Drinnen im Saal geht es um Milliarden und Millionen, um das Budget des Bundes fürs nächste Jahr. In der Wandelhalle davor dominiert hingegen ein anderes Thema: die Bundesratswahlen von Mittwoch, 7. Dezember. Und hier zeichnet ab, dass es insbesondere aufseiten der SP-Kandidatinnen noch einmal spannend werden könnte. «Elisabeth Baume-Schneider ist mit Rückstand gestartet, doch jetzt holt sie mit Siebenmeilenstiefeln zu Eva Herzog auf», sagt ein einflussreicher bürgerlicher Nationalrat.
In der Tat ist der Jurassierin ein Coup gelungen, noch bevor die Session überhaupt angefangen hatte. Schon am Montagvormittag hatte die einflussreiche Gruppe der Bauern die Bundesratskandidatinnen der SP sowie die SVP-Kandidaten Albert Rösti und Hans-Ueli Vogt zur Anhörung im Berner Hotel Kreuz geladen. Das Ergebnis, so sagen es Personen, die dabei waren, war klar: Die Bauerntochter aus dem Jura, Baume-Schneider, und der Berner Oberländer Bauernsohn, Albert Rösti, geniessen deutlich mehr Rückhalt bei den Landwirtschaftsvertretern als ihre Konkurrenz.
«Die beiden verstehen unsere Anliegen», sagt einer der Bauernpolitiker, «auch ihre Sachkompetenz ist bei unseren Themen deutlich grösser.» Das ist bedeutend. Denn der Bauern-Lobby gehören knapp drei Dutzend Parlamentsmitglieder an, die meisten aus der SVP, der Mitte und der FDP.
Das zeigte sich am Dienstagnachmittag im Hearing der SP-Kandidatinnen bei der SVP. In der Fraktion hatte ein Bild von Baume-Schneider die Aufmerksamkeit erregt. Es zeigt die Jurassierin auf der Wiese neben ihrem Haus mit Schwarznasenschafen. «Ihre Nähe zur Landwirtschaft könnte ein riesiger Vorteil sein in unserer Fraktion», sagte SVP-Präsident Marco Chiesa nach dem Hearing zu CH Media.
Baume-Schneider hatte in der SVP zwar keinen guten Auftritt, wie mehrere Fraktionsmitglieder sagen. Sie verströmte allerdings Wärme, Fröhlichkeit und Zugänglichkeit, vor allem, als sie in der Fraktion auf Schweizerdeutsch sprach.
Diskutiere man mit ihr, fühle man sich dabei sehr wohl, sagen mehrere Parlamentsmitglieder. Es sind diese Softfaktoren, die Baume-Schneider zurzeit im Bundeshaus punkten lassen. «Mit ihrer Menschlichkeit und ihrer Herkunft vom Land war sie schon vor dem Hearing meine Favoritin», sagt auch der St.Galler SVP-Nationalrat Roland Büchel. «Und das hat sich nicht geändert.» Bei SP und Grünen kann die Jurassierin mit der Hälfte der Stimmen rechnen. Und auch in der Mitte findet sie Anklang.
Eva Herzog hingegen hat genau bei diesen Softfaktoren ein Problem. «Die Temperatur im Sitzungszimmer sank deutlich, als sie den Raum betrat», sagt ein SVP-Fraktionsmitglied. Ähnliche Aussagen sind im Parlament generell zu hören. «Sie hat mich noch nie gegrüsst, seit sie 2020 in den Ständerat kam, wenn sie an mir vorbeilief», sagt ein einflussreiches Parlamentsmitglied. Auf Ratskolleginnen und -kollegen machte sie den Eindruck, als wäre sie lieber immer noch Exekutivpolitikerin.
Dennoch dürfte sie vor allem aber in der FDP viele Stimmen machen. Hier spricht vor allem das Argument Deutschschweizerin für sie. «Mit Guy Parmelin, Alain Berset und Ignazio Cassis ist die lateinische Schweiz bereits leicht übervertreten, was gewollt und auch gut ist. Aber man muss nicht übertreiben», sagt FDP-Fraktionssprecher Damien Cottier. Die Bundesverfassung besage, dass die Sprachen und Regionen angemessen vertreten sein müssten. Mit Viola Amherd aus dem mehrheitlich französischsprachigen Wallis seien aber gar vier Bundesräte aus lateinischen Kantonen im Bundesrat.
Allerdings hat Herzog Bürgerliche mit ihrer Aussage im «Blick» erschreckt, dass sie die Sozialausgaben in Basel verdoppelt habe.
Die FDP hörte am Dienstag aber nur die SVP-Bundesratskandidaten an. Während Rechtsprofessor Hans-Ueli Vogt nach dem Hearing sehr entspannt vor die Medien trat, wirkte SVP-Kronfavorit Albert Rösti angespannt. Seine Begleiterin, SVP-Gemeinderätin Gertrud Mösching-Signer, Gemeinderätin von Uetendorf, strich Rösti beim Verlassen des Saals aufmunternd über den Arm. Die FDP erklärte Rösti wie Vogt für wählbar und überlässt den Entscheid ihren Fraktionsmitgliedern.
Für die beiden SVP-Männer stand am Dienstagnachmittag auch noch ein Besuch bei den Grünliberalen an. Die inhaltlichen Differenzen der GLP zu Rösti und Vogt seien naturgemäss gross, sagte Fraktionschefin Tiana Moser im Anschluss. Diskutiert wurden deshalb vor allem die Fragen: «Trauen wir den Kandidaten zu, dass sie sich ans Kollegialitätsprinzip halten? Dass sie sich vom Diktat der Partei lösen können?» Die beiden hätte hierauf klare Antworten gegeben und seien «in diesem Sinne wählbar».
Harmonischer dürfte das Hearing der SP-Kandidatinnen bei den Grünen verlaufen sein. «Beide sind sehr gute Kandidatinnen und wählbar», sagte Fraktionspräsidentin Aline Trede danach. Offiziell wollen sich die Grünen nicht festlegen: Die Fraktionsmitglieder seien frei in ihrer Entscheidung, «so wie das die Verfassung vorschreibt», sagte Trede. (aargauerzeitung.ch)