Einmal mehr ziehen die Wassermassen Bern in ihren Bann. An der Aarstrasse im Mattequartier schauen Passantinnen und Anwohner gespannt und teils mit gezückter Kamera auf die reissende Aare, die Herz und Seele der Bundesstadt zugleich ist. Nuria Heusser (30) steht auf einem riesigen Baumstrunk, den die Feuerwehr aus den Fluten gezogen hat. «Es ist faszinierend und beängstigend zugleich, wie wir den Naturgewalten ausgeliefert sind», so die Neuzuzügerin. Sie hat ihre Winterkleider aus dem Keller geholt und sicher in ihrer Wohnung im 4. Stock verstaut.
Denn die eigentlich beschauliche Aare kann eine zerstörerische Kraft entwickeln. In den Jahren 1999 und 2005 flutete die Berner Lebensader das ganze Mattequartier. Rettungshelikopter mussten damals eingeschlossene Bewohner per Seilwinde aus ihren Häusern ziehen. 600 Kubikmeter Wasser pro Sekunde führte die Aare damals. Aktuell (Dienstag, 08 Uhr) sind es deren 393 Kubikmeter oder rund 1,2 Millionen Stangen Bier, wie die lokale App Aare.guru vermeldet.
Seit Montagabend schüttet es praktisch ununterbrochen. «Die Lage ist weiterhin angespannt. Wir haben nun alle möglichen Schutzvorkehrungen installiert und sind bereit, rasch einzugreifen», sagt Thomas Müller, Sprecher von Schutz und Rettung Bern. Am auffälligsten sind die orangen Wassersperren, welche Teile der Matte und des Altenberg-Quartiers vor den Fluten schützen sollen.
Mit Argusaugen beobachten Expertinnen und Experten derzeit die Pegel von Aare und Thunersee, der am Dienstagmorgen die Gefahrenstufe 4 von 5 erreicht hat. Der Zürichsee ist am Montag in Stäfa bereits über die Ufer getreten.
Immerhin kann der Thunersee dank eines nach dem Jahrhundert-Hochwasser von 2005 neu gebauten Entlastungsstollens besser reguliert werden. Die Gefahr eines Hochwassers ist damit aber nicht gebannt. «Irgendwann kommt das ganze System an den Anschlag», sagt Andreas Helbling, Hydrologe beim Bundesamt für Umwelt (Bafu). Er rechnet bis am Freitag mit einer Abflussmenge der Aare in Bern von 430 bis 480 Kubikmeter, was über der Schadensgrenze liegen würde. Was aber wirklich passieren wird, weiss nur «Wettergott Petrus» – zu unberechenbar sind die regionalen Niederschlagsmengen.
Trotz der miesen Wetterprognosen bleiben die alteingesessenen «Mätteler» gelassen. «Wir sind uns solche Situationen gewohnt», sagt Quartier-Legende Rosemarie Bernasconi, die einen Buchladen betreibt und für viele Leute erste Ansprechsperson ist. Wirklich problematisch sei nur, wenn wie 2005 Baumstrünke den Abfluss der Aare verstopfen würden. Auch dafür hat die Feuerwehr vorgesorgt und einen mobilen Kran installiert, der Schwemmholz herausfischen kann.
Matte-Bewohner Philipp Kronig hat sein Auto bereits weggebracht. «2005 ist mein Volvo und die Vespa in den Fluten versunken, weil ich die Hochwasser-Warnungen zu wenig ernst nahm. Das passiert mir nicht noch einmal.»
Wird Zeit die Gewitter- und Regenwolken in den Lockdown zu schicken. 😉
Analog den Amerikanischen Ureinwohnern mit Holz sammeln für den kalten Winter.