Der verbale Aussetzer sorgte 2018 für Schlagzeilen. «Zum Chotzä» seien die Verspätungen am Flughafen Zürich. Ein Swiss-Pilot verlor am öffentlich hörbaren Funk seine Nerven im Gespräch mit dem Tower – und fluchte wie ein Rohrspatz. Auf Schweizerdeutsch. Französisch wird im Swiss-Cockpit kaum geflucht. Denn dort sitzen mehrheitlich Deutschschweizer und Deutsche.
Diese Mehrheit kommt nicht von ungefähr. Denn wer sich bei der Swiss und ihrer Schwesterairline Edelweiss bewerben will, muss Deutsch sprechen können. «Das benachteiligt einen grossen Teil der Schweizerinnen und Schweizer, sich in einem mehrsprachigen Land bei den zwei grössten einheimischen Airlines zu bewerben», sagt ein Insider. Denn ein Deutschschweizer oder ein Deutscher müsse zusätzlich nur eine Fremdsprache erlernen, nämlich Englisch.
Dies sei, so der Insider, ein Grund für die zunehmende Menge an deutschen und österreichischen Piloten bei beiden Airlines. «Damit muss man akzeptieren, dass es nicht Schweizer, sondern Deutschschweizer Airlines sind.» Das Thema ist insofern aktuell, weil die Swiss derzeit auf der Suche nach neuen Cockpit-Mitgliedern ist, um das geplante Wachstum stemmen zu können und sich die Suche mit einer Abschaffung der Deutschpflicht im eigenen Land einfacher gestalten könnte.
Zuletzt äusserte der Swiss-Pilotenverband Aeropers scharfe Kritik an der Personalplanung. Ende letzten Jahres schrieb dessen Präsident Clemens Kopetz im Verbandsmagazin:
Die Arbeitsbelastung der einzelnen Piloten steige an. Im Korps sei ein grosser Frust zu spüren. Und: «Der Peak steht uns erst bevor! Aber ich habe das Gefühl, wir stehen jetzt schon ausgebrannt und nach Luft schnappend neben dem Wegrand, und der grosse Anstieg hat eben erst begonnen.»
Laut Swiss-Sprecherin Silvia Exer-Kuhn arbeiteten Ende letzten Jahres 1361 Pilotinnen und Piloten bei der Lufthansa-Tochter. 2024 habe man 80 neue Cockpit-Mitglieder eingestellt, dieses Jahr würden 100 weitere rekrutiert. Zuletzt räumte Swiss-Chef Jens Fehlinger ein, dass sich die Suche nach Flight Attendants weniger anspruchsvoll gestaltet als jene nach Piloten.
Könnten diese also in Zukunft vermehrt mit einem «Bonjour» statt einem «Grüezi» willkommen geheissen werden? «Aktuell erachten wir die Deutschpflicht als zwingend», sagt Exer-Kuhn. «Wir wollen damit verhindern, dass es im Cockpit zu möglichen Missverständnissen oder Unklarheiten in der Kommunikation untereinander kommen kann.» Für die Einstellung sei das Deutsch-Niveau B2 nötig. Angehende Pilotenschülerinnen und Pilotschüler würden dafür mit Sprachkursen unterstützt.
Exer-Kuhn räumt aber ein, dass die Deutschpflicht nicht in Stein gemeisselt ist. Diese Regelung werde «regelmässig in grösseren Abständen» überprüft. Schliesslich ist bei vielen international tätigen Schweizer Firmen heute Englisch im Büro Usus, und Kantone sprechen sich zunehmend fürs Frühenglisch statt für das Frühfranzösisch in der Primarschule aus.
Und was ist mit der Kritik, wonach die Swiss dadurch in erster Linie eine Deutschschweizer Airline ist? Schliesslich betreibt die Airlines auch keine Basis für ihre französischsprachigen Piloten in Genf. Man sehe sich sehr wohl als Schweizer Airline mit entsprechenden Werte- und Qualitätsansprüchen, sagt Exer-Kuhn. Bei den Kabinenangestellten zeigt sich die Swiss allerdings flexibler: Jene, die ab Genf fliegen, müssen lediglich Französisch und Englisch beherrschen. Und von jenen, die ab Zürich abheben, wird bloss Englisch und Deutsch gefordert. Weitere Fremdsprachen werden mit 50 Franken pro Monat zusätzlich entlöhnt.
Laut Exer-Kuhn haben heute rund zwei Drittel aller Swiss-Pilotinnen und -Piloten den Schweizer Pass. Knapp 30 Prozent stammen aus Deutschland. Der Anteil deutscher Piloten ist in den vergangenen zwölf Jahren massiv gestiegen. 2013 kamen sie erst auf 11 Prozent. 2007 betrug ihr Anteil sogar nur 1 Prozent.
Der Pilotenverband Aeropers – ebenfalls mit Sitz in Kloten ZH – gibt sich bei der Frage nach einer Aufweichung der Deutschpflicht zurückhaltend. Es sei wohl so, dass sich der Kreis der Bewerberinnen und Bewerber erweitern würde, sagt Sprecher Thomas Steffen. Und die Arbeitssprache könnte auch Englisch sein. Dies würde aber einen Einfluss auf die Flugsicherheit haben.
«Wenn es darum geht, effizient und verständlich zu kommunizieren, speziell auch in Notfällen, ist es sehr hilfreich, wenn die Crew in der Muttersprache miteinander Probleme lösen kann», sagt Steffen. Im Hinblick auf die Personalsituation sieht die Aeropers die Sprachregel denn auch nicht als ersten Ansatzpunkt. Wichtiger seien konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen. (aargauerzeitung.ch)