In der Schweiz gibt es manchmal einen Hang zur Selbstüberschätzung. So auch während und nach der ausserordentlichen Session, an der das Parlament die Bundesgarantien für die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS diese Woche nachträglich absegnen sollte. Ein Nein könnte die Finanzmärkte nervös machen, wurde vereinzelt gewarnt.
«Diese Signale des Misstrauens kurz nach einem Bank Run sind gefährlich», meinte der «Tages-Anzeiger» in einem Kommentar. Und dann? Der Nichtentscheid des Parlaments nach zwei hektischen Tagen liess die Börsen kalt. Die während der Fusionsgespräche vor drei Wochen bestens informierte «Financial Times» vermeldete den «symbolischen Protest» so nebenbei.
Deutlicher kann man nicht ausdrücken, dass das Nein des Nationalrats zu den Garantien von 109 Milliarden Franken in der Endabrechnung ohne Bedeutung war, auch wenn nun einzelne Stimmen das Gegenteil behaupten. Die teilweise ruppig geführte Debatte fand für die Galerie statt. Oder für das Stimmvolk, das im Oktober ein neues Parlament wählt.
Der Vorwurf, die Nein-Sager hätten vor allem Wahlkampf betrieben, ist nicht von der Hand zu weisen. Besonders heftig wurde auf die SP eingeprügelt, und das nicht zu Unrecht. Die Argumente, mit denen sie einen vom Ständerat ausgebrüteten Kompromissvorschlag im Nationalrat platzen liess, wirkten scheinheilig. Offenbar ging es vor allem um Profilierung.
Irritierend wirkt jedoch, dass sich die Kritik auf die Sozis fokussierte. Denn auch die SVP, die sich wirtschaftsfreundlich gibt, sagte knallhart Nein. Sie verlangt, dass es in der Schweiz keine Banken mehr geben darf, die «too big to fail» sind. Es ist das bekannte Lavieren der Volkspartei zwischen politischem Isolationismus und wirtschaftlichem (Neo)liberalismus.
Im Fall der Banken hat die Politik die Oberhand. Man darf der SVP und ihrem Immer-noch-Vordenker Christoph Blocher eine gewisse Konsequenz attestieren. Ihm ist das USA-Geschäft der Grossbanken schon lange ein Dorn im Auge, denn die US-Justiz hat dem Schweizer Finanzplatz über Jahrzehnte hinweg immer wieder hart zugesetzt.
Unter dem Druck der Amerikaner musste die Schweiz ihr Bankgeheimnis aufweichen und schliesslich aufgeben. Gleichzeitig mussten die Grossbanken Bussen in Milliardenhöhe abdrücken. Das hatte Folgen für den Finanzplatz. Er hat im Laufe der Jahre an Bedeutung verloren. Aufgeholt haben die Asiaten, vor allem Hongkong und Singapur.
In den 1980er-Jahren gab es in der Schweiz noch fünf international aktive Grossbanken. Nach dem unrühmlichen Aus für die Credit Suisse und ihrer Übernahme durch die UBS ist es nur noch eine. Das erinnert an das Kinderlied, dessen höchst «unwoken» Namen man heute nicht mehr verwenden darf. Damit aber stellen sich quasi existentielle Fragen.
Finanzministerin Karin Keller-Sutter, die nun als Verliererin dasteht, verwies in der Monsterdebatte auf jenen Punkt, der in ihren Augen «ganz wesentlich» ist: «Was für einen Finanzplatz wollen wir?» Heute spiele die kleine Schweiz «in der Topliga». Die Gretchenfrage lautet, ob sie dort bleiben soll. Und was das für die UBS als letzten «Global Player» bedeutet.
Für wirtschaftsnahe Kreise scheint dies eine Existenzfrage zu sein. Wie von watson vorhergesagt, kommen die Bremser aus der Defensive. Ihr Ziel ist es, die von der Politik geforderten Verschärfungen der Bankenregulierung (Eigenkapital, Boni-Verbote, wirksames «Too big to fail»-Gesetz, Trennbankensystem) abzuschwächen oder ganz zu torpedieren.
Publizistische Schützenhilfe erhalten sie von der NZZ, dem «Leibblatt» der Anzugträger am Paradeplatz. In mehreren Artikeln und Kommentaren ermahnte sie die Politik, dass sie «das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet». Es also mit neuen Regulierungen nicht übertreibt. Passend dazu werden warnende Stimmen aus den Reihen der Wirtschaftsverbände zitiert.
Ohne eigene Grossbank hänge der Zugang der Schweizer Wirtschaft zu den internationalen Kapitalmärkten «ganz vom Ausland ab», lautet die Botschaft. Ausländische Finanzinstitute würden nur darauf warten, in die Schweiz «einzufallen» und den exportorientierten Firmen ihre Dienstleistungen anzubieten: «Die Schweiz würde ärmer und provinzieller.»
Es ist kaum ein Zufall, dass sich auch Marcel Rohner, der Präsident der Bankiervereinigung, auf mehreren Kanälen zu Wort meldete. Der ehemalige CEO der UBS zeigte Verständnis für die Emotionalität der Debatte und die Empörung über die Misswirtschaft bei der CS. Und warnte vor Schnellschüssen: «Wir haben 239 Banken, und nur eine hatte ein Problem.»
Interessant ist in diesem Kontext die Meldung des Portals Inside Paradeplatz vom Donnerstag. Darin hiess es mit Berufung auf einen «Insider», die UBS wolle den «gesunden» Schweiz-Teil der CS an die Börse bringen und als «Unternehmerbank» im Markt anpreisen. «Wahrscheinlich» würde die UBS dabei eine Mehrheit an der CS Schweiz behalten.
Mit anderen Worten: Die CS Schweiz würde zu einer «scheinselbständigen» Tochter der UBS. Es wäre ein cleverer Schachzug, der vor allem bei den bürgerlichen Parteien auf Resonanz stossen könnte. Und den Forderungen nach neuen Regulierungen den Wind aus den Segeln nehmen. Die neue UBS hätte damit den Fünfer und das Weggli.
Was bleibt, ist das mit der «Monsterbank» verbundene Klumpen- und Erpressungsrisiko. Auch in diesem Punkt sind die Verharmloser am Werk. Sie verweisen darauf, dass die UBS auch nach dem Zusammenschluss nur halb so gross sein werde wie vor der Finanzkrise von 2008. Das ändert nichts an der Tatsache, dass auch sie in Schieflage geraten könnte.
Faktisch bedeutet dies, dass die UBS auch in Zukunft eine Staatsgarantie haben wird, ob direkt durch den Bund oder indirekt via Nationalbank («Whatever it takes»). Karin Keller-Sutter sprach es ungeniert aus: «Wenn man in der Topliga bleiben will, wird man nicht umhinkommen, auch in Zukunft gewisse Risiken zu tragen. Das ist, in aller Offenheit, meine Beurteilung.»
Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass es bei einigen oberflächlichen Regulierungen bleiben wird, etwa bei den Vergütungen oder beim Eigenkapital, bei dem die Schweiz ohnehin die (eigentlich seit 2013 gültigen!) sogenannten Basel-III-Vorschriften umsetzen muss. Wie das konkret aussieht, konnte KKS nach wie vor nicht erklären.
Im Minimum aber braucht es eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK). Sie kann Einblick erhalten in die per Notrecht durchgedrückte Fusion. Damit wurden zentrale Unterlagen für geheim erklärt und dem Öffentlichkeitsprinzip entzogen. Wenn man Lehren für die Zukunft ziehen will, ist Transparenz über die begangenen Sünden unerlässlich.
In den letzten Tagen fühlte man sich wiederholt an das legendäre Zitat aus dem epochalen Roman «Der Leopard» von Giuseppe Tomasi di Lampedusa erinnert: «Alles muss sich ändern, damit es bleibt, wie es ist.» Für den Finanzplatz bedeutet dies: Die Politik soll sich austoben, damit die UBS weiterhin möglichst ungestört als Global Player agieren kann.
Nein Frau Bundesrätin. Die Bank darf nur noch einen Risiko eingehen den sie tragen kann! Und nehmt endlich die CEOs und VRs in die Pflicht. Diese Personen 'tragen' scheinbar die Verantwortung!
....schön wäre wenn WIR wirklich einfluss nehmen könnten
( können wir im begrenzten Rahmen nächsten Herbst)
Ihr meint sicher '10 kleine Jägermeister'
*Prost