Sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt, wir wahren seine Anonymität und nennen ihn Hansjoggeli im Glück. Der Name spielt ja auch keine Rolle. Es geht um die Geschichte, die sich hinter diesem Rekord-Lottotreffer verbirgt, und die fasziniert. Wir träumen fast alle von einem Glückstreffer im Lotto. Aber wie ist es, wenn dann dieses Ereignis unverhofft eintrifft? Hansjoggeli ist heute über 70 Jahre alt und geniesst das Rentnerleben. Der Familienvater war über die Jahre selbständig erwerbend, zählte zu dem, was wir im Bernbiet den arbeitsamen, fleissigen Mittelstand nennen, und es plagten ihn keine finanziellen Sorgen. Aber auf Rosen gebettet war er natürlich auch nicht. Inzwischen ist er es …
Sie haben vor zehn Jahren 48 Millionen im Schweizer Zahlenlotto gewonnen. Haben Sie mit System Lotto gespielt?
Hansjoggeli im Glück: Nein. Ich habe hin und wieder Lotto gespielt und ab und zu einen Dreier gehabt. An einem Samstag im Herbst 2014 habe ich im Garten gearbeitet und hatte nichts mehr zu rauchen. Also machte ich mich auf, um etwas Rauchzeug zu kaufen, und dort sah ich im Laden eine «Blick»-Schlagzeile zu einem Rekord-Jackpot. Da sagte ich mir, es sei Zeit, wieder mal einen Lottozettel auszufüllen. Ich sass in kurzen Hosen auf der Terrasse und füllte einen Lottozettel aus. Dazu habe ich nicht einmal geraucht.
Wie viel haben Sie in Lottoscheine investiert?
Soweit ich mich erinnere, weit weniger als 100 Franken.
Was ist dann passiert?
Meine Frau und ich sind zu einer Theateraufführung eingeladen worden. Als wir spät nach Hause kamen, habe ich auf der Ablage in der Küche den Lottozettel gesehen und ich schaute im Internet die Gewinnzahlen nach, ob es vielleicht wieder mal für einen Dreier gereicht habe. Dann stellte ich fest, dass ich einen Sechser hatte und dachte: Nein, das kann nicht wahr sein. Ich musste erst einmal einen Whisky kippen. Dann ging ich zu meiner Frau ins Schlafzimmer und sagte ihr: «Du, ich glaube, wir haben einen Sechser.» Sie erwiderte im Halbschlaf nur: «Ja, ja, ein guter Scherz» und wollte es nicht glauben. Daraufhin habe ich die Zahlen noch einmal kontrolliert, nahm einen zweiten Whisky und ging ins Bett.
Haben Sie gut geschlafen?
Ja, zu meiner Verwunderung sehr gut. Wenn ich mich richtig erinnere, hatte ich mir vor dem Schlafengehen sogar noch einen dritten Whisky gegönnt.
Erinnern Sie sich noch an die Whisky-Marke?
Ja, ja, ein Dimble.
Haben Sie in den nächsten Tagen auch nüchtern gut geschlafen?
Ja, sehr gut.
Wie ist es dann weitergegangen?
Am Montag habe ich bei der Lotto-Zentrale in Basel angerufen. Wir mussten dort vorsprechen und den Pass und den Lottozettel mitnehmen. Wir sind gewarnt worden: «Kommen Sie zum Hintereingang. Der ‹Blick› weiss, dass jemand den Jackpot geräumt hat, und die lauern sicher den ganzen Tag beim Vordereingang.» Also haben wir den Hintereingang benützt und sind auch wieder durch die Hintertüre gegangen.
Was geht einem durch den Kopf, wenn man 48 Millionen im Lotto gewonnen hat?
Dann macht man sich so seine Gedanken. Was mache ich jetzt? Das ist doch Wahnsinn! Im ersten Moment überlegst du, was du alles mit so viel Geld machen könntest. Darin ist eine Gefahr und mir ist schnell klar geworden, dass das Ganze auch eine Last sein kann. Meine Frau und ich haben uns gesagt: Es ist wichtig, dass wir so bleiben, wie wir sind.
Ist das Geld dann auf die Bank überwiesen worden?
Ja, abzüglich einer Summe, die als Steuern an meine Wohnortsgemeinde, den Kanton und die Eidgenossenschaft geflossen ist.
Dann haben die gleich gewusst, wer der Lotto-Millionär ist?
Ich habe sofort eine Sitzung mit dem Gemeinderat verlangt und jeder hat sich schriftlich zu Geheimhaltung verpflichtet.
Das hat funktioniert?
Der Lottogewinn hat sich nach und nach herumgesprochen. Aber ich denke, dass die Quelle nicht der Gemeinderat war.
Es ist also gelungen, den Lottogewinn mehr oder weniger geheimzuhalten?
Ja, ich musste die Leute dann halt anlügen, wenn ich darauf angesprochen worden bin.
Wie ist es dann weitergegangen?
Du beginnst zu überlegen, was du mit dem Geld machen kannst. Wir haben die ganze Sache mit unserer Bank besprochen und wir haben das Glück, dass wir von einer Regionalbank im Oberaargau sehr kompetent beraten worden sind und noch immer beraten werden. Wir haben erst einmal an unsere Kinder gedacht und ihnen eine rechte Schenkung gemacht. Den Rest haben wir in Wertschriften, Immobilien und einer Altersresidenz angelegt und ich habe mir einen Auto-Bubentraum erfüllt. Aber nach und nach ist der Lottogewinn in meinem Umfeld und meiner Verwandtschaft durchgesickert und es gab eine Zeit lang Bettelbriefe und -Telefone.
Wie haben Sie darauf reagiert?
Ich habe konsequent «Nein» gesagt und lediglich ein paar zinsfreie Darlehen in der Höhe von 150'000 bis 300'000 gewährt, die heute praktisch alle vollumfänglich zurückbezahlt worden sind.
Sie haben auch bei Verwandten «Nein» gesagt?
Ja.
Kann man einfach so «Nein» sagen?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Ein Kumpel aus meiner Jugendzeit hat mich kontaktiert. «Weisst Du noch, als Du 18 warst, habe ich Dir mein Auto ausgeliehen und Du hast eine Beule ins Auto gemacht und die Reparatur hat mich zwei Monatslöhne gekostet und Du hast nie etwas bezahlt. Ich schicke Dir nun die Rechnung.» Da sich diese Geschichte vor 55 Jahren zugetragen hatte und es nicht meine Art ist, Schulden nicht zu begleichen, habe ich einen Vorschlag gemacht: «Du hast damals im Monat rund 500 Franken verdient. Also schick mir einen Einzahlungsschein und ich überweise Dir aufgerundet 1200 Franken.»
Das haben Sie dann getan?
Nein, weil mein Verwandter mit diesem Vorschlag nicht einverstanden war. Er hat gesagt: «Halt, mit Zins- und Zinseszinsen sind es 17'000 Franken.»
Wie ist diese Geschichte ausgegangen?
Er hat nichts bekommen. Ich sagte: «1200 Franken oder nichts.» Er hat verzichtet.
Wie haben ihre Kollegen und Freunde reagiert?
Ich bin glücklich, dass ich keine Kollegen und Freunde verloren habe.
Werden Sie nach wie vor auf den Lottogewinn angesprochen?
Nein, eigentlich nicht. Das hat sich mit der Zeit gelegt. Ein paar liebe Kollegen können es natürlich nicht lassen, hin und wieder zu sticheln. Aber sie tun es auf humorvolle Art. Ab und zu musste ich halt die Dinge zurechtrücken. Da war einmal ein Grillfest bei einer meiner Liegenschaften. Nun musste ich mir in der Beiz anhören, ich sei ein unverschämter Geizkragen: Erst kassiere ich den Mietzins und dann stelle ich noch ein Kässeli auf, damit die Leute mir das Grillfest bezahlen. Ich klärte dann auf, dass dieses Kässeli für das Trinkgeld des Grillteams war.
Haben Sie eigentlich den Glücks-Lottozettel aufbewahrt?
Ja, den Lottozettel und das Gewinnzertifikat der Lotto-Gesellschaft bewahre ich im Tresor auf.
Bezahlen Sie laufend eine Runde?
Nein, das habe ich vorher lediglich ab und zu getan, wie das halt so Brauch ist, und das ist so geblieben.
Haben Sie Ihren Lebensstil nicht geändert?
Nein, das habe ich nicht. Zumindest habe ich das Gefühl, dass ich mich nicht geändert habe, und meine Kollegen und Freunde sagen, meine Frau und ich seien geblieben, wie wir sind. Wenn wir einkaufen, schaut meine Frau im Coop nach wie vor, ob es Aktionen gibt. Ich sage dann: Wir vermögen es jetzt, du darfst schon etwas mehr Geld ausgeben.
Sind Sie nie in Versuchung geraten, etwas zu ändern?
Nein. Wir haben darüber nachgedacht, ob wir vielleicht im Tessin ein Ferienhaus mit Seeanstoss oder so leisten sollten. Aber dann haben wir uns gesagt: Wir verzichten darauf, wir hätten ja dann nur eine zusätzliche Belastung und müssten uns um den Unterhalt kümmern. Lieber machen wir dort Ferien, wo es uns gefällt, und wir können uns ja ein gutes Hotel leisten.
Hatte Ihnen eigentlich die Lotto-Gesellschaft Beratung angeboten?
Ja, wir sind gewarnt worden. Eine ganze Reihe von Lotto-Millionären habe das ganze Geld schon nach kurzer Zeit verloren, ja nachgerade verdummt. Wir haben darauf verzichtet, weil wir uns den Umgang mit dem Geld zugetraut haben.
Kennen Sie auch andere Lotto-Millionäre? Oder gibt es gar einen Klub?
Nein, ich habe bis heute keinen anderen Lotto-Millionär kennengelernt.
Aber Sie haben nach dem Lottogewinn aufgehört zu arbeiten – oder?
Nein. Ich war selbständig und ich musste immer schauen, wie ich meine Rechnungen bezahlen konnte, und eine richtige Altersvorsorge hatte ich auch nicht. Die Altersvorsorge ist natürlich kein Problem mehr – aber mir machte die Arbeit Freude und so habe ich ein paar Jahre über das Pensionsalter hinaus gearbeitet.
Aber mehr Ferien gönnen Sie sich schon?
Ein klein wenig schon, und wir können uns ein schönes Hotel leisten und müssen auch in den Ferien nicht jeden Fünfer umdrehen.
Haben Sie sich überlegt, warum gerade Sie so viel Lotto-Glück hatten?
Ja, das haben sich meine Frau und ich oft gefragt. Wie kann das sein, dass ich in kurzen Hosen auf der Terrasse sitzend die richtigen Zahlen ausgefüllt habe? Und erst noch ohne dabei zu rauchen! Es geht dir immer wieder mal durch den Kopf, dass nicht viele Leute so viel Schwein gehabt haben wie wir. Mit einer Million wäre ich ja auch mehr als zufrieden gewesen. Oft habe ich gedacht, es wäre so schön, einmal eine Million zu gewinnen, dann könnte ich endlich die Hypothek auf dem Haus abbezahlen.
Haben Sie eine Erklärung für dieses Glück?
Nein, überhaupt nicht. Es war kein System dahinter. Ich habe mir bloss ein paar Überlegungen gemacht. Dass es beispielsweise nichts bringt, vier Zahlen hintereinander anzukreuzen.
So wie das wohl jeder tut.
Genau.
Dann ist das Erfolgsrezept also: Bei schönem Wetter in kurzen Hosen im schönen Oberaargau auf der Terrasse sitzen, den Lottozettel ausfüllen und dazu aufs Rauchen verzichten.
Ja, so ist es.
Haben Sie seither noch einmal Lotto gespielt?
Nein, ich will nicht noch mehr Geld. Ich überlasse den anderen das Glück. … Ein Detail habe ich übrigens noch vergessen zu erwähnen.
Sagen Sie es uns.
Auf dem gleichen Lottozettel mit dem grossen Gewinn hatte ich auch noch einen Dreier …
Aus dem Monatsmagazin «WURZEL»
Beim zweiten Mal durchlesen habe ich meine Meinung geändert. Ich hoffe er ist so sympathisch wie das Interview, bleibt seinen Prinzipien Treu und das seine Kinder das Glück, welche sie nun erleben dürfen, mit ein wenig Demut annehmen können, sollte ihr Vater irgendwann mal von uns gehen.
Alles Gute ihm & seiner Familie.
Freut mich, dass er normal geblieben ist!