Jeder fünfte Schweizer wohnt in einem hochwassergefährdeten Gebiet. Auf der gleichen Fläche befinden sich Sachwerte in Höhe von etwa 840 Milliarden Franken, wie Zahlen des Bundesamtes für Umwelt (Bafu) zeigen. Damit ist Hochwasserschutz in der Schweiz ein nationales Projekt.
Nach dem Jahrhundert-Hochwasser von 2005, das sechs Todesopfer forderte und Sachschäden in Höhe von drei Milliarden Franken verursachte, wurden die Arbeiten nochmals intensiviert. Insgesamt wurden seitdem 4.5 Milliarden Franken in Hochwasserschutzprojekte investiert. In Zukunft sollen weiterhin jährlich 380 Millionen dafür ausgegeben werden. In der aktuellen Lage dürften die seit damals errichteten Schutzmassnahmen nun auf den Prüfstand gestellt werden.
Ein positives Beispiel hierfür ist das Projekt «Urner Talboden» in Uri. Dieses wurde 2016 abgeschlossen und kam gestern zum Einsatz. Die Urner Behörden sperren dafür die Autobahn A2 zwischen Flüelen und Amsteg. Dann werden die steigenden Wassermassen aus der Reuss auf die Autobahn umgelenkt. So konnten bereits im Oktober 2020 grössere Schäden wie 2005 verhindert werden.
In der Stadt Thun hingegen funktioniert der Entlastungsstollen für den Thunersee nur teilweise. Wegen technischen Problemen lässt sich der Stollen nicht ganz schliessen. Deshalb kann die Durchflussmenge nicht kurzfristig reduziert werden.
Die anhaltenden Niederschläge in den nächsten Tagen bereiten den Feuerwehren in der ganzen Schweiz also trotz der massiven Investitionen in den Hochwasserschutz Sorge. In Sarnen tritt die Aa über die Ufer, der Reussdamm steht unter enormen Belastungen und am Thunersee herrscht bereits offiziell Hochwasser.
Damit wird deutlich, dass die Schweiz weiterhin am Generationenprojekt Hochwasserschutz arbeiten muss. Mehrere Projekte wurden in den letzten Jahren verschleppt oder kamen ganz zum Stillstand. Diese dürften nun neuen Aufwind erhalten.
Das grösste Projekt ist dabei die dritte Rohnekorrektion in den Kantonen Wallis und Waadt. Hier werden Korrekturen und weitere Massnahmen auf einer Länge von 162 Kilometern vorgenommen. So sollen 100'000 Menschen vor Hochwasser geschützt und ein Sachschaden von 10 Milliarden Franken verhindert werden. Kostenpunkt: 3.6 Milliarden Franken. (leo)