Eigentlich ging man davon aus, dass die Wahl von Simonetta Sommarugas Nachfolgerin wenig spektakulär über die Bühne geht: Bereits früh signalisierte die Parteileitung der SP um Cédric Wermuth und Mattea Meyer, die die zweitwählerstärkste Partei des Landes im Co-Präsidium führen, dass eine Frau Sommarugas Platz in der Landesregierung einnehmen soll. Schliesslich sei die SP die Partei der Gleichstellung und mit Alain Berset bereits ein Mann aus den eigenen Reihen im höchsten Gremium des Landes vertreten.
Nun sorgt ein anderer SP-Mann dafür, dass die Diskussion um Sommarugas Nachfolge doch noch an Spannung gewinnt: Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch kann einem reinen Frauen-Ticket wenig abgewinnen. Er bezeichnete den strikten, undiskutierten Ausschluss von Männern als mögliche Kandidaten gar als «diskriminierend».
Jositsch selbst gilt seit langem als Politiker mit Bundesratsformat und geniesst diesen Status auch über die SP-Parteigrenzen hinaus. Und nun kokettiert er offensichtlich ebenfalls mit einem Einzug in den Bundesrat.
Während er in den vergangenen Tagen aus den eigenen Reihen nur wenig öffentlichen Zuspruch bekam, erhält Jositsch nun unerwartete Unterstützung: Gleich zwei SP-Frauen befinden, dass die Partei Männerkandidaturen doch zulassen sollte. So sagt Franziska Roth, Solothurner Nationalrätin, gegenüber der «SonntagsZeitung»: «Ich finde die Fixierung auf ein reines Frauenticket demokratisch und strategisch ungeschickt. Wir dürfen den Männern nicht von vornherein die Hosen abschneiden.» Die SP sei eine basisdemokratische Partei, jeder und jede solle sich bewerben können.
Roth bekräftigt, dass ihr Gleichstellung wichtig sei. Gerade darum solle es innerhalb der Partei eine Ausmarchung zwischen Frauen und Männern geben. Ohne Zweifel gebe es in der SP auch fähige Frauen für den Bundesrat.
Ins gleiche Horn stösst ihre Aargauer Amts- und Parteikollegin Gabriela Suter. Für sie ist klar, dass die SP zwar jeweils eine Frau und einen Mann im Bundesrat anstrebe, aber: «Grundsätzlich kann ich mir schon vorstellen, dass die SP für eine kurze Übergangszeit zwei Frauen oder zwei Männer im Bundesrat hat», sagt Suter gegenüber der «SonntagsZeitung». Heisst also: Würde nun beispielsweise Jositsch in den Bundesrat gewählt, so würde bei einem künftigen Rücktritt von Alain Berset sicherlich wieder eine Frau favorisiert.
Die aktuelle Situation hat nun durchaus Konfliktpotenzial, denn: SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer beharrt auf der Ankündigung der Parteileitung. Im Interview mit der «SonntagsZeitung» sagt sie: «Herr Jositsch hat unbestritten das Format eines Bundesrats. Wir sind aber überzeugt davon, dass auch mögliche Kandidaten die Notwendigkeit einer Frauenkandidatur sehen und jetzt verzichten. Sie haben die Möglichkeit, nach einem Rücktritt von Alain Berset zu kandidieren.»
Und sie geht noch weiter: Sollte Jositsch wild gewählt werden, also ohne, dass er auf der Liste der der Bundesversammlung vorgeschlagenen Kandidatinnen seitens der SP steht, dann erwartet Meyer, dass er auf die Annahme der Wahl verzichtet. Er solle dann «das Ticket der SP respektieren», so Meyer. Die SP sei die Partei der Gleichstellung, es gehe darum, die geeignetste Person für das Amt zu finden – und das sei in der aktuellen Situation nun mal eine Frau.
Auch ihr Präsidiumskollege Cédric Wermuth sieht dies weiterhin gleich. Gegenüber dem «SonntagsBlick» sagt er: «Ohne Frauen-Ticket besteht das Risiko, nur noch zwei Frauen in der Landesregierung zu haben. Das würde die Bevölkerung nicht verstehen.»
Dennoch ist klar: Bei der vermeintlich unspektakulären Ersatzwahl für Simonetta Sommaruga gibt es nun wesentlich mehr Fragezeichen als zuerst gedacht. Denn auch Wermuth erklärte im Interview mit dem «SonntagsBlick», dass der Vorschlag eines reinen Frauentickets parteiintern nun nochmals diskutiert wird. (con)
In den Bundesrat sollte vordergründig eine qualifizierte Person. Qualifikation hat nichts mit Geschlecht zu tun.