Das Corona-Virus wirbelt die Freizeitpläne vieler Schweizer gehörig durcheinander. Die Basler Fasnacht und der Genfer Autosalon wurden abgesagt, Fussballspiele verschoben – auf Anordnung des Bundesrats. Betroffen sind jedoch nicht nur Grossanlässe.
Der Bundesrat hat zwar einzig Veranstaltungen mit über 1000 Personen verboten. Für kleinere Anlässe spielte er den Ball aber den Kantonen zu. Zusammen mit den Veranstaltern müssen sie eine Risikoabwägung durchführen. Dazu hat sie der Bundesrat am Freitag verpflichtet.
Die Kantone reagierten unterschiedlich darauf: Manche erliessen bereits restriktive Vorgaben, andere sehen es weniger eng. Anders gesagt: Der Kantönligeist griff innert Kürze um sich. Das weckt Kritik. Und da teilweise auch kleinere Anlässe verboten werden, sind in manchen Kantonen plötzlich ganz viele Veranstaltungen gefährdet. So wurde im Thurgau etwa die Mitgliederversammlung eines Quartiervereins untersagt.
Das bekommen auch viele Hobbysportler im Land zu spüren. Denn der Breitensport ist ebenfalls betroffen. Der Schweizerische Fussballverband etwa hat alle Spiele vom Wochenende verschoben – auch jene in den unteren Ligen. Und schweizweit stellen sich den Sportvereinen Fragen wie: Ist ein Kinder-Fussballturnier mit einigen hundert Teilnehmenden und Zuschauern noch erlaubt? Wie steht es mit dem Volleyballverein, der in einer Halle drei Spiele gleichzeitig austragen lässt?
«Es herrscht eine Verunsicherung, wie die unterschiedlichen Regelungen umgesetzt werden sollen», sagt Roger Schnegg, Direktor von Swiss Olympic, dem Dachverband des Schweizer Sports. «Für uns ist es aktuell schwierig, weil je nach Kanton – und teilweise sogar je nach Gemeinde – unterschiedliche Regelungen gelten», sagt er. «Das macht die Situation unübersichtlich und entsprechend anspruchsvoll.»
Es geht um eine grosse Anzahl an Anlässen. 15'000 bis 20'000 Meisterschaftsspiele finden laut Schnegg über alle Sportarten hinweg an einem durchschnittlichen Wochenende statt. Die grosse Anzahl an Sportanlässen bedeutet auch: Fragen alle betroffenen Vereine bei den Behörden nach, werden diese mit Anfragen überrannt.
Und es geht nicht nur um die Matches: «Auch bezüglich Trainings stellt sich die Frage, ob diese in jedem Fall noch möglich sind», sagt Schnegg. «Teilweise sind die Regelungen derart streng, dass es faktisch ein Veranstaltungsverbot gibt.» Beispiel Chur: Dort sind alle Veranstaltungen ab 50 Personen untersagt.
Schnegg betont: «Wir haben Verständnis für das föderale System.» Dieses sei im Normalfall gut. «Jetzt stösst es aber an seine Grenzen. Es wäre einfacher für den Sport, wenn es eine national einheitliche Regelung gäbe.»
Das sehen auch die Behörden so. Sie sind daran, Kriterien für Anlässe mit unter 1000 Personen zu erarbeiten. Derzeit können die Kantone zu einem Vorschlag des Bundes Stellung nehmen. Die Richtlinien sollen bis spätestens Mitte Woche vorliegen, heisst es bei der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK).
... sagt GDK-Generalsekretär Michael Jordi. Dass dies bisher nicht der Fall sei, liege an der fehlenden Zeit. «Wir wurden etwas überrascht von der Geschwindigkeit», erklärt er. «Der Bundesrat hat – zurecht – rasch entschieden; die Veranstalter wollten danach rasch wissen, was Sache ist.» Nun müsse man im Nachhinein die Richtlinien festlegen und für mehr Einheitlichkeit sorgen.
Ein Knackpunkt ist die Frage, wie eng die Vorgaben für die Kantone sein sollen. «Es ist eine Gratwanderung», sagt Jordi: «Einerseits sollen die Kantone einen gewissen Spielraum haben, da je nachdem unterschiedliche Regelungen durchaus sinnvoll sein können. Andererseits geht es um die Gleichbehandlung.» Erschwerend kommt hinzu, dass bei der Risikoabschätzung nicht nur die Zahl der Teilnehmenden ausschlaggebend ist. Eine Rolle könnte zum Beispiel auch spielen, ob viele ältere oder chronisch kranke Personen an einem Anlass teilnehmen.
Swiss-Olympic-Direktor Schnegg ist erfreut darüber, dass der Bund zusammen mit der GDK Richtlinien erarbeiten will. «Dann wissen die Verbände und Vereine, woran sie sind.»
(aargauerzeitung.ch)