Er bekam noch mehr Stimmen als vor einem Jahr. Und er ging wieder nicht ans Rednerpult im Nationalratssaal. Er nahm sich nicht aus dem Rennen.
70 Stimmen erhielt Ständerat Daniel Jositsch im zweiten Wahlgang, als es um die Nachfolge von Alain Berset ging. 70 Stimmen sind viel. Jositsch lag deutlich vor Jon Pult, der von der SP nominiert worden war. Zugleich war klar: Für eine Wahl in den Bundesrat wird es nicht reichen. Einige Unterstützer Pults wechselten im dritten Wahlgang zum Favoriten Beat Jans, nicht zu Jositsch.
Bürgerliche Parlamentarier hatten ihre Ankündigung wahr gemacht, wonach sie das Zweierticket der SP verschmähen. Sie ignorierten das Versprechen ihrer Parteien. Es lautete: Wenn die Sozialdemokraten nicht zahlreich den Grünen Bewerber Gerhard Andrey wählen statt Ignazio Cassis, dann halten wir uns an die Vorauswahl der SP. Andrey erhielt nicht übermässig viele Stimmen - trotzdem war die Unterstützung für Jositsch solide.
Einige Exponenten der SVP hatten in den vergangenen Wochen weitere Namen ins Spiel gebracht: Eva Herzog. Roger Nordmann. Das Echo war gering. Also kehrten sie zu Jositsch zurück. Eine Rolle spielte dabei die Absicht, der SP zu schaden. Mittlerweile schien klar, dass Jositsch seine Ambitionen nicht aufgeben würde. Das ist ein Problem für die SP, denn der Strafrechtsprofessor ist kein Hinterbänkler. Er ist der bestgewählte Parlamentarier des Landes. Und nach Umfragen würden ihn viele Schweizerinnen und Schweizer gerne in der Regierung sehen.
Was tut die Partei jetzt? Wie geht es weiter mit Daniel Jositsch? In der Wandelhalle des Bundeshauses haben sich einige SP-Politiker offenbar untereinander abgesprochen. Sie weichen alle aus. «Das ist der Tag von Beat Jans», antworten sie.
Co-Präsident Cédric Wermuth hält sich nicht an diese Sprachregelung. Er gibt sich launig: «Es liegt an Daniel Jositsch zu entscheiden, wie es weitergeht. Wir sind Sozialdemokraten. Sozialdemokraten haben alle Menschen gerne.»
Weniger versöhnlich wirkt der Genfer SP-Ständerat Carlo Sommaruga. Auf Jositsch angesprochen, sagt er: Bei den wirtschaftlichen und sozialen Themen sei die «politische Kohärenz» gegeben. Aber: «Das zwischenmenschliche Vertrauen, das bereits angeschlagen war, ist nun stark erschüttert.»
Dem stimmen andere sozialdemokratische Parlamentarier zu. Bei ihnen hat sich der Eindruck verfestigt, dass Jositsch trotz anderen Bekenntnissen eine wilde Wahl angenommen hätte. Sie erwähnen einen Artikel des «Blicks», wonach er in den vergangenen Tagen Toni Brunner angerufen habe.
Den vormaligen Präsidenten der SVP zu kontaktieren, ergibt nur Sinn, wenn man für die eigene Bundesratskandidatur werben will. Toni Brunner pflegt nach wie vor enge Kontakte zur Spitze der Volkspartei - und auch zu Christoph Blocher. Der Übervater der SVP ermunterte die Fraktion, am Zweierticket der SP vorbeizuwählen. Blocher dachte dabei allerdings nicht an Jositsch, den er stets den «Professor» nennt. Blocher meint das abwertend. Sollte Toni Brunner die Kontaktnahme des SP-Ständerats dem «Blick» zugetragen haben, geschah dies wohl in der Absicht, Jositsch zu schaden.
Wie geht es jetzt weiter? Die Optionen Daniel Jositschs haben eines gemein: Sie sind schlecht. Bleibt er Mitglied der SP, muss er mit einer Fraktion zusammenarbeiten, die ihn bei der Nomination der Bundesratskandidaten übergangen hat - und die ihm vorhält, dass er seinen Ehrgeiz über das Wohl der Partei stellt.
Tritt Jositsch aus der SP aus, verliert er das Recht, in wichtigen Kommissionen des Ständerats Einsitz zu nehmen. Das würde seine Stellung als Parlamentarier schwächen.
Bleibt ein Wechsel der Partei. Jositsch zählt zum kleinen sozialliberalen Flügel der SP. Da käme ein Übertritt zu den Grünliberalen in Betracht. Exponenten der GLP reagierten am Mittwochnachmittag jedoch abwehrend. Sie wollen nicht namentlich erwähnt werden, sagen aber: Die Zürcher Wählerinnen und Wähler würden es nicht verstehen, wenn bald zwei Grünliberale den Kanton im Ständerat verträten. GLP-Politikerin Tiana Moser schaffte vor einem Monat den Sprung in die kleine Kammer.
«Und ich weiss nicht, ob wir jemanden bei uns aufnehmen sollten, der seine Ambitionen über alles stellt», sagt ein grünliberaler Parlamentarier. Jositsch wird vorgehalten, dass ihn seine Aspiration allzu ungestüm habe agieren lassen. Und dass er übersehen habe, welchen Argwohn er damit unter Parteikollegen auslöst. (aargauerzeitung.ch)
Immer diese Mär aus Zürich. Natürlich holt man im bevölkerungsreichsten Kanton des Landes potentiell mehr Stimmen als an einer Landsgemeinde in Appenzell.
In Zürich gibt es von allen Parteien irgendwie auch nur wenig vernünftige Kandidaten, die über die Parteigrenzen mobilisieren könnten. Badran wäre da vielleicht eine Kandidatin, aber die wäre wohl zu anständig um den Sitz eines Parteikollegen aus eigener Machtgier anzugreifen, da tickt sie anders als Jositsch.