Die Klimastreik-Bewegung hat am Donnerstag mitgeteilt, dass sie der Zürcher Stimmbevölkerung ein «Ja» zur Abstimmung über das «Klimaschutzziel Netto-Null 2040» empfiehlt. Über dieses wird am 15. Mai 2022 in der Stadt Zürich entschieden. Vorgesehen sind Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen, auch für jene, die ausserhalb der Stadtgrenze verursacht werden. Diese sollen künftig in der Gemeindeordnung festgelegt werden, weshalb es zur Abstimmung kommt.
Solche Parolenfassungen sind üblicherweise nur eine kurze Berichterstattung wert. Das ausdrückliche «Ja» der Klimastreik-Bewegung liefert aber politischen Zündstoff, nachdem das CO2-Gesetz im Juni 2021 knapp abgelehnt wurde: Dieses sah unter anderem eine Flugticketabgabe vor und scheiterte vor allem an der tiefen Stimmbeteiligung: Städterinnen und Städter, die mehrheitlich links-grün abstimmen, nahmen ihr Stimmrecht seltener wahr.
Die Klimastreik-Bewegung wurde mitverantwortlich für das Desaster gemacht. Sie gab keine ausdrückliche «Ja»-Parole aus und bekämpfte mancherorts aktiv das CO2-Gesetz. So sammelte der Westschweizer Klimastreik-Ableger Referendumsunterschriften und machte die Abstimmung zusammen mit der SVP und der Auto- und Erdöllobby erst möglich.
Der Vorwurf, die Klimastreik-Bewegung sei mitschuldig fürs «Nein» zum CO2-Gesetz hatte aber wenig Hand und Fuss. Eine Tamedia-Nachwahlbefragung kam zwar zum Schluss, dass das Klimaschutzgesetz gerade von jungen Stimmberechtigten am deutlichsten abgelehnt wurde. Die offizielle Vox-Nachwahlbefragung des Bundes kam aber später zum gegenteiligen Resultat.
Die Vertreterinnen und Vertreter der Klimastreik-Bewegung wollen die fehlende «Ja»-Parole beim CO2-Gesetz deshalb auch nicht als Fehler eingestehen. Sie ziehen aber dennoch Lehren aus der gescheiterten Abstimmung, wie SP-Kantonsrat und Klimaaktivist Nicola Siegrist auf Anfrage von watson sagt: «Die Bewegung schaffte es damals nicht, sich auf einen gemeinsamen Standpunkt zu stellen und mit geeinten Kräften im Abstimmungskampf um das CO2-Gesetz aufzutreten.» Siegrist betont dabei, dass die Zürcher Bewegung damals keine «Nein»-Parole herausgab und für ihn persönlich beide Positionen nach wie vor ihre Daseinsberechtigung haben.
Bei der Stadtzürcher Klima-Abstimmung sei dies nun anders: Die Bewegung habe sich früh im parlamentarischen Prozess beteiligt, Kritik eingebracht und intern eine Position gesucht. Dass dabei nun eine «Ja»-Parole herauskam, war nicht selbstverständlich: «Die Entscheidungsfindung erfolgte konsensorientiert und ja, es gab auch ablehnende Stimmen», sagt Klimaaktivist Tiziano de Luca.
Dies führt nun dazu, dass das «Ja» stets mit einem «Aber» verbunden wird: Auf dem Abstimmungsplakat steht das «Ja» klein in der Ecke. Die Hauptbotschaft lautet stattdessen: Das Klimaschutzziel Netto-Null soll nicht 2040, sondern zehn Jahre früher erreicht werden.
Dies sei Ausdruck des Misstrauens in die institutionelle Politik, sagt ein Klimaaktivist auf Anfrage: «Wir glauben nicht, dass im Rahmen von Abstimmungen Antworten auf die Klimafrage gefunden werden können.» Ihre Kampagne ziele deshalb darauf ab, konkrete Forderungen aufzustellen, wie der Klimaschutz schneller ausgebaut werden könne.
Im dazu vorgestellten Papier werden unter anderem Solaranlagen auf allen Zürcher Dächern, mehr Wärmepumpen und Bäume sowie eine neue Industriepolitik gefordert: Zürich solle eine nachhaltige Solarpanel-Produktion aufbauen und so Arbeitsplätze schaffen. «Angesichts unserer Vorschläge ist unsere Position deshalb eher ein ‹Ja, und› statt ein ‹Ja, aber›», sagt Klimaaktivistin Anja Gada.
Die Vorlage hat gute Chancen, am 15. Mai vom Stadtzürcher Volk angenommen zu werden. Sie wird von allen Parteien mit Ausnahme der SVP unterstützt. Die Stadtzürcher SVP argumentiert, dass das Klimaproblem mit Innovation und technischem Fortschritt gelöst werden könne.
Seltsame Interpretation der Daten. Es kommt ja nicht darauf an, ob die Jungen zu mehr oder weniger als 50% dafür waren, sondern einfach auf jede Stimme. Einen Schluss von der Nein-Parole zum Stimmverhalten lassen diese Daten nicht zu.