Die Extremistengruppe Islamischer Staat (IS) kontrolliere nach wie vor etwa 40 Prozent von Kobane an der Grenze zur Türkei, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Sonntag mit. Der IS sei aber seit der Eroberung des Hauptquartiers der kurdischen Milizen am Freitag nicht weiter vorgerückt.
«Die jüngsten Luftangriffe waren sehr hilfreich», sagte Idris Nassan, Sprecher der kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG). Dabei seien einige IS-Stellungen getroffen worden. Die kurdischen Kämpfer hätten ihre Positionen halten können und versuchten, die sunnitischen Extremisten zurückzudrängen.
Zuvor hatte sich auch US-Verteidigungsminister Chuck Hagel vorsichtig optimistisch über die Lage in Kobane geäussert. «Tatsächlich gibt es da einige Fortschritte», sagte er in der chilenischen Hauptstadt Santiago. Der Kampf zur Zerstörung der Terrormiliz werde aber lang und schwer sein und die Lage sei weiterhin gefährlich, fügte er hinzu. Die USA würden weiterhin «alles tun, was mit Luftangriffen möglich ist», um die Dschihadisten aus Kobane zurückzudrängen.
Die Kämpfe waren Kurden-Sprecher Nassan zufolge weniger heftig als am Samstag, als IS-Milizionäre die Kurden von drei Seiten angegriffen hatten. Allerdings fehlten den kurdischen Volksschutzeinheiten nach wie vor die nötigen Waffen und Munition, um der Terrormiliz wirksamer entgegentreten zu können. Notwendig sei eine bessere Koordination mit der internationalen Koalition.
Deren Militärchefs wollen in der kommenden Woche in Washington über ihre Strategie in Syrien und im Irak beraten. Dazu hat US-Generalstabschef Martin Dempsey mehr als 20 Kollegen eingeladen. Die Gespräche sollen am Abend mit einem gemeinsamen Abendessen beginnen und am Dienstag am Militärstützpunkt Andrews bei Washington fortgesetzt werden. Auch die geplante Mission zur Ausbildung und Ausrüstung von als gemässigt geltenden syrischen Rebellen dürfte dabei Thema sein. Es ist das erste Treffen auf dieser Ebene seit Beginn der Luftschläge im Irak Anfang August.
Um die Schlacht für sich zu entscheiden, habe der IS Kämpfer aus den Provinzen Rakka und Aleppo abgezogen und nach Kobane beordert, sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman.
Wegen der Schlacht um Kobane flohen bislang etwa 180'000 Syrer in die Türkei. Nach UNO-Schätzungen befinden sich noch etwa 12'000 Zivilisten in und um Kobane. Der UNO-Syrien-Sondergesandte Staffan de Mistura warnte vor einem Massaker, sollte Kobane fallen. Die Türkei forderte er auf, die Grenze zu Syrien für Kämpfer zu öffnen, die sich freiwillig den Kurden in Kobane anschliessen wollten.
Die Türkei lehnt Forderungen nach einem Hilfskorridor in die Stadt jedoch ab. Einen solchen Zugang einzurichten, über den Waffen und Kämpfer zur Unterstützung der Kurden nach Kobane gelangen könnten, bezeichnete Aussenminister Mevlüt Cavusoglu am Sonntag als «unrealistisch».
Ein eigenes militärisches Eingreifen hat die Türkei bereits ausgeschlossen, obwohl auch international der Druck auf die Regierung wächst. So gingen in Düsseldorf am Samstag Zehntausende Kurden aus Solidarität mit den Bewohnern Kobanes auf die Strassen. Auch in Basel demonstrierten rund 5000 Menschen.
In der Türkei selbst ebbten die Kundgebungen bis zum Wochenende weitgehend ab. Zuvor waren bei Protesten mehr als 30 Menschen ums Leben gekommen.
Im Nachbarland Irak, wo der IS grosse Gebiete im Landesnorden kontrolliert, wurden am Wochenende bei Anschlägen mindestens 33 Menschen getötet. Laut der Armee starben allein in der Provinz Dijala an der Grenze zum Iran mindestens 25 Menschen durch drei Autobomben. Die meisten Opfer waren den Angaben zufolge Veteranen der kurdischen Peschmerga-Miliz, die gegen die den IS kämpfen wollten.
Die Terror-Expertenplattform SITE berichtete auf ihrer Internetseite, die IS habe sich zu den Anschlägen in der nordöstlichen Region Kara Tepe bekannt. Laut IS seien die Selbstmordattentäter ein Deutscher, ein Türke und ein Saudi gewesen.
Im Kampf gegen den IS bildet nun auch Grossbritannien kurdische Peschmerga-Kämpfer im Irak aus. Ein Spezialteam der britischen Streitkräfte sei in der Kurdenhauptstadt Erbil im Nordirak im Einsatz, teilte das Verteidigungsministerium in London am Wochenende mit. Die Kämpfer würden im Umgang mit schweren Maschinengewehren ausgebildet, die Grossbritannien im September geliefert habe. (meg/sda/dpa)