Chefunterhändlerin Livia Leu kommt in Brüssel keinen Schritt voran. In Bundesbern gelten die Verhandlungen über das Rahmenabkommen mit der EU als gescheitert. Die Frage ist nur noch, ob der Schlussstrich im April oder im Mai gezogen wird. Aussenminister Ignazio Cassis empfängt nun Gäste, mit denen er zum Beispiel diskutiert, wie der Bundesrat den Vertrag versenken kann, ohne schlecht dazustehen.
Ein weiteres Thema der Gespräche: Wie soll es weitergehen im Verhältnis zur Europäischen Union? Und: Wie soll das Parlament eingebunden werden bei der Beerdigung des Rahmenabkommens? Unterzeichnet die Landesregierung den Vertrag nicht, ist er grundsätzlich gescheitert. Das Parlament muss dabei nicht einbezogen werden.
National- und Ständeräte erörtern jetzt die Frage, ob das gut ist. Soll sich das Parlament nicht äussern in einer dermassen wichtigen Angelegenheit? Die Meinungen gehen weit auseinander.
FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen findet: «Der Bundesrat tut gut daran, das Rahmenabkommen selber zu beerdigen, statt es langwierig im Parlament zerreden zu lassen. So kann am besten ein Neustart im Verhältnis zur EU angegangen werden.» Es wäre nach Ansicht Wasserfallens also gut, wenn man sich nicht mehr lange mit der Sache beschäftigen würde und im Verhältnis zu Brüssel ein neues Kapitel aufschlüge.
Ständerat Ruedi Noser (FDP) erinnert daran, dass das Parlament jederzeit eine dringliche Debatte zum Thema ansetzen könne – auch wenn der Bundesrat den Vertrag nicht unterzeichnen wolle. Auch Noser richtet den Blick nach vorne: «Falls der Vertrag scheitert, erwarte ich vom Bundesrat, dass er ein Effizienz- und Wettbewerbssteigerungsprogramm ausarbeitet. Die Schweiz würde andernfalls wirtschaftlich zurückfallen.»
Ganz anderer Meinung ist Tiana Moser, die Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission. Sie gehört den Grünliberalen an, die für den Vertrag sind – auch ohne Nachbesserungen. «Das Parlament muss sich in jedem Fall mit dem Rahmenabkommen auseinandersetzen können», fordert Moser.
Der Bundesrat habe den Vertrag 2019 grundsätzlich positiv gewürdigt. Die Regierung solle darlegen, wo es noch Differenzen mit der EU gebe und wie er sie beheben wolle. «Falls er den Vertrag nicht unterschreibt, müsste der Bundesrat aufzeigen, welchen andern Weg als den bilateralen er für die Beziehungen mit der EU einschlagen will. Es blieben realistischerweise nur der EWR, der EU-Beitritt oder die Brexit-Variante. Der massgeschneiderte bilaterale Weg käme bedauerlicherweise an ein Ende», sagt Moser.
Nationalrat Lorenz Hess (Mitte) geht weniger weit als Moser, fände es aber gut, wenn das Parlament den Vertrag als Ganzes diskutieren würde und nicht nur die kritischen Punkte, die ihn nun wahrscheinlich zum Absturz bringen.
Das Departement für Auswärtige Angelegenheiten gibt keine Auskunft darüber, wie das Parlament einbezogen werden soll. Es teilt mit, dass sich der Bundesrat auf alle Szenarien vorbereite. Bei einer Verhandlung sei ein Scheitern immer möglich. «Ziel des Bundesrates ist aber, den bilateralen Weg zu konsolidieren und auszubauen.»