Bundespräsident Didier Burkhalter hat nach dem Schweizer Ja zur Zuwanderungsinitiative seine Erklärungstour durch Europa begonnen. In Berlin signalisierten die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Aussenminister Frank-Walter Steinmeier, dass ihnen gute Beziehungen zur Schweiz wichtig sind. Es müssten «vernünftige Lösungen» gesucht werden, sagte Merkel am Dienstag vor den Medien. Obwohl sie den Schweizer Entscheid bedaure, werde sich Deutschland bei der EU für solche Lösungen einsetzen. Es gelte mit dem Ergebnis so umzugehen, «dass die Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz so intensiv wie möglich bleiben», sagte die Bundeskanzlerin weiter.
Auch Aussenminister Steinmeier betonte die gute und nahe Zusammenarbeit, welche die Beziehung zwischen der Schweiz und Deutschland seit Jahrzehnten präge. Als Beispiele nannte er den Handelsaustausch, die Forschungszusammenarbeit und auch die gemeinsame Arbeit an Infrastrukturprojekten. Die aktuelle Situation nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative sei als« eine Schwierigkeit» zu sehen, «über die wir hinweg müssen», sagte Steinmeier.
Bundespräsident Didier Burkhalter bedankte sich für das Wohlwollen und die offene Diskussion in Berlin. Er habe in den Gesprächen erläutert, was der Volksentscheid bedeute. Insbesondere legte der Schweizer Aussenminister Wert auf die Feststellung, dass die Gesetzesbestimmungen für die Umsetzung der Initiative erst noch ausgearbeitet werden müssten. In der Übergangszeit von drei Jahren gelte noch die Personenfreizügigkeit. Nun habe der Bundesrat den Auftrag, die bestehenden Abkommen zur Personenfreizügigkeit nach zu verhandeln. «Hier besteht Raum für Diskussionen», sagte Burkhalter vor den Medien in Berlin. «Es war schon immer so, dass wir gut zusammen sprechen konnten, obwohl wir nicht immer gleicher Meinung waren», sagte Burkhalter nach dem Gespräch mit Steinmeier.
Bei aller Freundschaft machte Steinmeier klar, dass «der Ball nun im Feld der Schweizer liegt». Er wisse, dass von Schweizer Seite an der Gestaltung des Verhältnisses zwischen der EU und der Schweiz gearbeitet werde. Ob die künftige Kontingentierung der Zuwanderung in die Schweiz mit der Personenfreizügigkeit der EU wirklich verträglich sein wird, blieb offen. Dies sei ein rechtlicher Konflikt, der auf rechtlichem Weg bearbeitet werden müsse. «Dann werden wir sehen, ob uns das gelingt», sagte Steinmeier auf eine Journalistenfrage. Zu dem auf Eis gelegten Zusatzprotokoll zu der Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien sagte Burkhalter, dass kein EU-Staat diskriminiert werde, egal, wie die Lösung zur Umsetzung der Initiative aussehe. Seit dem Ja zur SVP-Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» haben Vertreter der EU wiederholt deutlich gemacht, dass für sie die Personenfreizügigkeit nicht verhandelbar ist. Die EU setzte die Verhandlungen zum Forschungsrahmenprogramm «Horizon 2020» und zum Austauschprogramm «Erasmus+» vorübergehend aus. Auch das Stromabkommen mit der EU ist gefährdet.
Wichtige Vermittlungsrolle in Ukraine-Konflikt In ihren Gesprächen schnitten die Aussenminister auch die Situation in der Ukraine an. Steinmeier bedankte sich beim Schweizer Kollegen für die Vermittlungstätigkeit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der die Schweiz dieses Jahr vorsteht, in der Ukraine. Er hoffe, dass die Schweiz ihr diesbezügliches Engagement noch verstärken könne, sagte Steinmeier. Beide Seiten forderten erneut eine politische Lösung für den Konflikt im ehemaligen Sowjetstaat. Nach seinem Besuch in Berlin reiste Burkhalter weiter nach Paris. Dort wollte er den französischen Aussenminister Laurent Fabius treffen. (sda)