Die Schweiz hat 92 Dschihadisten. So viele Personen sind bisher in ein Konfliktgebiet ausgereist, die meisten nach Syrien oder in den Irak. Nicht alle sind Kämpfer. Einige unterstützten die Terrororganisationen IS oder al-Kaida auf andere Weise: Frauen als Nachwuchsproduzentinnen, Männer als Fahrer. 31 Dschihadisten wurden getötet und 16 sind inzwischen in die Schweiz zurückgekehrt. 45 befinden sich derzeit also noch immer in Konfliktgebieten. Ein Drittel hat die Schweizer Staatsangehörigkeit.
Die Daten stammen vom Nachrichtendienst des Bundes. Auf seiner Website schreibt die Behörde, sie gebe keine weiteren Angaben zu Identität, Alter, Nationalität und Wohnsitz der Personen bekannt. Diese Informationen wären aber von Interesse, da sich die Schweiz nach dem Fall der letzten IS-Hochburg in Syrien auf weitere Rückkehrer vorbereiten muss. Es stellt sich die Frage: Wer sind diese Dschihadisten? Antworten würden helfen, die Gefahr einzuschätzen und Deradikalisierungsprogramme zu organisieren.
Einen Teil des Geheimnisses lüftet jetzt eine Partnerbehörde des Nachrichtendienstes: die Bundespolizei Fedpol. Analysten haben Ermittlungen und Strafuntersuchungen von Dschihad-Fällen zwischen 2012 und 2018 ausgewertet. Nach 2018 wurden keine Ausreisen mehr registriert. Die Ergebnisse publiziert die Bundespolizei heute Donnerstag in ihrem Jahresbericht. Das ist demnach das Profil der Schweizer Dschihadisten:
Die Mehrheit stammt aus Städten und Agglomerationen. Ländliche Regionen sind «deutlich weniger betroffen». Die sprachliche Verteilung entspricht hingegen ungefähr der Gesamtbevölkerung: Fast zwei Drittel kommen aus der Deutschschweiz, ein Drittel aus der Romandie und einige wenige aus der italienischen Schweiz.
60 Prozent der analysierten Dschihadisten sind im Ausland geboren. Es handelt sich um die erste Einwanderergeneration. Die Mehrheit dieser Migranten hat sich erst in der Schweiz radikalisiert.
Drei Viertel der Personen gehören seit Geburt dem Islam an. Ein Viertel ist konvertiert. Die grosse Mehrheit verkehrt in einer Moschee.
Der IS zieht vor allem Männer an (über 80 Prozent). Das Durchschnittsalter beträgt 32 Jahre.
Bei der Abreise hatte jeder zweite Dschihadist weder eine Arbeit noch eine Ausbildung. Die meisten hatten einst eine Lehre oder eine Fachschule begonnen, aber nicht abgeschlossen. Nur ganz wenige studierten an einer Universität. Am weitesten gebracht haben es zwei Islamisten mit einem Bachelor-Titel. Alle anderen haben das Studium vorher abgebrochen.
Jeder dritte Dschihadist hat eine kriminelle Vergangenheit. Bekannt sind vor allem Gewalt-, Drogen- und Eigentumsdelikte.
Bei den meisten Dschihadisten hat ein prägendes Ereignis zu einem Bruch in der Biografie geführt: eine Krankheit, eine Kündigung, eine gescheiterte Ausbildung, familiäre Probleme oder ein schwerer Unfall.