Sie ist meist klein und blau und bewahrt vor einer Ansteckung mit HIV. Wer sich schützen will, schluckt die Prä-Expositions-Prophylaxe, kurz PrEP. Denn das Medikament hindert den Virus daran, sich zu vermehren. Es ist ein wichtiger Baustein im Kampf gegen die HIV-Pandemie.
Auch in der Schweiz schlucken viele Menschen PrEP. Es sind vor allem Männer, die Sex mit anderen Männern haben. 95 Prozent, um genau zu sein. Das zeigt das Programm SwissPrEPared, dessen Ziel es ist, Menschen mit einem erhöhten HIV-Risiko möglichst gut zu betreuen und eine Infektion zu verhindern.
Erste Daten der SwissPrEPared-Studie von April 2019 bis Januar 2020 zeigen, dass vor allem ältere und gebildete Menschen am Programm teilnehmen. Jüngere und weniger gebildete Personen sind untervertreten.
Von diesen ersten Ergebnissen wenig überrascht ist der SwissPrEPared-Studienleiter und leitender Arzt beim Checkpoint Zürich, Benjamin Hampel. «Ich verschreibe seit sechs Jahren PrEP und sehe schon länger, dass es bei den unter 25-Jährigen eine grosse Lücke gibt.»
Der Hauptgrund seien die Kosten. Wer PrEP einnimmt, muss sich regelmässigen ärztlichen Kontrollen unterziehen und beispielsweise seine Nierenwerte in einem Labor auswerten lassen. «Arztrechnungen, Laborkosten und das Medikament selbst können pro Jahr zwischen 1500 und 2000 Franken kosten», rechnet Hampel vor. Ein Betrag, den sich zwar viele leisten könnten. Viele aber auch nicht.
Abgesehen von Menschen, die nur kurzzeitig in der Schweiz weilen oder keinen gültigen Aufenthaltsstatus hätten, seien zwar alle krankenversichert, sagt Hampel. «Viele der jungen Menschen haben aber aus finanziellen Gründen eine hohe Franchise gewählt und müssen die PrEP-Kosten selbst übernehmen.»
Erreicht man die Jungen nicht, verfehlt man womöglich das Ziel der Weltgesundheitsorganisation: Die HIV-Pandemie bis 2030 zu eliminieren. «Studien zeigen, dass vor allem Menschen unter 25 am meisten Geschlechtsverkehr mit wechselnden Sexpartnern haben», erklärt Hampel. Diese Altersgruppe müsse man unbedingt besser erreichen. «Wer in jungen Jahren bereits Safer Sex praktiziert, der macht es auch, wenn er älter wird.» Und nur so könne man der HIV-Pandemie Herr werden.
Sensibilisierung sei ein wichtiges Thema. Aber noch wichtiger sei die Finanzierung von PrEP. SwissPrEPared-Studienleiter Hampel fordert deshalb, dass die Pille national kostenlos bezogen werden kann, wie dies in anderen europäischen Ländern bereits der Fall ist.
«Wir sind bereits seit drei Jahren daran, diese Forderung politisch umzusetzen. Doch die Corona-Pandemie hat alles ins Stocken gebracht», sagt Hampel. Seit Anfang 2020 sei die Bekämpfung aller anderen Pandemien auf der Strecke geblieben.
Einen Lichtblick gibt es aber: Im Kanton Zürich gibt es dank Fördergeldern die Möglichkeit, jungen Menschen unter 25 Jahren die Kosten der PrEP-Konsultation und die Laborkosten zu übernehmen. Das Medikament, das etwa 65 Franken kostet, müssen sie aber selbst bezahlen.
Für Hampel ist das ein Anfang. Doch seiner Meinung nach müsste das Angebot noch niederschwelliger sein. Mit der Einnahme von PrEP seien immer noch viele Stigmata verbunden. «Müsste man noch belegen, dass man sich die Behandlung nicht leisten kann, käme ein weiteres Hindernis dazu.»
Die SwissPrEPared-Studie dauert noch bis im April 2022. Danach hofft man auf valable Daten, die zeigen, wie gross der Einfluss von PrEP im Kampf gegen die HIV-Pandemie ist. Noch seien klare Aussagen kaum machbar. Man sehe zwar einen deutlichen Rückgang von HIV-Diagnosen im Jahr 2020. «Wir können aber nicht vollständig sagen, wie viel dies nur auf PrEP zurückzuführen ist oder ob auch beispielsweise die reduzierte Anzahl Kontakte und Reisetätigkeiten aufgrund der Corona-Pandemie einen Einfluss hatten.»