Nicht weniger als 460'000 Schwarzfahrer haben die SBB letztes Jahr erwischt, berichtete die «SonntagsZeitung» vor knapp zwei Wochen. Rund ein Fünftel von ihnen hatte schlicht das Abonnement vergessen und musste lediglich eine Warnbusse von fünf Franken bezahlen. Alle anderen waren mit keinem oder einem ungültigen Billett unterwegs – wobei zwei Drittel aller Bussen gar nie erst beglichen wurden.
Was die neusten Zahlen nicht sagen, nicht sagen können: Wie viele Billettsünder gar nicht erst registriert werden. Oder um es aus ihrer Perspektive zu sagen: Personen ohne Ticket, die entweder das Glück hatten, in keine Kontrolle zu geraten, oder bei dieser genügend Dreistigkeit hatten, um sich irgendwie davonzuschleichen.
Diese Zahl ist natürlich (massiv) höher und es liegt in der Natur der Sache, dass man sie nicht beziffern kann. Wer gar nicht erst mit dem öV-Personal in Kontakt kam, kann statistisch auch nicht erfasst werden.
Das mit dem Glück ist freilich relativ:
Dabei muss unterschieden werden zwischen den Zügen im Fernverkehr, wo immer kontrollierendes Personal mitfährt und jenen im Regionalverkehr, die grundsätzlich unbegleitet sind und Stichkontrollen kennen – genauso wie bei regionalen oder städtischen Bus- und Tramverbindungen. Um diese, um die unbegleiteten Strecken, soll es in diesem Text gehen.
Die sich rasant entwickelnde Technik hat hier nämlich für einen Paradigmenwechsel gesorgt. Was für ein Segen, dass man sein Ticket mittlerweile auf dem Smartphone lösen kann! Das spart Zeit, Nerven und je nach Ticketvariante gar Geld.
Die Apps von SBB und Co. haben Schlaumeiern gleichzeitig aber auch eine ganz neue Möglichkeit in die Hände gegeben, um eine Busse herumzukommen: Indem sie nämlich kurz vor der Kontrolle noch schnell ein Ticket lösen. Wer ein bisschen geübt ist, kriegt das in wenigen Sekunden hin.
Sie – und auch die SBB – sagen jetzt: Das funktioniert nicht, da der Kontrolleur sieht, ob ein Ticket eben erst oder bereits vor dem Einsteigen gelöst wurde. In der Theorie, ja. In der Praxis zumindest nicht immer. Vor einigen Wochen war ich, ja ich gebe es zu, nämlich selbst so ein Schlaumeier:
Gut möglich, dass ich – und eine andere Person, die ich kenne – einfach Glück hatten. Längst habe ich wieder ein GA und würde mich ohnehin nicht getrauen, auf dieses «System» zu setzen.
Das dürften freilich nicht alle so sehen, auch wenn es nur ein kleiner Prozentsatz aller Fahrgäste ist. Das Problem ist nämlich nicht, dass man Tickets auf dem Smartphone kaufen kann, sondern dass man als Schwarzfahrer, sofern man sich darauf einstellt und fleissig aus dem Fenster schaut, in der Regel die Kontrolleure schon an der Haltestelle stehen sieht. Ihre Uniform verrät sie.
Wer will, löst dann noch schnell ein Handy-Ticket oder steigt gleich ganz aus dem Zug, Tram oder Bus aus, um der Kontrolle zu entkommen.
Das darf im Interesse der grossen Mehrheit, die sich korrekt verhält, nicht sein.
Für SBB und die meisten Regionalverbände ist das ein rotes Tuch, die Kontrolleure seien auch Kundenberater und würden nur dank der Uniform überhaupt Autorität ausstrahlen, heisst es.
Doch was nicht ist, kann ja noch werden. Alle Schwarzfahrer zieht man damit nicht aus dem Verkehr, einige mehr jedoch bestimmt. Und das hat wiederum einen präventiven Effekt. Bevor sich die Schlaumeiereien zu weit herumgesprochen haben.
(aargauerzeitung.ch)