70 neue Nationalrätinnen und Nationalräte haben den Sprung nach Bern geschafft, im Ständerat sind es nach dem ersten Wahlgang bisher sechs neue Gesichter. Hier eine Auswahl von Neo-Parlamentariern, die das Zeug dazu haben, prägende Rollen in ihren Fraktionen zu spielen.
Obwohl die St.Galler SVP einen ihrer fünf Sitz verlor, schaffte die studierte Politikwissenschafterin von Listenplatz 8 aus den Sprung nach Bern. Friedli ist Parteisekretärin der SVP Kanton St.Gallen und erreichte durch ihre letztlich erfolglose Kandidatur für den Regierungsrat 2016 grosse Bekanntheit. Mit Friedli ist auch der als «Haus der Freiheit» bekannte Landgasthof Sonne in Ebnat-Kappel wieder im Bundeshaus vertreten: Esther Friedli ist die Lebenspartnerin des langjährigen SVP-Präsidenten Toni Brunner, der sich 2018 aus Bundesbern zurückgezogen hatte.
Seit 2014 amtiert die 35-Jährige als Sozialvorsteherin von Aarburg. Rasch wurde sie national bekannt mit ihrer harten Linie gegen Sozialhilfebezüger, insbesondere Flüchtlinge. Seit 2017 ist sie Grossrätin. In der auf 53 Köpfe geschrumpften Nationalratsfraktion der SVP ist sie eine von nur 13 Frauen. Gerade bei familienpolitischen Fragen hat sie immer wieder Distanz zur konservativen Haltung ihrer Partei markiert.
Seit 1991 wird der Kanton Aargau von einem Giezendanner im Nationalrat vertreten – und daran ändert sich auch nach den Wahlen 2019 nichts. Auf seinen zurücktrtenden Vater Ueli (65) folgt der 37-jährige Benjamin Giezendanner. Dieser kann in seinem Heimatkanton bereits auf eine stolze politische Karriere zurückblicken. 2001 wurde er im Alter von 18 Jahren als jüngster Grossrat gewählt und sass seither ununterbrochen im Aargauer Parlament. Im Jahr 2017 wurde er mit 134 von 135 Stimmen zu dessen Präsidenten gewählt. Seit 2017 ist Giezendanner alleiniger Geschäftsführer des familieneigenen Transportunternehmens. Er ist Vizepräsident des Aargauischen Gewerbeverbandes und bekleidet in der Armee den Rang eines Hauptmanns.
Ende August gab die 29-jährige Funiciello das Juso-Präsidium nach drei Jahren an Ronja Jansen ab. Als Chefin der schlagkräftigsten Jungpartei des Landes erreichte Funiciello rasch schweizweite Bekanntheit – und wurde im Netz angefeindet wie sonst kaum eine andere Politikerin. Seit März 2018 sitzt sie im Berner Grossrat.
Der 35-jährige Grossrat verteidigte den Nationalratssitz der Bündner Sozialdemokratie problemlos. Pult gilt schon lange als Polittalent, dem ein Parteiamt auf nationaler Ebene zugetraut wird. Bereits mit 19 Jahren zog er ins Churer Stadtparlament ein, seit 2014 ist er Präsident der Alpeninitiative.
Mit Maillard kehrt ein politisches Schwergewicht in den Nationalrat zurück, dem er bereits von 1999 bis 2004 angehörte. Danach wechselte der auch unter dem Akronym «PYM» bekannte Lausanner in den Waadtländer Staatsrat, wo er als Gesundheitsdirektor rasch zum starken Mann der Regierung aufstieg. 2012 kürte die SP Maillard gar zum Bundesratskandidaten, das Parlament zog ihm aber Alain Berset vor. Im Dezember 2018 wurde er als Nachfolger von Paul Rechsteiner zum Präsidenten des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes gewählt. Maillard gab sein Regierungsamt auf und kündigte an, als Nationalrat zu kandidieren.
Der langjährige Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz konnte einen Sprung nach vorne machen und sich einen Nationalratssitz ergattern. Seit 2018 sitzt er im Stadtzürcher Parlament. Mit seiner «Arena»-Erfahrung dürfte der erst 25-jährige Silberschmidt in der Fraktion mehr als eine Juniorenrolle anstreben.
Die in Zürich geborene, perfekt zweisprachige de Quattro sitzt seit 12 Jahren im Staatsrat des Kantons Waadt und steht dem Umweltdepartement vor. Nach dem Rücktritt von Didier Burkhalter wollte sie Bundesrätin werden. Die FDP-Fraktion nominierte aber ihre Waadtländer Nationalrätin Isabelle Moret, gewählt wurde schliesslich der Tessinier Ignazio Cassis.
Der neugewählte Neuenburger Freisinnige Damien Cottier kennt die Funktionsweise von Bundesrat und Verwaltung dermassen genau wie sonst kaum ein Parlamentarier. Der 44-Jährige war neun Jahre lang als persönlicher Mitarbeiter die rechte Hand von alt Bundesrat Didier Burkhalter. Seit 2018 leitet er die Sektion für humanitäre Angelegenheiten bei der Schweizer Uno-Mission in Genf. Im Februar 2019 sorgte Cottier mit einem Tweet für Schlagzeilen: Aus Anlass des Valentinstags bekannte er sich öffentlich zu seiner Homosexualität – in der Romandie für Politiker ein ungewöhnlicherer Schritt als in der Deutschschweiz. In seinem Privatleben hatte er nie ein Geheimnis aus seiner Beziehung zu Lebenspartner Victor gemacht.
Sie war die Überraschung im Bundesratsrennen im vergangenen Herbst: Die Urner Regierungsrätin Heidi Z'graggen hatte innerhalb der CVP-Fraktion genügend Support, um am Zuger Ständerat Peter Hegglin und Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (BL) vorbei den Sprung aufs Ticket zu schaffen. In der Ausscheidung vor dem Parlament unterlag sie dann gegen Viola Amherd. Doch im Ständerat dürfte Z'graggen rasch zu einer einflussreichen Figur werden.
Auch Charles Juillard dürfte dazu beitragen, dass der Einfluss der CVP trotz sinkenden Wähleranteilen in Bundesbern gross bleibt. Der neue jurassische Ständerat hat als Präsident der Finanzdirektorenkonferenz bereits ein gutes Netzwerk in der Bundespolitik aufgebaut.
Für den Ständerat, für den Marianne Binder ebenfalls kandidiert, wird es auch im zweiten Wahlgang wohl nicht reichen. Doch im Nationalrat dürfte die ehemalige Kommunikationschefin der CVP Schweiz schon bald für Schlagzeilen sorgen. Aus einer traditionsreichen Politikerdynastie kommend war Binder in den vergangenen Jahren als Grossrätin eine der bekanntesten Politikerinnen ihres Kantons.
Im Zürcher Ständeratsrennen landete sie zwar nur auf dem 4. Platz, doch im zweiten Wahlgang hofft die Präsidentin der Zürcher Grünen auf die Sensation gegen den bisherigen Ruedi Noser (FDP). Den Einzug in den Nationalrat schaffte Marionna Schlatter hingegen problemlos. In der stark von der Stadtzürcher Sektion geprägten Kantonalpartei bildet die in Bäretswil aufgewachsene und in Hinwil wohnhafte Schlatter einen ländlichen Gegenpol. Bei den Zürcher Bauern respektiert man die 39-Jährige – auch wenn man keine Wahlempfehlung für sie aussprechen wollte – für ihren erfolgreichen Kampf für die Kulturlandinitiative. Schlatter kommt übrigens nicht bloss als Politikerin in den Medien zu Wort: Sie ist Pilzexpertin und bildet schweizweit kantonale Pilzkontrolleure aus.
Mit ihrer Wahl hat Weichelt-Picard Historisches geschafft: Als erste Frau überhaupt vertritt sie den Kanton Zug im Bundeshaus. Die diplomierte Krankenschwester und Sozialarbeiterin sass ab 2007 während 11 Jahren als Sozialvorsteherin im Zuger Regierungsrat und wurde 2016 als erste Vertreterin der Grün-Alternativen zur Frau Landamman gewählt. Jetzt hat sie den 2011 verloren gegangenen Nationalratssitz für ihre Partei zurückerobert.
Inmitten der grünen Welle am Wahlsonntag war seine Wahl wohl die grösste Sensation: In Glarus verdrängte Mathias Zopfi den bisherigen SVP-Ständerat Werner Hösli aus dem Amt. Der 35-jährige Grüne sitzt seit 2011 im Glarner Landrat und durfte diesen im Amtsjahr 2017/18 als erster Grüner präsidieren. Zopfi gilt als bodenständiger, gemässigter Vertreter seiner Partei. Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» sagte er, er sei wohl ein «bürgerlicher Grüner». So unterstützt Zopfi beispielsweise den Kauf von neuen Kampfjets. Im Kanton Glarus ist der Anwalt und Präsident des Jassclubs Tödi weit über die Parteigrenzen hinweg beliebt. BDP-Nationalrat Martin Landolt zollte ihm Respekt für einen «sackstarken Wahlkampf» und SVP-Landrat Peter Rothlin meinte: «Man muss ihn als Gegner würdigen, die Fähigkeit zum Ständerat hat er.»
In Zürich sicherte sich die grüne Nachwuchshoffnung einen der sechs Nationalratssitze, welche die Partei gewann. Seit 2014 sitzt Schneider im Gemeindeparlament von Uster, seit dem März 2019 im Zürcher Kantonsrat. Bekanntheit erlangte die Umwelt- und Kommunikationswissenschaftlerin als einer der Köpfe hinter der Volksinitiative gegen Massentierhaltung. Beruflich ist sie Co-Geschäftsleiterin des Tierschutzvereins Sentience Politics.
Sie ist eines der Gesichter des grünliberalen Wahlerfolgs mit vielen Verdiensten um ihre Partei: Sie war Generalsekretärin der Zürcher Kantonalpartei, Geschäftsführerin der Bundeshausfraktion und leitet das parteiinterne Ideenlabor «GLP Lab» seit der Gründung 2016. Im März 2018 wurde sie ins Stadtzürcher Parlament gewählt. Im vergangenen November übernahm sie gemeinsam mit Foraus-Gründer Nicola Forster das Co-Präsidium der GLP des Kantons Zürich. Gredig führte die Partei im März 2019 zu einem Sieg in den Kantonsratswahlen, bei denen sie ebenfalls ein Mandat eroberte.
Aus dem Kanton Luzern zieht ein Rückkehrer in den Nationalrat ein: Der Grünliberale Roland Fischer eroberte den Sitz zurück, den er bereits zwischen 2011 und 2015 innehatte. Den studierten Volkswirtschaftler zog es nach vier Jahren bei der Credit Suisse 2001 zur Eidgenössischen Steuerverwaltung, wo er zum Sektionsleiter aufstieg. Seit 2015 ist er als Dozent und Projektleiter an der Hochschule Luzern tätig. Bei seiner ersten Runde im Nationalrat machte sich der Hauptmann der Schweizer Armee rasch als Sicherheitspolitiker einen Namen. Er gehörte zu den profiliertesten Gegnern des Kampfjets Gripen, dessen Kauf 2014 in einer Volksabstimmung abgelehnt wurde.
Einen gut gefüllten Rucksack an politischer Erfahrung bringt die Kilchbergerin Judith Bellaïche (Jahrgang 1971) mit. Acht Jahre sass sie in der Exekutive ihres Wohnorts, seit 2011 ist sie Zürcher Kantonsrätin. Beruflich ist sie Geschäftsführerin des Wirtschaftsverbands Swico, der Interessenvertretung der ICT- und Internetbranche. Das Recycling von Elektrogeräten ist für Bellaïche eine Herzensangelegenheit. Im Nationalrat dürfte sie vor allem bei IT-Themen rasch eine wichtige Stimme werden.