iran führen könnte.

Strasse von Malakka

Strasse von Malakka
Karte: google earth/watson
  • Lage: Indonesien/Malaysia und Singapur (Asien)
  • Verbindet: Indischer Ozean (Andamanensee) und Pazifik (Südchinesisches Meer)
  • Länge: ca. 800 Kilometer
  • Schmalste Stelle: 2,8 Kilometer (beim Phillip Channel)
  • Schiffspassagen: ca. 100'000 pro Jahr

Die Strasse von Malakka ist eine der engsten wichtigen Meeresstrassen der Welt – und sie ist die bedeutendste für die internationale Handelsschifffahrt. Rund 40 Prozent des Welthandels laufen über diesen maritimen Flaschenhals, der den Indischen Ozean mit dem Südchinesischen Meer und damit Europa und Indien mit Südostasien, China und Japan verbindet. Sie ist die kürzeste Seeverbindung zwischen dem Fernen Osten und dem Indischen Ozean.

Strasse von Malakka, Satellitenbild.
Satellitenbild der Strasse von Malakka. Im Südwesten wird sie von der indonesischen Insel Sumatra begrenzt, im Nordwesten von der malaysischen Halbinsel Malakka, an deren Südspitze der Stadtstaat Singapur liegt. Bild: Shutterstock

Mehr als ein Viertel der weltweiten Sojabohnenexporte und ein Fünftel des international gehandelten Reises passieren die Meerenge. Vor allem aber gehen mehr als 80 Prozent des Öls, das auf dem Seeweg nach China transportiert wird, durch die Strasse von Malakka, die nur schon deshalb eine enorme strategische Bedeutung hat. Sie wird denn auch als «Aorta des Indo-Pazifischen Raums» bezeichnet. An ihrem südöstlichen Ende befindet sich zudem der Hafen von Singapur, der jedes Jahr von rund 130'000 Schiffen angelaufen wird und – gemessen am Containerumschlag – der zweitgrösste Hafen der Welt ist.

Für China, dessen Wirtschaft und Energieversorgung stark von der Strasse von Malakka abhängen, ist es ein strategisches Problem, dass die USA diese Lebensader im Konfliktfall relativ einfach sperren könnten. Peking spielt daher mit dem Gedanken, einen rund 50 Kilometer langen Kanal durch den schmalen südlichen Teil Thailands zu bauen, als Teil der sogenannten Maritimen Seidenstrasse. Dieser würde eine direkte Verbindung vom Südchinesischen Meer zum Indischen Ozean schaffen und wäre mehr als 2100 Kilometer kürzer als der Weg über Singapur und die Strasse von Malakka. Die immensen Kosten und mit dem Bau verbundene Umweltprobleme haben die Verwirklichung solcher Pläne bisher verhindert.

Schiffsverkehr in der Strasse von Malakka.
In der Strasse von Malakka drängen sich die Handelsschiffe. Bild: Shutterstock

Lange Zeit war die Strasse von Malakka ein Hochrisikogebiet aufgrund der Piraterie, doch diese Gefahr hat in den letzten Jahren abgenommen. Gleichwohl gab es 2019 noch 30 Piratenangriffe. Nach wie vor besteht in der extrem dicht befahrenen Strasse aber die Gefahr von Kollisionen und Grundberührungen. Erst 2017 stiessen hier der Tanker Alnic MC und der amerikanische Zerstörer USS John S. McCain zusammen.

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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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twendlan
21.01.2024 11:16registriert Juni 2016
Danke für den tollen Artikel.
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