Der Jubel über Nemos Erfolg am Eurovision Song Contest in Malmö ist abgeflaut. Nun kehrt die nüchterne Realität zurück. Und die zeigt, dass mit der Austragung 2025 einiges auf die Schweiz zukommen wird. Der ESC ist eine «Riesenkiste», die einen entsprechenden Aufwand erfordert. Eigentlich müssten die Vorbereitungen schon heute beginnen.
An Städten, die mit der Austragung liebäugeln, fehlt es nicht. Die letzten Gastgeber mussten zwar viel investieren, aber die Einnahmen durch die angereiste ESC-Fangemeinde waren deutlich höher. Hinzu kommt der Werbeeffekt. Wien etwa konnte dank Conchita Wurst und dem ESC 2015 sein altbackenes «Sisi und Apfelstrudel»-Image kräftig aufpolieren.
Nemos non-binäre Identität verspricht eine ähnliche Strahlkraft. Über einen möglichen Verzicht, der nach dem letzten Schweizer Erfolg 1988 ein Thema war, spricht deshalb niemand. Die Zahl der möglichen Austragungsorte aber ist begrenzt. St.Gallen ist interessiert, doch die Olma-Stadt erfüllt kaum eines der für einen Zuschlag nötigen Kriterien.
Nur wenige Städte kommen ernsthaft infrage. Und am Ende könnte nicht die Hallengrösse oder die Infrastruktur den Ausschlag geben. Sondern die Frage: Wer zahlt am meisten?
Die Kosten für den ESC variieren von Land zu Land. In der teuren Schweiz muss man mit rund 40 Millionen Franken rechnen. Die European Broadcasting Union (EBU) übernimmt einen gewissen Betrag, finanziert von den teilnehmenden Ländern. Aber den Löwenanteil müssen der veranstaltende Fernsehsender und der Austragungsort berappen.
Teilweise gibt es Unterstützung durch die nationalen Regierungen, etwa bei der letztjährigen Austragung in Liverpool. Vom Bundesrat aber ist nicht allzu viel zu erwarten. So will er die Frauenfussball-Europameisterschaft, die ebenfalls nächstes Jahr in der Schweiz stattfinden wird, mit vier Millionen Franken «abspeisen». Dem ESC würde es kaum besser ergehen.
Gefordert ist somit die SRG als Veranstalterin. Und die macht schon klar, dass sie möglichst wenig Gebührengelder für den ESC ausgeben will. Ihr sitzt die Angst vor der Halbierungs-Initiative im Nacken. Der Zürcher SVP-Nationalrat Thomas Matter fordert bereits einen sparsamen Einsatz für den ESC, den er abschätzig als «Queer-Event» bezeichnet.
Also soll die Stadt zahlen, die den Zuschlag erhalten wird. «Die Host City wird einen grossen Teil der Kosten tragen müssen», sagte SRG-Sprecher Edi Estermann dem Tagesanzeiger. Und gab gleich den Tarif durch: «Dabei muss man tief in die Tasche greifen.» Das kann man so interpretieren, dass die Stadt mit dem höchsten Gebot zum Handkuss kommen wird.
Der ESC mag im Vergleich mit anderen Grossereignissen ein «Discount-Event» sein. Aber man darf die Schweizer Rappenspalter-Mentalität nicht unterschätzen. Und selbst wenn eine Stadt bereit wäre, viel Geld in die Hand zu nehmen, muss sie zur Organisation in der Lage sein. Ist sie überfordert, wäre der Imageschaden weit grösser als der kurzfristige Nutzen.
Als Tom Neuwirth mit seiner Kunstfigur Conchita Wurst den Eurovision Song Contest vor zehn Jahren nach Österreich holte, meldeten Graz, Innsbruck und Klagenfurt ihren Anspruch auf die Austragung an. Am Ende erhielt trotzdem wie fast immer die Hauptstadt Wien den Zuschlag, denn nur die Donaumetropole erfüllte alle Voraussetzungen.
In der Schweiz ist die Auswahl etwas grösser, aber ebenfalls limitiert. Tourismus- und Eventfachleute halten nur Basel, Genf oder Zürich für geeignet. Nemos Heimatstadt Biel würde den ESC gerne zusammen mit Bern veranstalten, wie Stadtpräsident Erich Fehr dem SRF sagte. In einem Rating des «Blick» aber schneidet die Bundesstadt schlecht ab.
Klarer Favorit ist demnach Zürich. Das Hallenstadion ist mit einem Fassungsvermögen von bis zu 15’000 Zuschauern die grösste Indoor-Arena der Schweiz. Seit dem Auszug der ZSC Lions klafft eine Lücke im Terminkalender, deshalb will man den ESC unbedingt. Die Messe Zürich gleich nebenan bietet Platz für das Medienzentrum und andere Einrichtungen.
Hinzu kommen weitere Pluspunkte: Die SRG als «Host Broadcaster» liegt quasi um die Ecke, und von Oerlikon zum Flughafen ist es nicht weit. Im Grossraum Zürich findet man auch genügend Unterkünfte. Laut dem SRF-Regionaljournal erhielten Zürcher Hotels schon in der Nacht auf Sonntag zahlreiche «prophylaktische» Buchungen von Fans aus ganz Europa.
Genf allerdings ist Zürich dicht auf den Fersen. Dort hat man sich offenbar schon vor Wochen auf eine mögliche Kandidatur vorbereitet und sie sofort eingereicht. Das Palexpo liegt direkt beim Flughafen, und die Genfer haben Erfahrung damit, die Messe- in eine Eventhalle zu verwandeln. Ausserdem befindet sich der Sitz der EBU in der Rhonestadt.
Basel als Dritte im Bunde kann nicht ganz mithalten. Die St.Jakobshalle hätte die nötige Kapazität, doch ihre Decke ist gemäss der «BZ Basel» zu wenig belastbar für die visuellen Effekte. Ausserdem liegt sie am Stadtrand. Die zentraler gelegene Messe Basel wäre eine Alternative, doch logistisch ist man gegenüber Genf und Zürich im Nachteil.
Dennoch hat Basel vielleicht einen unschlagbaren Vorteil: An Geld mangelt es nicht. Der «Life Sciences Cluster» spült reichlich Steuergelder in die Kasse des Halbkantons. Hinzu kommen die potenten Mäzene aus dem «Daig». Sie interessieren sich eher für Hochkultur, doch für den ESC würden sie womöglich das eine oder andere Milliönchen springen lassen.
Könnte somit Basel aus finanziellen Gründen den Zuschlag erhalten? Ohne geeignete Halle ist das schwer vorstellbar. Und vorerst bleiben solche Erwägungen rein spekulativ. Doch die SRG wird sich bald für einen Austragungsort entscheiden müssen. Denn ein Jahr ist schnell vorbei, und die Vorbereitungen müssten wie gesagt eigentlich schon heute beginnen.
Klar wäre ein ESC in der Kapell-Stadt rüüdig schön. Aber wie Biel, ist auch Luzern zu klein. Und Zürich ist eine Stadt mit Weltruf, die die passende Infrastruktur hat.