Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hebt den Leitzins erneut an. Die Notenbank erhöht den sogenannten SNB-Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf 0,50 Prozent.
Mit dem Schritt wollen die Währungshüter dem erneut gestiegenen Inflationsdruck entgegenwirken, erklärte die SNB am Donnerstag. Zudem soll ein Übergreifen der Teuerung auf bisher weniger betroffene Waren und Dienstleistungen erschwert werden.
Es ist nicht auszuschliessen, dass weitere Zinserhöhungen nötig sein werden, um die Preisstabilität in der mittleren Frist zu gewährleisten, betonten die Währungshüter.
Die SNB hatte bereits Mitte Juni die Zinsschraube mit einem Schritt um einen halben Prozentpunkt erstmals seit fünfzehn Jahren wieder angezogen. Seither hat die Teuerung in der Schweiz weiter angezogen. Für den August 2022 wiesen die Statistiker eine Inflation von 3,5 Prozent aus, nach 3,4 Prozent in den Monaten Juni und Juli.
Damit sind die Negativzinsen der SNB nach beinahe acht Jahren Geschichte. Die Notenbank hatte diese am 18. Dezember 2014 eingeführt, zuerst mit einem Zins von –0,25 Prozent. Im Januar 2015 wurde der Leitzins mit der Aufgabe des Euro-Mindestkurses auf das rekordtiefe Niveau von –0,75 Prozent gesenkt.
Als einer der Vorreiter der geldpolitischen Wende gilt die US-Notenbank Fed, die ihren Leitzins bereits fünf Mal seit Beginn der Coronavirus-Pandemie erhöht hat, das letzte Mal am Vorabend. Der US-Leitzins liegt nun bei einer Spanne von 3,00 bis 3,25 Prozent.
Die Europäische Zentralbank (EZB) wiederum hatte vor zwei Wochen zur Bekämpfung der Rekordinflation die grösste Zinserhöhung ihrer Geschichte beschlossen. Der Leitzins im Euroraum stieg um 0,75 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent.
Die Schweizer Notenbank betonte am Donnerstag ausserdem ihre Absicht, bei Bedarf weiterhin am Devisenmarkt aktiv zu sein. Die SNB hatte 2021 für 21,1 Milliarden Franken Fremdwährungen gekauft.
Nen. Die SNB geht davon aus, dass sich die Inflationsdynamik in der Schweiz auch nach der heute kommunizierten Zinserhöhung nicht rasch abschwächt. Im Gegenteil erwartet sie für 2022 nun eine Jahresteuerung von 3,0 Prozent, wie sie am Donnerstag anlässlich der geldpolitischen Lagebeurteilung mitteilte.
Noch im Juni hatte die Prognose für die Inflation im laufenden Jahr nur auf 2,8 Prozent gelautet. Zur Erinnerung: Im August war die Inflationsrate in der Schweiz auf 3,5 Prozent geklettert.
Die Inflation wird laut der SNB nun bis im ersten Quartal 2023 bei 3,4 Prozent liegen. Danach soll sie sich allmählich abschwächen. Für das Gesamtjahr 2023 wird ein Wert von 2,4 Prozent (bisher: +1,9 Prozent), für 2024 von 1,7 Prozent (bisher: +1,6 Prozent) vorhergesagt. Bekanntlich peilt die SNB eine Inflation von höchstens 2 Prozent an.
Ohne die heutige Zinserhöhung wäre die Inflationsprognose deutlich höher, betonte die SNB in der Mitteilung vom Donnerstag. Die bedingte Inflationsprognose beruht damit wie immer auf der Annahme, dass der SNB-Leitzins über den gesamten Prognosezeitraum bei 0,50 Prozent bleibt.
Der jüngste Inflationsanstieg sei vor allem auf höhere Preise für Waren, insbesondere Energie und Nahrungsmittel, zurückzuführen, so die Mitteilung weiter.
Sieht nicht danach aus. Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) zum Beispiel beendet zwar die Ära der Negativzinsen für die betroffenen Kundinnen und Kunden nach der jüngsten SNB-Zinserhöhung. Eine Anhebung der Zinsen auf den Sparkonten sieht die grösste Kantonalbank der Schweiz allerdings derzeit nicht vor.
«Mit dem heutigen Entscheid der SNB endet die Weiterverrechnung der Negativzinsen bei der Zürcher Kantonalbank per morgen Freitag», sagte ein ZKB-Sprecher am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP. Im Gleichschritt würden auch die individuellen Freibeträge aufgehoben.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hatte am Donnerstagmorgen den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf 0,50 Prozent angehoben. «Damit bewegt sich der Leitzins zwar wieder im positivem Niveau, aber historisch betrachtet noch immer auf tiefem Niveau», so der ZKB-Sprecher.
Eine höhere Verzinsung der Spargelder sieht die Zürcher Kantonalbank offenbar noch nicht vor: Dies setze voraus, dass sich auch die Zinsen am kurzen Ende der Kurve wieder nachhaltig weiter in den positiven Bereich bewegten. Hier gelte es, weitere Zinsschritte der SNB abzuwarten. «Der nächste steht aller Voraussicht nach bereits im Dezember an.»
Die Prognose der Währungshüter für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr fällt tiefer aus. Sie prognostizieren einen Anstieg des Schweizer Bruttoinlandproduktes (BIP) von «rund 2 Prozent», nach bisher «rund 2,5 Prozent».
Die SNB erwartet in ihrem Basisszenario für die Weltwirtschaft eine «schwache Wirtschaftsentwicklung», wie es zur Begründung hiess. Bremsend wirke insbesondere die Energiesituation in Europa, die teuerungsbedingten Kaufkraftverluste sowie die strafferen Finanzierungsbedingungen.
Ein globaler Konjunkturabschwung, eine Zuspitzung der Gasknappheit in Europa sowie eine Strommangellage in der Schweiz stellten zudem zusätzliche Risiken dar. Darüber hinaus könne ein erneutes Aufflackern der Corona-Pandemie nicht ausgeschlossen werden.
An den Finanzmärkten hierzulande wirkt sich der Zinsentscheid der SNB in einer ersten Reaktion deutlich aus. Während die Aktien die frühen Verluste zuerst deutlich abbauen und dann ins Plus drehen, büsst der Franken sowohl gegenüber dem Euro als auch dem Dollar markant an Wert ein.
So ist der Euro von einem neuen Allzeittief am Morgen bei 0.9465 über die Marke von 96 Rappen geklettert, was einem Sprung von rund anderthalb Rappen entspricht. Der US-Dollar ist gleichzeitig auf deutlich über 97 Rappen gestiegen. Laut der ZKB dürften für die Abwertung des Frankens enttäuschte Erwartungen verantwortlich sein. Im Vorfeld der geldpolitischen Lagebeurteilung hätten manche ein noch forscheres Vorgehen der SNB erwartet.
Der Euro kostet aktuell 0.9613, nachdem er im frühen Geschäft noch ein Allzeittief von 0.9465 markiert hatte. Ein Sprung um anderthalb Rappen in die Höhe ist doch sehr ungewöhnlich. Der US-Dollar klettert gleichzeitig auf 0.9770 Fr., am Morgen wurde er noch zu 0.9622 gehandelt.
Die SNB geht davon aus, dass die heutige Zinserhöhung Folgen auf den Hypothekar- und Immobilienmarkt haben wird. «Ausblickend dürfte die Straffung der Geldpolitik auch zu einer Entspannung der Risikosituation beitragen», sagte SNB-Vizepräsident Martin Schlegel am Donnerstag anlässlich der geldpolitischen Lagebeurteilung.
Er räumte ein, dass dies bislang nicht der Fall gewesen sei. «Die Zinsentwicklung hatte bisher wenig Auswirkungen auf das Wachstum am Hypothekar- und Immobilienmarkt», so Schlegel. So seien die Preise für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen weiter gestiegen. Auch das Hypothekarvolumen habe weiter zugenommen.
Ein möglicher Grund für diese Entwicklungen liegt laut Schlegel darin, dass die effektiven Zinskosten für Immobilienkäufe aufgrund der Verschiebung von Festhypotheken zu Saron-Hypotheken nur leicht gestiegen sind.
Immerhin habe es zuletzt Anzeichen für eine Abschwächung im Segment der Wohnrenditeliegenschaften gegeben. «Die verfügbaren Daten für Mehrfamilienhäuser deuten auf einen leichten Preisrückgang im zweiten Quartal hin», sagte Schlegel.
Er erinnerte ausserdem daran, dass per Ende September der antizyklischen Kapitalpuffer reaktiviert wird. Dies solle dazu beitragen, die Widerstandskraft des Bankensystems aufrechtzuerhalten.
(aeg/sda/awp)