Die Schwarznasenschafe! Das charmante Berndeutsch! Die sympathische Ausstrahlung! In den ersten Hearings für die Bundesratswahl am Mittwoch konnte SP-Ständerätin Élisabeth Baume-Schneider mit Soft-Faktoren punkten. Vor allem die Bauernfraktion im Parlament zeigte sich angetan von der Jurassierin, die als Aussenseiterin gestartet war.
Favoritin für die Nachfolge von Simonetta Sommaruga war ihre Amtskollegin Eva Herzog, nicht zuletzt dank ihrer Reputation als Finanzdirektorin von Basel-Stadt. Nun aber schien Baume-Schneider Rückenwind zu geniessen. Von einer Aufholjagd war die Rede. Die Erbsenzähler im Parlament rechneten mit einem knappen Rennen.
Übersehen wurde, dass Baume-Schneider ziemlich weit links steht. In einem NZZ-Interview äusserte die Möchtegern-Landesmutter sogar Verständnis für illegale Klimaklebereien. Nicht nur deswegen ist die etwas eigenartige Euphorie um die «Schäferin» aus dem Jura bereits am Verpuffen, wie die «SonntagsZeitung» berichtete. Die Zweifel an ihr nehmen zu.
Das liegt auch an der Ausmarchung um die Nachfolge von SVP-Bundesrat Ueli Maurer. Kaum jemand bezweifelt, dass Ex-Parteipräsident Albert Rösti das Rennen machen wird. Zu gross sind die Bedenken, ob sein Kontrahent Hans-Ueli Vogt, der schon als Nationalrat Mühe bekundete, dem anspruchsvollen Bundesratsamt gewachsen wäre.
Der SVP-Sitz ist am Mittwoch zuerst an der Reihe. Es scheint fraglich, dass nach dem Berner Rösti auch Élisabeth Baume-Schneider aus dem Jura gewählt wird. Ein grosser Teil der deutschsprachigen Schweiz wäre nur noch mit der St.Gallerin Karin Keller-Sutter im Bundesrat vertreten. Dies bereitet manchen Deutschschweizern Bauchweh.
Daneben sprechen drei weitere gewichtige Gründe für die Wahl von Eva Herzog:
Die Städte klagen gerne, sie würden von Bundesbern vernachlässigt. Das liegt nicht nur an Ressentiments aus ländlichen Regionen. Sie stehen sich oft genug selbst im Weg. Der Schweizerische Städteverband existiert seit 125 Jahren, in der Öffentlichkeit aber wird er kaum wahrgenommen. Auch im Bundesrat ist die urbane Schweiz meist untervertreten.
Derzeit kann man höchstens Simonetta Sommaruga als Städterin bezeichnen, und Bern ist nicht gerade ein Wirtschaftsmotor. Wenn Hans-Ueli Vogt und Eva Herzog scheitern würden, sässe niemand mehr aus einem urbanen Milieu in der Landesregierung. Der nationale Zusammenhalt aber basiert nicht nur auf der Berücksichtigung der Sprachregionen.
Eva Herzog würde als Baslerin diese «Lücke» füllen. Ihre Unterstützer verweisen darauf, etwa Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter: «Wir brauchen jetzt jemanden, der die urbane Schweiz vertritt, aus einer wirtschaftlich starken Region kommt und Verständnis für die globale Wirtschaft hat», sagte die Baselbieterin der «SonntagsZeitung».
Die Kantone, die mehr in den nationalen Finanzausgleich einzahlen, als sie daraus beziehen, sind klar in der Minderheit. Das zeigt sich auch im Bundesrat, wo einzig der Zürcher Ueli Maurer aus einem Nettozahler-Kanton stammt. Eva Herzog aus Basel-Stadt würde für Kontinuität sorgen. Andernfalls wären nur noch finanzschwächere Kantone vertreten.
Auf den ersten Blick mag dies keine grosse Rolle spielen. Doch selbst in der SVP scheint dieses Ungleichgewicht für Unruhe zu sorgen. Im Bundesrat sollten «auch die Interessen der Finanzgeberkantone abgebildet sein», heisst es gemäss «SonntagsZeitung». Die Richtung gab der frühere Parteipräsident Toni Brunner am Montag im «St. Galler Tagblatt» vor.
«Je westlicher wir in der Schweiz fahren, je staatsgläubiger werden Volk und Politiker. Was wir jetzt bräuchten, wäre jedoch das Gegenteil», schrieb Brunner in seiner Kolumne. Seine Kritik zielte auch auf Herzog, vor allem aber auf Baume-Schneider. Brunners Wort hat in der SVP immer noch Gewicht. Es dürfte abbilden, was Partei-Doyen Christoph Blocher denkt.
Es wurde schon mehrfach erwähnt: Mit Élisabeth Baume-Schneider hätten die französisch- und die italienischsprachige Schweiz die Mehrheit in der Landesregierung. Das ist nicht verboten und für eine gewisse Zeit kein Problem. Im Fall der Jurassierin aber irritiert, wie sie mit ihrem Berndeutsch «hausieren» geht und sich fast als Deutschschweizerin anpreist.
In ihrem Kanton ist die deutsche Sprache bis heute nicht sonderlich beliebt. Dies geht zurück auf den jurassischen Separatismus, der nicht nur durch eine Anti-Bern-, sondern eine eigentliche Anti-Deutschschweiz-Mentalität geprägt war. Besonders berüchtigt in dieser Hinsicht war Roland Béguelin, der wichtigste Anführer der Separatistenbewegung.
Er ist seit bald 30 Jahren tot und der Jura seit mehr als 40 Jahren ein eigener Kanton. Doch die Reflexe sind nicht überwunden, besonders im Umgang mit Bern. «Als jurassische Regierungsrätin hat Baume-Schneider mit uns während sieben Jahren nie Deutsch gesprochen, jamais», sagte SVP-Regierungsrat Christoph Neuhaus der «SonntagsZeitung».
Eva Herzog hat mit dem Französischen kein Problem. Auch ihre Kompetenz als Basler Finanzdirektorin rückt vermehrt ins Blickfeld. Das «Sündenregister», das der «SonntagsBlick» und das Onlinemagazin Bajour zusammengestellt haben, dürften diesen Eindruck nur leicht trüben. Denn ein gravierendes Fehlverhalten kann ihr nicht nachgewiesen werden.
Bundesratswahlen sind zu einem gewissen Grad unberechenbar. Auch personelle Intrigen, etwa mit Blick auf die Berset-Nachfolge, könnten Herzog dazwischenfunken. Allerdings spielen solche Planspiele erfahrungsgemäss keine zentrale Rolle (wer weiss schon, was morgen sein wird?). Im Hinblick auf den Mittwoch gilt weiterhin: Vorteil Eva Herzog.
Herzog ist schon oft gegen den Mainstream ihrer Partei angetreten und hat politisch realistische Positionen vertreten, ist also ökonomisch beschlagen. Sie war als Exekutivpolitikerin in Basel-Stadt durchsetzungsstark.
Basel-Stadt als Standort der wichtigsten Exportbranche und als Netto-Zahler beim Neuen Finanzausgleich (NFA) hätte schon längst einmal Anspruch auf einen Bundesratssitz!