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Zurich Film Festival: Kate Winslet im Interview über neuen Film «Lee»

British actress Kate Winslet receives the Golden Eye Award before the screening of her movie "Leel" at the 20th Zurich Film Festival (ZFF), in Zurich, Switzerland, Monday, October 7, 2024. T ...
Die britische Schauspielerin Kate Winslet («Titanic») spricht am Zurich Film Festival.Bild: keystone
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«Jetzt ist für Frauen in der Filmbranche eine der aufregendsten Zeiten überhaupt!»

Mit «Titanic» wurde sie zum Weltstar, für «The Reader» erhielt sie einen Oscar. Am Zurich Film Festival stellt Kate Winslet ihr Herzensprojekt «Lee» über die Kriegsfotografin Lee Miller vor. Eine ernste Begegnung
13.10.2024, 11:14
Tobias Sedlmaier / ch media
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Es war das Herzensprojekt von Kate Winslet, das fast zehn Jahre für seine Vollendung benötigte: «Lee», der Film über die Fotografin Lee Miller. Die Amerikanerin war in den 1920er-Jahren zunächst ein gefragtes Model im Kreis der Surrealisten. Später wechselte sie hinter die Kamera, dokumentierte die Gräuel des Zweiten Weltkriegs, darunter die Befreiung des Konzentrationslagers Dachau. Berühmt wurde auch ihre provokante Inszenierung, für die sie sich 1945 nackt in Hitlers Badewanne in dessen Münchner Wohnung ablichten liess.

Winslet spielt nicht nur die Hauptrolle in «Lee», sondern übernahm auch die Produktion und war an wesentlichen Cast-Entscheiden beteiligt, wie dem von Regisseurin Ellen Kuras. Als energische, energetische Kriegsfotografin ist die Britin eine Wucht – und macht den Film allein deswegen sehenswert.

Ihre Lee Miller ist eine Frau, die nicht akzeptiert, dass Männer sie nicht in Kasernen oder an die Front lassen und die sich ihren eigenen Weg bahnt. Das Drehbuch hält allerdings mit dem Schauspiel nicht immer mit, die Dialoge wirken stellenweise hölzern. Konstruiert und eigentlich unnötig ist die Rahmenhandlung, in der Lee Millers Sohn Antony Penrose (Josh O'Connor) vom Wirken seiner Mutter erfährt.

Am Zurich Film Festival, wo Winslet den Golden Icon Award erhielt, nimmt sich die just in dieser Woche 49 Jahre alt gewordene Darstellerin exakt eine Viertelstunde Zeit für ein Gespräch. Alle Fragen, die nicht «Lee» betreffen, wurden vorab untersagt. Auch im Gespräch merkt man der ganz in Schwarz gekleideten Schauspielerin, die sonst als recht locker gilt, an, dass es ihr mit diesem Projekt ernst ist. Witzige Sprüche gibt es diesmal keine zu hören: Kate Winslet kämpft und brennt für Lee Miller.

Kate Winslet, bei Ihrem öffentlichen Auftritt im Rahmen der «ZFF Masters» haben Sie gesagt, die Entscheidung, den Film «Lee» zu drehen, begann mit einem Esstisch, den Sie gekauft hatten. An dem tafelte schon Lee Miller mit ihrem Freundeskreis. War das Ihre erste Begegnung mit der Fotografin?
Kate Winslet: Ich kannte den Namen Lee Miller zuvor und war auch mit ihren Bildern vertraut. Aber über ihr Leben wusste ich eigentlich nichts, auch nicht über ihre Beziehung zu ihrem Sohn Antony Penrose. Was mir dann schnell klar wurde: Sie war offensichtlich eine Frau, die gelernt hatte, sich entschlossen in Männerdomänen durchzusetzen, zu überleben. Ein «Nein» akzeptierte sie nicht als Antwort. Vor allem wegen dieser Eigenschaften wollte ich diese Figur spielen und ihre Geschichte zum Leben erwecken.

Lee Millers Sohn, Antony Penrose, hat sich lange gesträubt, die Geschichte seiner Mutter verfilmen zu lassen. Wie liess er sich überzeugen?
Ja, er hatte sich früher sehr zurückhaltend gezeigt. Eigentlich wollte er schon, dass es einen Film über seine Mutter gab. Aber mehrere Anläufe scheiterten knapp an der Finanzierung oder am Drehbuch. Antony war der Meinung, dass seine Mutter oft falsch dargestellt wurde: als die schwierige Alkoholikerin. Oder die Ex-Geliebte von Man Ray. Er wollte sie von solchen Schubladisierungen befreien und stattdessen ihr kraftvolles, mutiges Werk feiern. Ich musste ihm das Gefühl geben, dass er mir vollständig vertrauen konnte und dass seine Meinung zählte. Und das tat sie. Ohne Antonys Beteiligung hätte ich diesen Film nie machen können.

«Wenn du [in einem Film] alles zeigen willst, kannst du nicht volles Gewicht auf die wichtigsten Momente legen.»

War das der Grund, ihn in die Rahmenhandlung miteinzubauen?
Nein, er war schlicht bei jedem Aspekt des Films involviert. Auch bei der Entscheidung, dass wir einen zehnjährigen Zeitraum abdecken. Er stellte das ganze Archivmaterial zur Verfügung: Fotos, Zeitungsartikel, Tagebücher, Briefe ... ich hatte Zugang zu wirklich allem. Das war sehr grosszügig. Er teilte mehr mit mir als mit allen zuvor.

Warum konzentriert sich der Film ausschliesslich auf die Kriegsjahre und lässt Millers Modelkarriere oder ihre berühmten Aufnahmen aus Ägypten aussen vor?
Wir konnten nicht ihr ganzes Leben in einen Film packen. Sonst hätten wir ein typisches Biopic gedreht – und das wollte ich nicht. Denn Lee Miller hat zu viel erlebt. Und wenn du alles zeigen willst, kannst du nicht volles Gewicht auf die wichtigsten Momente legen. «Lee» sollte jene Dekade ihres Lebens abbilden, von der zumindest ich denke, sie selbst wäre am stolzesten darauf. Und die Kriegsjahre definierten schliesslich auch, wer sie für den Rest ihres Lebens wurde.

Der Krieg zerstörte sie ...
Sie litt schrecklich unter posttraumatischer Belastungsstörung, wie praktisch alle, die den Zweiten Weltkrieg mitgemacht haben. Das machte es für sie schwierig, eine gute Mutter zu sein. Sie und Antony hatten eine sehr komplizierte Beziehung, er hat, auch öffentlich, häufig darüber gesprochen. Erst nach ihrem Tod fand er die 60'000 Negative auf dem Dachboden. Und da begriff er: Mein Gott, diese Frau, für die er wenig Respekt übrig hatte und von der er dachte – seine Worte -, sie sei eine nichtsnutzige alte Säuferin, hatte Ausserordentliches geleistet. Sie war hinaus in die Welt gezogen und hatte sie unnachahmlich dokumentiert. Von diesem Moment an widmete er sein Leben ihrem Vermächtnis.

Lee Millers Aufnahmen sind heute von historischer Bedeutung: Die Züge in Dachau, das Bild in Hitlers Badewanne. Was macht für Sie ihre spezielle ästhetische Qualität aus?
Lees einzigartige Fähigkeit bestand darin, in ihren Bildern den Blick von denjenigen einzufangen, die sie fotografierte. Das unterscheidet sie von Männern. Sie sah nicht einfach nur zu, sondern war Teil von jeder Situation, die sie abbildete. Sie fotografierte nicht die Soldaten, das Blutvergiessen, das Kämpfen. Sondern sie sah, was die Verwüstungen mit denen gemacht hatten, die sie erlitten hatten. Andere Fotografen standen vor den Zügen in Dachau und haben von draussen hineinfotografiert. Nicht Lee: Sie ist hineingeklettert, stand zwischen den Leichen und fotografierte die Gesichter der Soldaten, die hineinstarrten.

«Für mich ist Feminismus kein Akt der Rebellion, sondern ein Zustand.»

Wie sind Sie beim Dreh mit den Szenen im KZ Dachau umgegangen?
Das Wichtigste für uns war, dass wir völlig Lees Bildern folgten und einzufangen versuchten, was sie gesehen hat. Wir wollten nicht meilenweit Baracken zeigen und Schornsteine und all das, was wir schon bei vielen anderen brillanten Filmen über den Holocaust gesehen haben. Wir bleiben bei Lees Sichtweise und da ist das, was wir nicht sehen ebensowichtig, wie das, was wir sehen

Ist Lee Miller für Sie eine feministische Ikone?
Für mich ist Feminismus kein Akt der Rebellion, sondern ein Zustand. Und Lee Miller war absolut eine Ur-Feministin, zusammen mit all ihren Freundinnen. Wie sie damals bereits unbewusst Weiblichkeit neu lebte, um Widerstandskraft, Selbstvertrauen und Mitgefühl zugleich zu bewahren, war für mich unglaublich inspirierend! Das ist mir geblieben, denn genauso führe ich mein Leben. Wie auch jede Frau in meinem Umfeld, so ziehen wir unsere Kinder auf.

«Ich bevorzuge es, Bilder zu machen, als selbst eines zu sein» ist ein zentraler Satz der Fotografin im Film. Verstehen Sie «Lee» auch als Statement gegen die Stereotypisierung von Frauen?
Ich bin keine, die mit Statements hausieren geht. Wir wollten mit dem Film einfach authentisch und wahrhaftig gegenüber Lee und ihren Erfahrungen bleiben. Ich halte es immer für gefährlich, eine bestimmte Aussage zu erzwingen.

«[O]ft haben die weiblichen Figuren mit ihrer eigenen Geschichte mehr zu erzählen als alle anderen.»

Was der Film doch zumindest zeigt und womit er nicht alleine steht: Die Branche scheint in den letzten Jahren erhebliche Fortschritt bei der Darstellung von komplexen Frauenfiguren gemacht zu haben ...
Ja, die Veränderungen in den letzten drei Jahrzehnten waren massiv. Es gibt so viele spannende Rollen! Und oft haben die weiblichen Figuren mit ihrer eigenen Geschichte mehr zu erzählen als alle anderen. Ich glaube, jetzt ist für Frauen in der Filmbranche eine der aufregendsten Zeiten überhaupt. Das gilt übrigens auch für junge Menschen. Vor 30 Jahren gab es nicht wahnsinnig viel zu tun: Studioproduktionen, eine Handvoll Indiefilme, drei TV-Kanäle und Radio. Damals wurde man noch gefragt: «Machen sich deine Eltern nicht Sorgen, wenn du in so ein umkämpftes Berufsfeld gehst?» Heute gibt es all die Streamingdienste und Sender mit all ihren Shows, brillante Drehbuchteams und einer gigantischen Menge an Produktionen: Das ist grossartig!

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7 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Raki
13.10.2024 14:20registriert Januar 2024
"Ich glaube, jetzt ist für Frauen in der Filmbranche eine der aufregendsten Zeiten überhaupt" Das ist schön, aber noch mehr würde ich mich freuen, wenn es für die Zuschauer und das Publikum mal wieder aufregende Zeiten geben würde.
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Doplagus
13.10.2024 11:31registriert Dezember 2019
Mir ist egal ob Filme von Frauen, Männern, Kampfhelikoptern oder Kartoffeln gemacht werden.

Ich will wieder originelle, neue und spannende Geschichten, bei denen gut geschriebene, glaubwürdige und tiefgründige Charaktere mit dabei sind.

(Wer ein Beispiel dafür braucht, der vergleicht mal bitte She-Hulk mit Kim Wexler)
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