Die Kantonspolizei Zürich scheint weitreichende Massnahmen gegen Dschihad-Touristen zu ergreifen: Die Ordnungshüter kontrollieren zurzeit offenbar Personen, die in die Türkei reisen. So geschehen bei K. C.*, der zwei Wochen Ferien in Istanbul machen wollte. Er sei vor dem Abflug am Flughafen Zürich bei der Passkontrolle nach seinem Rückreiseticket gefragt worden. «Ich musste das Ticket vorweisen, dann liessen sie mich gehen», erzählt der 24-Jährige. «Das ist neu. Als ich letztes Jahr noch Ferien in der Türkei machte, wurde ich nicht befragt», so C. weiter. Als Grund habe die Polizei «Prävention gegen Dschihad-Rekrutierung» angegeben.
C. war offenbar nicht der einzige, der sich den Fragen der Kantonspolizei stellen musste. Ein junger türkischer Passagier, der in Istanbul lebt, berichtet, er habe seine Wohnadresse angeben müssen. Ausserdem sei er gefragt worden, was er in Istanbul mache. «Leben und arbeiten», so seine Antwort.
Die Kantonspolizei Zürich will die Kontrollen weder bestätigen noch dementieren. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) sei zuständig für Sicherheitsfragen an Flughäfen, die Polizei führe lediglich aus, was das BAZL vorschreibe, sagt Mediensprecherin Esther Surber. Beim BAZL kennt man die Bestimmungen bezüglich Personenkontrollen aber nicht, das liege in der Kompetenz des Nachrichtendienstes (NDB), heisst es.
Doch auch dort: Kein Kommentar. «Wir können keine Details zu Strategien und Massnahmen der Polizeibehörden bekanntgeben», sagt NDB-Sprecherin Isabelle Graber. «Aus Sicherheitsgründen.» Zuständig für die Koordination von Massnahmen sei ausserdem die Kerngruppe Sicherheit des Bundes (KGSi), die im Juni 2014 die Task Force TETRA ins Leben rief, mit dem erklärten Ziel, die «Ausreise dschihadistisch motivierter Reisender» zu verhindern.
Bei TETRA laufen die Fäden zusammen: NDB, Bundesanwaltschaft, das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten, das Grenzwachtkorps, das Bundesamt für Migration, die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten, das Bundesamt für Justiz – und seit vergangenem Oktober auch die Flughafenpolizei Zürich. Vertreter dieser Behörden arbeiten seit Juni 2014 an einem Massnahmenkatalog zur «Verhinderung des Exports von Terrorismus aus dem Gebiet der Schweiz».
In einem TETRA-Bericht vom Februar heisst es aber: Mithilfe von Passagierdaten könnten Routen von Dschihad-Reisenden definiert und allfällige «Weggefährten» identifiziert werden. Doch derzeit würden die «Schweizer Behörden nur im Rahmen einer Strafuntersuchung und über die Rechtshilfe Zugriff auf Flugpassagierdaten erhalten». Was also nützt die Kontrolle der Türkei-Reisenden?
Die einzelnen Stellen schieben sich die Kommunikationsverantwortung gegenseitig zu, Auskünfte zu Massnahmen wie jener der Flughafenpolizei werden von niemandem gegeben.
So bleiben viele Fragen offen, etwa, ob die Kontrollen der Kantonspolizei im Rahmen eines Dschihadisten-Monitorings angeordnet wurden oder nicht, welche Destinationen betroffen sind, wie viele Daten erhoben werden und vor allem: Was mit diesen Informationen passiert. Allein in die Türkei gehen jede Woche 37 Flüge, hunderte Personen also, die erfasst würden. Laut C. habe es aber auch Passagiere gegeben, die nicht befragt worden seien. «Ich frage mich deshalb: Warum werde ich kontrolliert? Werde ich jetzt beobachtet? Muss ich bei der Einreise in die Schweiz etwa meine Ferienfotos zeigen?», so C.
Dass der NDB diese Fragen nicht beantwortet, überrascht den Ex-Geheimdienstchef Peter Regli nicht. «Dschihad-Reisende könnten genau solche Informationen ausnützen und der Sicherheit in unserem Land schaden», sagt er. Er glaubt, dass Massnahmen wie diese Kontrollen am Flughafen in Zukunft wohl vermehrt ergriffen werden. «Es ist richtig, dass die Polizei Reisende in Länder wie die Türkei bereits in der Schweiz kontrolliert, vermerkt und sich die Frage stellt, ob diese Personen unter Beobachtung gestellt werden müssen», so Regli. «Verfügt eine kontrollierte Person nicht über ein Rückreiseticket, will sie mehrere Monate bleiben, oder tritt sie ihren Rückflug nicht an, schrillen die Alarmglocken», sagt Regli weiter.
Angst vor Kontrollen und unangenehmen Fragen müsse der unbescholtene Bürger ja nicht haben, sagt der Ex-Geheimdienstchef. Wer nichts zu verbergen habe, habe auch nichts zu befürchten. C. ist anderer Meinung: «Weil ich jung bin und Ferien in der Türkei mache, stehe ich nun unter Generalverdacht und lande wohl in irgendeiner Datenbank. Ein ungutes Gefühl.»