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Taylor Swift kommt an die Uni Basel – als Seminarthema

Taylor Swift performs during "The Eras Tour" on Friday, May 5, 2023, at Nissan Stadium in Nashville, Tenn. (AP Photo/George Walker IV)
Ihre Musik machte sie zur Milliardärin: Taylor Swift bei einem Auftritt im Mai 2023 in Nashville.Bild: keystone

Jetzt kann man auch an der Uni Basel Taylor Swift studieren

Im Frühjahrssemester können sich Basler Anglistikstudierende mit den Texten des Popstars beschäftigen. Für die beiden Dozierenden gehört die amerikanische Sängerin selbstverständlich auf den Lehrplan.
26.01.2024, 16:0526.01.2024, 16:06
Florian Oegerli / ch media
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Ein besseres Jahr als sie hatte 2023 kaum jemand. Letztes Jahr wurde Taylor Swift von der Zeitschrift «Time» zur Person des Jahres ernannt. Damit zählt sie zu einer illustren Runde, der etwa Angela Merkel oder Wolodymyr Selenskyj angehören.

Als im Sommer der Vorverkauf für Swifts diesjährige Schweizer Konzerte losging, waren die Tickets innert kürzester Zeit ausverkauft. Swifts aktuelle «Eras Tour» gilt inzwischen als umsatzstärkste Konzerttour aller Zeiten.

Taylor Swift auf dem Time-Magazin-Cover
Kulturphänomen mit Katze: Taylor Swift auf dem Cover der «Time».Bild: zvg

Der gesellschaftliche Einfluss des Popstars ist mittlerweile so gross, dass ein Moderator des amerikanischen Senders Fox News neulich insinuierte, Swift werde vom Pentagon gesteuert, um Wählerinnen und Wähler für die Demokraten zu mobilisieren. Inzwischen beschäftigt die Musikerin auch die akademische Welt. Nicht nur an Universitäten in Texas oder Belgien, sondern selbst an Eliteunis wie Harvard gibt es Seminare über die Sängerin – und seit kurzem auch am Rheinknie.

Ein Seminar als Konzert-Warm-up

In einem Anglistikseminar an der Uni Basel können sich die Studierenden dieses Frühjahr ein Semester lang vertieft mit Swifts Songtexten auseinandersetzen. Der Kurs fängt mit dem ersten Album von 2006 an und endet mit dem Album «Midnights» von 2022.

Die Idee dazu kam dem Anglistikdozenten Andrew Shields, als er gemeinsam mit seiner Familie Tickets für das diesjährige Taylor-Swift-Konzert in Zürich ergattern konnte: «Ein literaturwissenschaftliches Seminar zu Swift schien mir die ideale Vorbereitung dafür», so Shields, der das Seminar gemeinsam mit der Literaturwissenschaftsstudentin und Schriftstellerin Rachael Moorthy leitet.

Andrew Shields, Anglistikdozent, 2019
Lobt Taylor Swifts Texte schon länger: der Anglistikdozent Andrew Shields, aufgenommen im Jahr 2019.Bild: Christian Hänggi

Das Interesse der Studierenden am Kurs ist gross. «Momentan haben sich 64 Personen angemeldet», erklärt Shields. «Wir mussten einen grösseren Raum beantragen, der bis zu 92 Personen Platz bietet.» Wenn sich noch mehr Personen meldeten, müsse man jedoch nochmals umziehen.

Die Gestaltwandlerin Taylor Swift

Nicht alle teilen diese Begeisterung. «Als ich den Kurs auf Facebook ankündete, gab es mehrere negative Kommentare», so der Dozent. «Swifts Erfolg liege doch bloss an einem guten Marketing, schrieben einige.»

Rachael Moorthy, Autorin
Die Autorin Rachael Moorthy ist derzeit Masterstudentin an der Uni Basel, 2023 erschien ihr Roman «River Meets the Sea».Bild: zvg

Wer die angebliche Seichtheit der Musikerin moniere, stosse in ein ähnliches Horn wie einst in den 1960ern diejenigen, die die Popularität der Beatles kritisierten. «Hätte ich ein Seminar über jene Band angekündigt, hätte es vermutlich nur positive Reaktionen gegeben», sagt der Dozent.

«Zudem», ergänzt Rachael Moorthy, «ist Swifts Marketingerfolg eng mit ihrer Fähigkeit verknüpft, sich mit jedem Album neu zu erfinden und in verschiedene Rollen zu schlüpfen – was sich auch in ihren Songs zeigt.»

Songs voller cleverer Anspielungen

Doch haben diese Songtexte auch einen literarischen Wert? Durchaus, findet Moorthy: «Wer behauptet, die Texte seien mittelmässig, hat sich noch nie detailliert damit beschäftigt», so die Autorin.

«What should be over burrowed under my skin
In heart-stopping waves of hurt
I've come too far to watch some namedropping sleaze
Tell me what are my words worth»

Swifts Song «The Lakes» etwa sei eine Auseinandersetzung mit den romantischen «Lake Poets», die im 19. Jahrhundert im Nordwesten Englands aktiv waren. Der Song sei voller cleverer Wortspiele, die zum Beispiel auf den Dichter William Wordsworth anspielen würden.

«Swifts Texte waren vom ersten Album an literarisch reichhaltig», ergänzt Andrew Shields, «im Gegensatz etwa zu den frühen Beatles.» Sie sei ausserdem eine begnadete Geschichtenerzählerin. Das liege auch an ihren Wurzeln in der Countrymusik.

Ausserdem hätten viele Songtexte auch Humor, ergänzt Moorthy: «Leider wurden viele der bissigeren, witzigeren Songs ursprünglich nicht veröffentlicht. Vermutlich glaubten die Plattenlabels, sie passten nicht zu einer jungen Popsängerin.» Erst mit den Neueinspielungen von Swifts alten Alben seien diese bislang unveröffentlichten Songs jetzt ans Licht gekommen.

Der Seichtheitsvorwurf hat eine lange Tradition

Wenn über Swift geschnödet werde, hänge dies mindestens teilweise auch mit ihrem Geschlecht zusammen, glaubt die Autorin. «Die Kritik, dass Swifts Musik zu zugänglich und daher seicht sei, ähnelt der Kritik, die es Ende des 18. Jahrhunderts an der ‹Lesesucht› von Frauen gab, die angeblich triviale Romane lasen.»

Dabei habe Swifts Werk auch eine feministische Seite. In ihrem Song «Mad Woman» etwa setze Swift die Kontroversen, die es früher um sie gab, in eine Reihe mit dem Topos der «hysterischen» oder verrückten Frau. Ein Bild, das aufgrund der hiesigen Hexenprozesse – Stichwort Anna Göldin – auch in den Schweizer Literaturkanon eingegangen sei.

«And there's nothin' like a mad woman
What a shame she went mad
No one likes a mad woman
You made her like that»

Trotz ihres Interesses an der Musikerin betonen beide Dozierenden, keine unkritischen «Swifties» zu sein. «Wenn Studierende glauben, in unserem Seminar ginge es 14 Wochen lang nur darum, wie toll Taylor Swift ist, dürften sie enttäuscht werden.» Noch unklar sei der Leistungsnachweis. «Wir sind für vieles offen – selbst für Coverversionen», schmunzelt der Dozent. (bzbasel.ch)

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51 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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outdoorch
26.01.2024 17:12registriert Dezember 2017
Habe mich gerade für den Patent Ochsner Studiengang an der Uni Bern angemeldet.

*👍 Büne Huber gefällt das*
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Somnambulator
26.01.2024 18:49registriert Mai 2020
Ich verstehe 2 Dinge nicht:
1. Warum ist das schon der zweite erstaunte Artikel darüber und warum wird immer noch fälschlicherweise behauptet man könne "Talor Swift studieren"? Es ist ein Seminar, das einen Zehntel eines Semesters in Regelstudienzeit ausmacht.
2. Woher die Aufregung? Es ist höchste Zeit, dass die Literaturwissenschaft sich auch popkulturellen Phänomenen annimmt. Wie auch bei den endlich aufkommenden Game-Studies ist es doch absurd, dass eine Kulturwissenschaft im weiten Sinn solch prägende Dinge (die zudem milliardenschwere Branchen sind) einfach links liegen liess und lässt.
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Macca_the_Alpacca
26.01.2024 18:19registriert Oktober 2021
Nur weil man in einem Seminar Taylor Swift Texte durchnimmt, studiert man nicht Taylor Swift. In den 90er Jahren wurde analog dazu Austin Powers thematisiert in Seminaren der Uni Bern oder Matrix im Rahmen der Philosophie. Sogar wir haben in den 80 Jahren in der Schule Texte von Saxon analysiert.
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