Der Erfolg der Schweiz auf dem Bürgenstock hat einen Wermutstropfen
Sobald man auf die Hochebene von Obbürgen auf 749 Metern über Meer gelangt, beginnt eine andere Welt. Kuhglocken bimmeln, Ruhe und Stille kehren ein, die Alltagssorgen sind weit weg. Erreicht man dann den Bürgenstock auf 1128 Metern, stockt einem der Atem. Eine majestätische Aussicht auf Luzern und den Vierwaldstättersee ist der Lohn.
In kürzester Zeit springt man in eine andere Zeit und Welt: Das macht den Mythos Bürgenstock aus. Unter anderem deshalb hat die Regierung den Berg ausgesucht für die Konferenz zum Frieden in der Ukraine.
Der Berg half mit, dass das Risiko, das die Schweiz mit der Konferenz einging, zum Erfolg wurde – und zwar zum doppelten Erfolg. Erstens präsentierten sich Behörden, Polizei, Armee und Helferinnen und Helfer in einer angespannten Weltlage von ihrer besten Seite: freundlich, unaufgeregt, immer zu einem Scherz bereit – und doch hoch konzentriert (wer auf den Bürgenstock wollte, wurde mindestens dreimal kontrolliert). Gerade was Nidwalden mit seinen 45'000 Einwohnern als Gastkanton leistete, verdient hohe Anerkennung.
Gipfel für den Frieden: Das war die Ukraine-Konferenz auf dem Bürgenstock
Zweitens hat die Schweiz mit der Konferenz einen Prozess in Bewegung gesetzt. Erstmals seit Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 wurde an einer internationalen Konferenz breit über friedensfördernde Massnahmen diskutiert. 92 Staaten nahmen teil. Dass Länder wie Indien, Saudi-Arabien und Südafrika die gemeinsame Erklärung nicht unterschrieben, schmälert den Erfolg nur bedingt. Sie haben auch taktisch agiert, weil sie Russland nicht zusätzlich verärgern wollten – schon ihre blosse Teilnahme am Gipfel war Moskau ein Dorn im Auge.
Einen Wermutstropfen gibt es aber. Für eine entscheidende Folgekonferenz, in der die Ukraine mit Russland selbst über einen Frieden verhandelt, hat sich die Schweiz aus dem Spiel genommen. Die Sanktionen gegen Russland und die Bürgenstock-Konferenz an der Seite des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat die Schweiz definitiv im westlichen Lager verortet. Für Russland ist die Schweiz damit kein Partner mehr für Gute Dienste. Das lässt sich aber verschmerzen. Wer Demokratie, Menschenrechte und Rechtssicherheit hochhält, muss in diesem Krieg Position beziehen.
