Die Schülerin stürmt ins Klassenzimmer, packt den Lehrer, wirft ihn zu Boden, und schlägt immer weiter auf ihn ein – bis ihre Klassenkameraden einschreiten.
Das ist kurz vor Ostern in einer Sekundarschule in Freiburg passiert. Der 50-jährige Lehrer erleidet leichte Verletzungen an der Stirn. Psychisch macht ihm der Angriff stark zu schaffen. Er ist bis heute krankgeschrieben, wie die Regionalzeitung «La Liberté» berichtet.
Die Schülerin war bereits vor dem Vorfall der Schule verwiesen worden, weil sie mehrfach den Unterricht geschwänzt hatte. An besagtem Tag wollte sie sich dennoch ins Klassenzimmer setzen – was der Lehrer nicht erlaubte.
Ähnliche Vorfälle sorgten in den letzten drei Jahren immer wieder für Schlagzeilen: Ein 17-Jähriger prügelte an einer Luzerner Berufsschule seine Lehrerin spitalreif. Ein Schüler in Schaffhausen drohte seinem Lehrer mit dem Tod. Und in Dietikon ging gar eine Mutter auf eine Lehrerin los.
Beat Zemp, Präsident des Dachverbands Schweizer Lehrerinnen und Lehrer, ist alarmiert: «Die Schüler spucken ihre Lehrer an, schubsten sie oder teilen sogar Schläge aus. Uns erreichen immer mehr entsprechende Meldungen von unseren Sektionen in der ganzen Schweiz.» Er will nun eine Studie zur Gewalt-Problematik in Auftrag geben. Denn konkrete Zahlen zur Gewalt von Schülern an Lehrern gibt es bisher nicht.
Einen Hinweis dazu, wie es hierzulande um die Gewalt gegen Lehrpersonen stehen könnte, gibt ein Blick nach Deutschland. Innerhalb einer repräsentativen Studie aus dem Jahr 2018 sprach jede vierte Schule (26 Prozent) von Vorfällen, in denen Schüler auf ihren Lehrer losgegangen sind. Fast in der Hälfte der Schulen (48 Prozent) gab es Fälle von psychischer Gewalt – also Fälle, bei denen Lehrkräfte direkt beschimpft, bedroht, beleidigt, gemobbt oder belästigt wurden.
Beat Zemp glaubt, dass es in der Schweiz eine hohe Dunkelziffer in diesem Belangen gibt: «Gewalt an Lehrpersonen bleibt ein Tabuthema, da Lehrpersonen aus falscher Scham und Unsicherheit es wohl oft nicht melden.»
Die Attacken auf die Lehrer fänden bereits im jungen Alter an: «Schon Kindergärtner werden ausfällig». Am häufigsten seien es aber Pubertierende, so Zemp. Sie wählten ihre Opfer gezielt aus: In vielen Fällen seien es junge Lehrpersonen mit wenig Erfahrung, so der höchste Lehrer der Schweiz.
Der Hauptgrund für den schwindenden Respekt gegenüber Lehrpersonen sei gesellschaftlicher Art, meint Zemp: «Gewalt wird in der heutigen Gesellschaft immer mehr toleriert und die Sprache immer gewalttätiger. Im Sport sagt man, es wurde zu wenig aggressiv gespielt, wenn man ein Match verliert. In der Wirtschaft heisst es, es wurde zu wenig aggressiv investiert.»
Wenn Zuhause die Erziehung auf der Strecke bleibt, kanns die Lehrperson ausbaden.