Wer will in den Bundesrat? Mit der Rücktrittsankündigung von Bundesrätin Simonetta Sommaruga wird diese Frage auch im sozialdemokratischen Milieu fleissig gestellt. Bislang häuften sich in erster Linie Absagen – so wie gestern jene von alt Ständerätin Pascale Bruderer. Andere wie Daniel Jositsch, Eva Herzog oder Edith Graf-Litscher stehen noch im Rennen.
Ihr Wille allein zählt aber nicht. Das hängt mit einer Eigenart der schweizerischen Regierungswahl zusammen: Wer den Sprung in den Bundesrat schafft, darf sich das genaue Amt nicht selbst aussuchen. Für gestandene Politikerinnen und Politiker mit einer grossen Expertise in einem bestimmten Fachbereich ist das ein grosses Problem: Wer unbedingt in den Bundesrat will und sich jahrelang mit dem Strafrecht beschäftigte, müsste bei einer allfälligen Wahl auch damit umgehen können, dass er oder sie im Umweltdepartement landet.
Als besonders «unbeliebt» gilt dabei das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport – kurz VBS, welches derzeit von Mitte-Bundesrätin Viola Amherd geleitet wird. Amherd machte sich vor ihrer Zeit als «erste Verteidigungsministerin der Schweiz» vor allem einen Namen als klassische Bergkantonsvertreterin mit ausserordentlich gesellschaftsliberalen Positionen.
Amherd baute sich zwar rasch einen Ruf als überzeugte Armeepolitikerin auf, die ihr Departement motiviert führt. Geholfen haben dabei auch Erfolge bei der Kampfjetbeschaffung. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass sie als Juristin, Anarchismusinteressierte und Gleichstellungspolitikerin in diesen Tagen auch auf andere Departemente schielt.
Ende Oktober, als zunächst nur Ueli Maurers Rücktritt angekündigt war, dementierte sie – getreu den Gepflogenheiten – jedoch jegliche Transfergelüste, wie es der «Walliser Bote» nach einer Podiumsdiskussion notiert hatte: «Ich weiss nur, dass es mir im VBS sehr gut gefällt. Ich bin mittlerweile sehr gut eingearbeitet. Ich darf auch sagen, dass ich viele Projekte aufgegleist und auch umgesetzt habe. Es gäbe also keinen Grund zum Wechsel.»
Unklar bleibt, ob dieses Dementi auch nach der Rücktrittsankündigung von Sommaruga gilt. Amherds Sprecher wollte dazu keine Stellungnahme abgeben. Die Walliserin wird aber gut einen Departementswechsel mit einer veränderten Situation rechtfertigen können. Die Mitte-Politikerin engagierte sich vor ihrer VBS-Zeit als Verkehrspolitikerin und dürfte aufs Verkehrsdepartement (UVEK) schielen. Hinzu kommt: Amherds Generalsekretär Toni Eder hatte vor einigen Jahren denselben Job bereits im UVEK-Departement.
Dies dürfte die SP-Kandidierenden beunruhigen: Sie müssten – wenn Amherd das Departement wechselt und SVP-Favorit Albert Rösti das Finanzdepartement von Ueli Maurer beerbt – das VBS übernehmen, ohne überzeugte Armeepolitikerinnen oder selbst Armeeangehörige gewesen zu sein. Amherds Karriere zeigte zwar, dass dies kein Hindernis sein muss – man müsste aber bereit sein, eigene Themen, für die man grosse Leidenschaft pflegt, links liegenzulassen.
Dies soll bei der Wirtschaftspolitikerin Jacqueline Badran ein Grund dafür sein, dass sie demnächst eine allfällige Kandidatur absagen dürfte. Auch die Finanzpolitikerin Eva Herzog aus dem urbanen Kanton Basel-Stadt dürfte sich die Frage stellen, wie sie vier Jahre lang eine Motivation fürs VBS aufrechterhalten könnte.
Einfacher hätte es die Thurgauer Nationalrätin Edith Graf-Litscher: Sie machte sich einen Namen als engagierte Armeepolitikerin mit einem SP-Parteibuch und könnte die erste sozialdemokratische Verteidigungsministerin der Schweiz werden. Graf-Litscher bestätigte gestern gegenüber watson, eine Kandidatur seriös prüfen zu wollen: «Ich werde mir dafür Zeit nehmen.» Beeilen muss sie sich (noch) nicht: Die Kandidaturfrist endet am 21. November.
Noch einfacher hätte es der SP-Ständerat Daniel Jositsch, der als Militäroffizier die Armee von innen kennt und als sozialdemokratischer «Reformpolitiker» kein Armeeabschaffer ist.
Korrektur: Bundesrätin Amherd erlangte das Lizenziat und promovierte nicht.
Diese Vermutung ist sicher nicht aus der Luft gegriffen. Als ausgesprochene Macherin wäre Frau Amherd die richtige Person im UVEK. Ich bin sicher, sie würde die dringend nötig Energiewende und erneurbare Energien am Schnellsten voran bringen.