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Bundesrat spricht sich für fakultatives Referendum zum EU-Paket aus

Bundesrat Ignazio Cassis, Mitte, spricht neben Michael Schoell, Direktor des Bundesamtes fuer Justiz (BJ), links, und Alexandre Fasel, Staatssekretaer des Eidgenoessischen Departements fuer auswaertig ...
Lediglich das Volk, aber nicht die Stände sollen sich zum Vertragspaket mit der EU äussern können. Dieser Ansicht ist der Bundesrat.Bild: keystone

Kein Ständemehr bei der EU-Abstimmung: Bundesrat trifft umstrittenen Grundsatzentscheid

30.04.2025, 14:0030.04.2025, 14:55
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Lediglich das Volk, aber nicht die Stände sollen sich zum Vertragspaket mit der EU äussern können. Dieser Ansicht ist der Bundesrat. Der Entscheid, ob ein Volksmehr oder auch ein Ständemehr nötig sein soll, liegt aber beim Parlament. Der Bundesrat plant zudem mit vier Vorlagen.

Mit einem lediglich fakultativen Referendum ist die Hürde für eine Zustimmung an der Urne weniger hoch. Denn die Mehrheit der Stimmenden muss zwar Ja sagen, aber eine Ja-Mehrheit der Kantone ist nicht erforderlich.

Verweis auf bisherige Praxis

Beim Entscheid für das fakultative Referendum stützte sich der Bundesrat auf frühere vergleichbare Fälle, wie er in einer Mitteilung vom Mittwoch schrieb. Zudem zog er die Rechtslehre bei und führte Gespräche mit den Kantonen und den aussenpolitischen Kommissionen beider Räte.

Verfassungsrechtlich sei ein fakultatives Referendum die am besten abgestützte und politisch tragfähigste Lösung, schrieb er nun. Dieses Vorgehen entspreche der bisherigen Praxis bei den Bilateralen. Das Schengen/Dublin-Abkommen habe eine weitergehende dynamische Rechtsübernahme vorgesehen als das neue Vertragspaket.

Der Bundesrat erinnert zudem ans Nein zur Volksinitiative «Staatsverträge vors Volk». Eine klare Mehrheit der Stimmenden habe damit ausgedrückt, dass sie völkerrechtlichen Verträgen mit wichtigen rechtssetzenden Bestimmungen kein obligatorisches Referendum wolle.

Das fakultative Referendum zu den EU-Verträgen ist für den Bundesrat auch mit Blick auf inländische Regelungen - etwa für den Lohnschutz oder die Zuwanderung - die überzeugendere Lösung. Die Abkommen könnten so formell mit der Umsetzung im Inland verknüpft werden, schrieb er.

SVP-Fraktionschef Aeschi zeigt sich schockiert
«Schockierend»: So hat SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi am Mittwoch auf den Bundesratsplan reagiert, die neuen EU-Verträge nur dem Volksmehr und nicht auch dem Ständemehr zu unterstellen. Damit werde die Demokratie ausgehebelt.

Mit vier zu drei Stimmen wolle die Landesregierung den von der SVP sogenannten «Unterwerfungsvertrag», der über der Bundesverfassung stehe, nicht dem Ständemehr zum Entscheid anheimstellen, monierte der Zuger Nationalrat auf der Kurznachrichtenplattform X.

Zudem listete er auf, dass die Bundesräte Elisabeth Baume-Schneider (SP), Ignazio Cassis (FDP), Beat Jans (SP) und Martin Pfister (Mitte) für das alleinige Volksmehr gestimmt hätten. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (FDP) sowie die SVP-Bundesräte Guy Parmelin und Albert Rösti hätten sich dem widersetzt. Abstimmungen im Bundesrat sind eigentlich geheim.

Dazu stellte er einen Kommentar in der «Neuen Zürcher Zeitung». In diesem vertritt die Kommentatorin die Ansicht, das Ständemehr sei nicht nur staatspolitisch richtig und juristisch vertretbar, sondern für den Zusammenhalt des Landes nötig.

Entscheid beim Parlament

Und mit dem fakultativen Referendum erhielten die Kantone und das Parlament den grösstmöglichen Handlungsspielraum. Denn ob für das EU-Vertragspaket nur das Volksmehr oder aber das Volks- und das Ständemehr nötig sein soll, entscheidet letztendlich und abschliessend das Parlament.

Der Bundesrat plant zudem mit vier Bundesbeschlüssen, über die das Parlament einzeln beraten und die auch je referendumsfähig sein sollen. Der erste dieser Bundesbeschlüsse betrifft die Stabilisierung der bilateralen Beziehungen mit Brüssel.

Die drei anderen sollen die Weiterentwicklungen regeln. Stichworte dazu sind Lebensmittelsicherheit, Strom und Gesundheit. Dieses Vorgehen respektiere den verfassungsmässigen Grundsatz der Einheit der Materie, schrieb der Bundesrat dazu.

Zurzeit ist geplant, dass die EU-Verträge noch im Mai in Bern paraphiert werden. Vor der Sommerpause will der Bundesrat die Vernehmlassung zum Paket eröffnen. Zeitgleich sollen die übersetzten Vertragstexte als Unterlagen zu der Vernehmlassung veröffentlicht. (sda)

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286 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ChillDaHood
30.04.2025 14:44registriert Februar 2019
Ich will das Ständemehr ja nicht grundsätzlich in Frage stellen. Allerdings ist diese Abstimmung definitiv eine nationale Sache gegenüber dem Ausland. Also sehe ich es so, dass wir Bürgerinnen und Bürger als Schweizerinnen und Schweizer und nicht als Urnerinnen, Basler, Zürcherinnen, Genfer oder Bewohnende irgendeines der Kantone abstimmen. Das Ständemehr macht meines Erachtens Sinn, wenn es Kantone stark unterschiedlich betrifft, was hier nicht der Fall ist. Ein Ständemehr zu fordern ist für mich hauptsächlich Gegner unterstützen, da es so wahrscheinlicher ist, dass es ein Nein wird.
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Celtic Swiss
30.04.2025 14:42registriert Juni 2024
Der Bundespolizistenprügler soll still sein, Anstand zeigen und endlich seinen überfälligen Rücktritt aus der Politik bekanntgeben.


Eine Schande für die Schweiz er ist, der Herr Aeschi!
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nature
30.04.2025 14:15registriert November 2021
Das ist ein guter Entscheid. Bei einer solch wichtigen und entscheidenden Abstimmung sollte jede Stimme gleich viel zählen, was bei einem Ständemehr nicht der Fall ist.
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