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Coronavirus: Wie dem BAG und Daniel Koch die Übersicht entglitt

Daniel Koch, Leiter Abteilung uebertragbare Krankheiten im Bundesamt fuer Gesundheit BAG, Mitte, studiert seine Unterlagen bevor er ueber die neusten Entwicklungen in der Krise um die Pandemie des Cor ...
Das Meldesystem des BAG weist Mängel auf: Daniel Koch, Leiter Abteilung übertragbare Krankheiten.Bild: KEYSTONE

Formulare gewogen, Zahlen aus Wikipedia entnommen – wie dem BAG die Übersicht entglitt

20.03.2020, 08:3920.03.2020, 15:44
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Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) musste in den letzten Tagen heftige Kritik einstecken: Mangelhafte Kommunikationspolitik, ungenaue Zahlen, abwiegelnde Antworten.

Nun hat die «Republik» in einer Recherche aufgezeigt, wo es im BAG überall harzt. Der wichtigste Befund: Das BAG ist mit dem Zählen der Fälle heillos überfordert. Grund: Es herrscht ein totales Wirrwarr im Meldesystem, weil das BAG, die Ärzte und die Kantone sowohl digitale als auch analoge Informationskanäle benützten.

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So kommen Meldungen über Fälle aus den Kantonen oftmals per Fax an. Ist die Handschrift unleserlich, so müssen die Papierbögen mühsam entziffert werden. Teilweise werden Meldungen auch unverschlüsselt an die allgemeine E-Mail-Adresse des BAG geschickt, die eigentlich für Bürgeranfragen gedacht ist. Mitarbeiter müssen diese danach manuell und Stück für Stück aussortieren.

Offenbar ist beim BAG zwar seit der Schweinegrippe eine Digitalisierung der Meldeprozesse geplant. Diese sei aber immer wieder auf die lange Bank geschoben worden.

Die ungenaue Kenntnis über die Zahl der Fälle führt zu einem «Underreporting», wie die «Republik» schreibt. Die effektive Bekämpfung der Corona-Epidemie wird so erschwert.

Eine Übersicht über die vier wichtigsten Punkte:

Schätzungen per Waage

Weil das BAG beim Erfassen der Fälle seit dem letzten Wochenende hinterherhinkt, werden die Fallzahlen mittlerweile geschätzt. Dies geschieht, indem Stapel von Formularen, die das BAG aus den Kantonen erhält, auf eine Waage gelegt werden.

Infos von Wikipedia

Da das eigene Meldesystem nur ungenau funktioniert, erfuhren BAG-Mitarbeitende von Todesfällen oder Genesungen mitunter über die Medien oder von Wikipedia.

Kaum Zusatzinformationen

Informationen über den Krankheitsverlauf, etwa wann und wo sich die Personen angesteckt haben, oder ob sie wieder genesen sind, seien beim BAG in maximal 30 Prozent der positiv getesteten Fälle vorhanden.

Bald noch tiefere Zahlen?

Angesichts der Papierflut berät man im BAG offenbar über eine Ausdünnung der Meldekriterien. Dies würde zu einer noch tieferen Fallzahl führen. (wst)

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202 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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bbelser
20.03.2020 09:05registriert Oktober 2014
Für ein nächstes Mal lernen wir: das Herumsparen im Gesundheitsbereich rächt sich irgendwann überdeutlich.
Hoffentlich erinnern wir uns daran, wenn in ruhigen Zeiten Bildung, Soziales und Gesundheit dann wieder von bestimmten politischen Positionen abgeschossen werden.
Die gleiche Misere im Bereich Löhne im Gesundheitswesen, wenn alles dem Messias "Markt" überlassen wird. Der regelt leider dort gar nichts. Jetzt regeln besonnene Politiker*innen und, oh Wunder, Beamte.
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Drunken Master
20.03.2020 11:00registriert Juli 2018
Diese Kommentarspalte zeigt gerade wunderbar wie Medien beeinflussen.

Schätzungen per Waage -> schlichtweg eine Falschinformation! Wägen ist eine höchst präzise Methode. Für Papier gibt es Normen. Wenn das BAG Papier mit 80g pro m2 verwendet ist das wägen keine Schätzung sondern präzise Mathematik, definitiv genauer als wenn von Hand gezählt wird.

Der Ahnungslose Leser wittert wegen dieser Falschinformation einen ausgemachten Skandal und teilt das jedem mit, nur weil ihr 0 Ahnung habt worüber ihr schreibt. Am Ende seid ihr nicht besser als die sozialen Netzwerke die ihr so oft rügt.

Bravo!
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Bätzi
20.03.2020 10:53registriert Juli 2014
Hört auf Alles zu Kritisieren. Für Kritik haben wir noch genug Zeit. ES Brennt und das BAG, der Bundesrat und alle die in mit dem Gesundheitssystem zu tun haben Schwitzen sich den Arsch ab. Also schnauze halten, Abstand halten. Machen was die Behöhrden sagen.
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