Markus Spillmann, der geschasste NZZ-Chefredaktor, schweigt. «Ich schweige, aber ohne zu geniessen», twitterte Spillmann, der noch bis Ende Dezember bei der NZZ ist.
#nzz Liebe Followers: @SpillmannNZZ schweigt - ohne zu geniessen. Bin stolz, dass Red. unbeirrt beste Qualität liefert. Respekt! Weiter so!
— Markus Spillmann (@SpillmannNZZ) 14. Dezember 2014
Am vergangenen Dienstag, dem Tag seines erzwungenen Rücktritts, hat er nicht geschwiegen. Zusammen mit NZZ-Verwaltungsratspräsident Etienne Jornod und CEO Veit Dengler, informierte er über seinen Abgang.
watson hat eine Aufnahme der kompletten Veranstaltung gesichtet (einen Zusammenschnitt können Sie beim «Tages-Anzeiger» sehen). Sie zeigt einen selbstbewussten Jornod, einen unsicheren Dengler und einen gebrochenen Spillmann.
Nachdem Spillmann ans Rednerpult getreten ist, lächelt er der Belegschaft gequält zu. Dann eröffnet er eine Rede. «Es ist ein bisschen wie Weihnachten, liebe Kolleginnen und Kollegen», sagt Spillmann. «Unter dem Baum liegt ein grosses Päckli, man ist gespannt was drin ist, man macht es auf, und dann ist man ein bisschen enttäuscht über den Inhalt. So geht es mir in diesen Tagen. Ich weiss nicht ob ich mich freuen oder enttäuscht sein soll», sagt er.
Natürlich sei man enttäuscht, wenn man nicht zu Ende führen könne, was man sich vorgenommen habe, sagt Spillmann weiter, bevor er sich selber unterbrechen, erneut um Fassung ringen und seine Schultern straffen muss: «Aber ich werde daran arbeiten, Freude zu bekommen an diesem Geschenk.»
Spillmann zeigt Grösse in seiner Rede an seine Mitarbeiter. Nicht zuletzt, als er sogar noch den Verwaltungsrat in Schutz nimmt: «Entlassungen sind nicht nur für die Betroffenen schwierig.»
Eines dürften die geschockten Mitarbeiter – die Spillmann einen endlosen, dem NZZ-Präsident Etienne Jornod aber gar keinen Applaus spenden – deutlich gefühlt haben: Dieser Mann liebt die NZZ. «Ich halte nichts von Menschen, die an ihren Sesseln kleben. Ich will einer sinnvollen und möglicherweise nötigen Veränderungen nicht im Weg stehen», sagt Spillmann und dann bricht seine Stimme: «Weil ich die NZZ sehr schätze und weil ich meine persönlichen Interessen immer denjenigen der Firma hinten an gestellt habe.»
Er werde die NZZ auf Ende Jahr verlassen und dann sondieren, was es sonst noch so gibt. «Auf diese Zeit freue ich mich. Weil sie mir das geben wir, was ich in all den Jahren viel zu wenig hatte: Ein wenig Musse....» – und dann bricht Spillmanns Stimme.
Er drückt die Schultern nach hinten, sagt: «Haltung bewahren!», schaut zu seiner beratenden Projektleiterin und erklärt seiner Mannschaft, dass die Frau ihm Tipps gegeben habe, «wie man vor einer Kamera nicht die Fassung verliert».
Dann fährt Spillmann ablesend fort: «Ich werde etwas Musse haben, weniger fremdbestimmt sein, weniger Sitzungen haben». Er werde reisen, er werde lesen, er werde endlich Alphorn spielen lernen und mit seinen Kindern balgen.
«Es war eine Freude mit euch zusammen zu arbeiten», schliesst Spillmann mit brechender Stimme, «tragt Sorge zur NZZ und – da schaue ich vor allem Etienne (Jornod, Anm. d. Red.) an – tragt dieser speziellen Publizistik Sorge.»
Eines macht die emotionale Rede Spillmanns besonders deutlich: Dieser Mann wollte nicht gehen. Wieso genau Spillmann den Hut nehmen musste, diese Antwort bleiben Etienne Jornod und CEO Veith Dengler den aufgebrachten Redaktoren und Mitarbeiter auch in der anschliessenden Fragestunde schuldig. Jornod schiebt es auf die «organisatorische Struktur des Chefredaktionspostens», über die sich die Meinung geschieden hätte.
Die weiteren Fragen der kritischen Redaktoren pariert Jornod ähnlich kurz und nonchalant. Medienredaktor Rainer Stadler, erkundigt sich, ob die Redaktion gemäss dem Redaktionsstatut ein Mitspracherecht bei der Auswahl des Chefredaktors habe. Jornod nennt ihn konsequent «Herr Stadler» und sagt, man werde selbstverständlich alle Reglemente einhalten.
Dass Leute aus dem Umfeld Blochers kaufen oder gekauft haben, dementiert Jornod knappest möglich mit «Nein». Weniger klar dementiert er, dass BaZ-Chefredaktor und Blocher-Intimus Markus Somm auf der Shortlist für den Chefredaktorenposten steht. «Zum jetzigen Zeitpunkt nennen wir keine Namen, aber sie werden die ersten sein, die es erfahren», sagt Jornod.
Den Ängsten der Redaktion vor einem publizistischen Kurswechsel auf Beschluss des Verwaltungsrates begegnet Jornod ähnlich schwammig: «Unsere liberalen Werte sind und bleiben die wichtigste publizistische Leitlinie», sagt Jornod.
An einer Stelle sieht man besonders gut, wie sehr sich Jornod und Spillmann überworfen haben müssen. Eine Redaktorin bedankt sich vor versammelter Mannschaft mit «Danke, Markus!» worauf tosender Applaus losbricht.
Jornod schaut mürrisch in die andere Ecke des Saals und applaudiert so kurz und schlaff wie möglich.