Die Versprechen der Spitäler und Versicherer schüren Hoffnung: Die Medizin soll transparenter werden. Ärzte sollen nur noch effektiv erbrachte Leistungen abrechnen können, was wiederum die Kosten dämpfen soll. Gleichzeitig könnten sich Ärztinnen endlich hauptsächlich mit Patienten beschäftigen - anstatt komplizierte Einzeltarife abzurechnen.
An einer Informationsveranstaltung zu den neu erarbeiteten Pauschalen im ambulanten Bereich warben der Krankenkassenverband Santésuisse und der Spitalverband Hplus mit diesen Vorteilen. Geht es nach ihnen, sollen Pauschalen den komplett veralteten Ärztetarif Tarmed ablösen. Denn dieser bildet die Leistungen der Ärzte und Spitäler nicht mehr sachgerecht ab: Einzelne Eingriffe werden zu hoch abgegolten, andere lassen sich nicht kostendeckend umsetzen.
Mit den neuen Pauschalen soll sich das ändern: Die von den Verbänden gegründete Tariforganisation Solutions Tarifaires Suisses gibt an, die Pauschalen auf «reellen Kosten- und Leistungsdaten» von Spitälern und Ärzten berechnet zu haben und diese stets weiterentwickeln zu wollen.
Der Verteilkampf im ambulanten Bereich spitzt sich damit zu: Fast 13 Millionen Franken rechnen Ärztinnen und Ärzte in ihren Privatpraxen und in den Spitälern über den Tarmed jährlich ab. Die Frage ist nun: Wie soll künftig das Geld verteilt werden? Und weil der Bundesrat Antworten bis Ende Jahr verlangt, drängt die Zeit. Denn am Ziel sind die Pauschalen noch nicht. Wichtige Fragen wie beispielsweise die kostenneutrale Umsetzung vom alten zum neuen System sowie die Tarifierung von psychiatrischen Leistungen harren noch einer Lösung.
Dennoch: Solutions Tarifaires Suisses hat in den letzten Monaten den Turbo gezündet und innert relativ kurzer Zeit die Pauschalen entwickelt. Die Tariforganisation hat sich dabei an das bestehende Pauschalsystem im stationären Spitalbereich angelehnt, an SwissDRG.
Es fragt sich bloss, wieso dieser Schritt nicht schon viel eher geschah. Der Ärztetarif Tarmed gilt seit seiner Einführung vor 20 Jahren als veraltet. Seit 10 Jahren wird zum Teil intensiv an einem neuen Tarifwerk gearbeitet. Nach langem Ringen gelang der Ärztevereinigung FMH und dem anderen Kassenverband Curafutura der Durchbruch: Sie legten 2019 trotz immenser Differenzen den neuen Tarif Tardoc vor. Doch der Bundesrat, der den Tarif genehmigen muss, gab sich nicht zufrieden und verlangte Nachbesserungen.
Zum nunmehr dritten Mal haben FMH und Curafutura die verlangten Änderungen weitgehend umgesetzt. Und jetzt hat plötzlich die Konkurrenz aufgeholt. Niemand bestreitet den Sinn von ambulanten Pauschalen. Doch wird bezweifelt, wie schnell diese umsetzbar sind. Die FMH prüfe die Pauschalen, sobald konkrete Konzepte und Grundlagen vorliegen, sagt Präsidentin Yvonne Gilli und verweist darauf, dass sich Grundversorgung und Psychiatrie nicht durch Pauschalen abbilden liessen, wobei sie rund die Hälfte des Volumens ausmachten. «Einen revidierten Einzelleistungstarif braucht es demnach immer noch dringend», sagt Gilli. Nur: Je länger der Bundesrat zuwartet, desto stärker altert der neue Tardoc-Tarif. (saw/ch media)