Die Ausgangslage bei der SP schien klar: Die Basler Ständerätin Eva Herzog (60) ging als Favoritin ins Rennen um die Nachfolge von Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Ihre jurassische Amtskollegin Elisabeth Baume-Schneider galt als Aussenseiterin, wegen ihrer Herkunft (sie kandidiert als Welsche für einen Deutschschweizer Sitz) und der Vergangenheit als Marxistin.
Nach den ersten Hearings am Dienstag aber kam Bewegung ins SP-Ticket. Die 58-jährige Baume-Schneider punktete vor allem am Vormittag bei der Konferenz der bäuerlichen Parlamentarier, einer kleinen, aber einflussreichen Gruppe. Als Bauerntochter aus dem Berner Seeland, die in einem Bauernhaus mit Schwarznasenschafen lebt, kam sie gut an.
Ihre charmante Art, die im Gegensatz zu Herzogs unterkühlter Ausstrahlung steht, gefiel in der Bauernfraktion ebenfalls. Ein ähnliches Bild zeigte sich am Nachmittag bei der SVP. Baume-Schneider sei mit Rückstand gestartet, «doch jetzt holt sie mit Siebenmeilenstiefeln zu Eva Herzog auf», sagte ein «einflussreicher bürgerlicher Nationalrat» zu CH Media.
Die in den Medien zitierten Lobeshymnen stammen überwiegend von anonymen Stimmen, was zu Vorsicht anmahnt. Bei der Wahl in den Bundesrat sollte die Frage, mit wem man einen lustigen Abend verbringen möchte, nicht im Zentrum stehen. Das spricht eher für Herzog. Sie kann laut Tamedia auf zwei Drittel der SVP-Stimmen hoffen.
Bei den Softfaktoren aber hat Elisabeth Baume-Schneider einen Vorteil. Es ist möglich, dass sie in den ersten Hearings ihren Rückstand ein Stück weit verkleinern konnte. Allerdings könnte dieser Effekt schon am Mittwoch wieder verpufft sein. Dann erschien in der NZZ ein Interview mit Aussagen der Jurassierin, die es in sich haben:
Es ist die volle Ladung, die nationalistischen SVPlern, Wirtschaftsfreisinnigen und wertkonservativen Mitte-Vertretern in den falschen Hals geraten sein dürfte. Man kann einwenden, dass Elisabeth Baume-Schneiders unverblümte Antworten so erfrischend sind wie ihr ganzer Auftritt. Und natürlich betonte sie, sie werde sich ans Kollegialprinzip halten.
Das NZZ-Interview bestätigt dennoch, was im watson-Steckbrief als Schwäche genannt wurde: Ihr fehle «das rhetorische Gespür, ihre teils radikal linken Positionen den bürgerlichen Bevölkerungsschichten ausserhalb der Romandie zu vermitteln». Baume-Schneider scheint auch nach drei Jahren im Ständerat den Berner Politikbetrieb nicht verstanden zu haben.
Wer in den Bundesrat gewählt werden will, muss mit einer cleveren Taktik und Flexibilität auftreten. Das weiss ein Albert Rösti, der die Geschmeidigkeit in Person ist. Das weiss eine Eva Herzog, die SP-intern auf ihren Einsatz für Soziales und Gleichstellung verweist und bei den Bürgerlichen auf ihre wirtschaftsfreundliche Politik als Basler Finanzdirektorin.
Das weiss sogar ein «Nichtpolitiker» wie Hans-Ueli Vogt, der sich im Tamedia-Interview vorsichtig von «seiner» 2018 abgelehnten Selbstbestimmungsinitiative distanzierte, die ihn für Progressive unwählbar macht. Heute bezeichnet der Wirtschaftsjurist und SVP-Kandidat sie als «zu schematisch, zu hart. Sie war die falsche Antwort auf eine wichtige Frage».
Elisabeth Baume-Schneider scheint das nicht zu wissen. Mit dem Interview hat sie sich auf ihrer Aufholjagd selbst ein Bein gestellt. Noch ist für die Jurassierin nicht alles verloren. Aber in den Hearings am nächsten Dienstag bei FDP, GLP und Mitte muss sie auf harte Fragen gefasst sein. Ihre Frohnatur und die Schwarznasenschafe genügen nicht mehr.
Die SVP will doch explizit "ihr Gedankengut" im BR vertreten haben. Welche Partei will das nicht?
Und die Aussagen sind keineswegs radikal für eine SP-Politikerin. Warum soll sie sich damit ein Bein gestellt haben?
Meine Stimme hätte sie zu 100%.
Hingegen Politiker die z.B. versuchen, ihre Öl-Vergangenheit zu kaschieren wie Rösti würde ich NIE in den Bundesrat wählen. Er vertritt das pure Gegenteil von Baume-Schneider bezüglich Charaktereigenschaften.