Die Schweizer Politik hat etwas von einer Pendeluhr. Mal schlägt sie nach links aus, dann wieder nach rechts. Diese Bewegung wiederholt sich für gewöhnlich alle vier Jahre bei den Parlamentswahlen.
2019 schlug das Pendel stark nach links aus. Doch nun – auf dem Rückweg – ist es auf halbem Weg steckengeblieben.
Ein Rechtsrutsch ist bei den Wahlen zwar nicht von der Hand zu weisen – die SVP hat 2,3 Prozentpunkte und neun Sitze im Nationalrat hinzugewonnen. Doch wer etwas genauer hinschaut, der stellt fest: Es war eher ein Rechtsrütschchen.
Nach den Wahlen 2015 kamen FDP und SVP zusammen auf 98 Sitze im Nationalrat. Jetzt, acht Jahre später, sind es noch 90.
Grüne und SP kamen 2015 zusammen auf 54 Sitze im Nationalrat. Jetzt, acht Jahre später, sind es 64.
Auch im Ständerat hat das bürgerliche Lager Federn gelassen. Neu kommen FDP und SVP zusammen auf 17 Sitze. Das sind weniger als 2019 und 2015. Zudem wurde der parteilose Thomas Minder in Schaffhausen abgewählt, der der SVP-Fraktion angehörte.
Natürlich haben die Grünen dieses Jahr eine schmerzhafte Niederlage eingesteckt. Doch man darf nicht vergessen, die Partei fuhr das zweitbeste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Temperatur-Rekorde, Gletscherschmelze und Megafeuer lassen die Menschen nicht kalt.
Mit einer ökologischen Politik kann man die Leute immer noch an die Urne locken. Das beweist nicht zuletzt der haushohe Sieg von Tiana Angelina Moser gegen Gregor Rutz von der SVP in Zürich. Dabei konnte die GLP-Politikerin nicht nur das linke Lager mobilisieren, sondern auch Stimmen bis weit ins bürgerliche Lager holen.
Eine Mehrheit der Schweiz will Politikerinnen, die den Klimawandel ernst nehmen – und das ist gut so, denn die Herausforderungen werden auf diesem Gebiet nur noch grösser.
Für die FDP ist der Verlust des Zürcher Ständeratssitzes ein Debakel. Sie würde gut daran tun, sich von der SVP zu distanzieren und selbstbewusster aufzutreten.
Auch eine Regine Sauter hätte es nicht einfach gehabt gegen Moser. Doch sie hätte immerhin die geschlossene Partei hinter sich gehabt und die linken Wählerinnen wären eher zuhause geblieben. Jetzt lockte sie der Anti-Rutz-Effekt zahlreich an die Urne.
Die FDP muss den Blick nach vorne richten und nicht mit der Partei ins Bett steigen, die vor allem Probleme bewirtschaftet. Die Schweiz will lösungsorientierte Politiker. Davon zeugt der Grosserfolg der Mitte im Ständerat.
Wenig erfreulich bei den diesjährigen Wahlen war auf den ersten Blick die Entwicklung des Frauenanteils. Im Nationalrat fiel er von 42 auf 38,5 Prozent. Doch auch hier lohnt es sich, wenn man genauer hinschaut.
38,5 Prozent sind immer noch der zweitbeste Wert der Geschichte. 2015 sassen gerade Mal 32 Prozent Frauen im Nationalrat.
Und nicht nur das: Im Ständerat haben die Frauen Historisches erreicht. Mit Tiana Angelina Moser, Marianne Binder-Keller und Franziska Roth haben es die Frauen Nummer 14, 15 und 16 ins Stöckli geschafft. Das ist ein Rekord.
Das Schweizer Parlament ist in den vergangenen acht Jahren deutlich weiblicher, progressiver und ökologischer geworden.
2019 hat die Schweiz zwei Schritte nach vorne gemacht, 2023 nur einen zurück. In diesem neuen Takt darf es weitergehen.
Zeit, die Pendeluhr in den Schrank zu stellen.
Die Bürgerlichen haben jetzt wieder 4 Jahre Zeit, den Bürgern zu zeigen, dass sie eben überhaupt keine Politik für die Bürger machen.
Ah sorry, für einen kleinen Prozentsatz schon..