Tragetaschen, Gemüsesäckli, Folien, Früchteschalen, Guetzliverpackungen, Plastikbecher oder Nachfüllbeutel – alles besteht aus Plastik. Aufgrund der vielseitigen Anwendungen ist das Produkt weiterhin sehr beliebt. Das Problem ist nur: Es ist auch sehr langlebig. In den Weltmeeren liegen gemäss Schätzungen schon 150 Millionen Tonnen. Und es werden jährlich mehr. Eine Plastikflasche bleibt rund 450 Jahre am Meeresgrund.
In Westeuropa rechnet man mit einem Plastik-Pro-Kopf-Verbrauch von rund 150 Kilogramm. Das Bedürfnis, dass man Plastik separat sammelt, steigt in der Schweiz. Doch noch existieren längst nicht überall zertifizierte Sammelstellen. Und es kann auch nicht jeder Plastik wiederverwertet werden.
Eine kürzlich erschienene Umfrage zeigt, dass rund 75 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer besorgt über den Plastikmüll in Meeren und an Stränden sind. Wir zeigen, wo die Schweiz aktuell steht.
Schweizweit werden in der Schweiz jährlich rund eine Million Tonnen Kunststoffe verbraucht, schreibt das Bundesamt für Umwelt BAFU. Rund 780'000 Tonnen Kunststoffabfälle entstehen dadurch jährlich. 80 Prozent davon landen in Kehrrichtverbrennungsanlagen, sechs Prozent werden in Zementwerken energetisch verwertet. Nur rund 80'000 Tonnen werden rezykliert. Das Potenzial ist also gross.
In der Schweiz hat sich der Verein Schweizer Plastic Recycler VSPR auf die Fahne geschrieben, die Wegwerfgesellschaft zu beenden. «Bis 2030 sollen in der Schweiz 50 Prozent aller Kunststoffe aus dem Haushalt und weitere Kunststoffe aus dem Gewerbe und der Industrie primär einer stofflichen Verwertung zugeführt werden», schreibt dieser auf seiner Website. 2019 führte der VSPR darum mit der Recycling-Firma InnoRecycling und Kunststoffsammelsack sowie mit öffentlich-rechtlichen Ostschweizer Abfallzweckverbänden ein neues Label ein, welches garantiert, dass abgegebener Plastik fachgerecht weiterverarbeitet wird.
Zudem soll die Kunststoffsammlung standardisiert werden, damit sie sich schweizweit etablieren kann. Aktuell zeigt sich ein ziemliches Mosaik, wo und durch welchen Anbieter Plastik gesammelt werden kann (siehe auch Punkt 4). Der VSPR hat darum eine Charta für das Plastikrecyling in der Schweiz erstellt und verteilt Gütesiegel an Unternehmen. Dieses garantiert Konsumentinnen und Konsumenten, dass aus ihrem Plastikabfall auf sinnvolle Weise neue Rohstoffe erschaffen werden.
Im März 2021 wurde die «Motion Dobler» (Förderung der Kreislaufwirtschaft) angenommen. Eine schweizweite Sammlung von Kunststoffabfällen soll kommen. Mehr dazu im letzten Punkt.
Schweizerinnen und Schweizer sind grosse Abfalltrenner. Rund 50 Prozent der Siedlungsabfälle werden rezykliert. Der Rest kommt in die Kehrichtverbrennungsanlage. Gemäss diversen Studien lässt sich die Umweltbelastung einer modernen Anlage um 40 bis 80 Prozent reduzieren, wenn Kunststoff-Recycling genutzt wird. Pro Kilogramm wiederverwerteten Kunststoff spart man 2,83 kg CO₂ gegenüber der Verbrennung ein.
Moderne Sortieranlagen lassen eine wirtschaftlich und ökoeffiziente Sortierung zu. Die Schweiz besitzt keine solche für gemischte Kunststoffabfälle aus Haushalten. Die nächstgelegene befindet sich in Voralberg (Ö). Aktuell lohnt sich eine eigene solche Sortieranlage nicht. Dafür werden rund 20'000 Tonnen benötigt.
Der Verein Schweizer Plastik Recylcer weist seit 2019 die Mengen von gesammeltem Plastik aus. Im letzten Jahr wurden dabei rund 60 Prozent mehr gesammelt als noch 2019.
94,4 Prozent der gesammelten Menge waren Zielartikel (Flaschen, Becher, Schalen, Folien) und konnten weiterverarbeitet werden. Zwei Prozent waren PET-Getränkeflaschen, welche nicht primär in der Plastiksammlung gesammelt werden.
Im Jahr 2021 konnten gemäss dem VSPR-Monitoringbericht 4429 Tonnen Rezyklate zurückgewonnen werden. Der grösste Anteil (52 %) davon besteht aus Polyethylen (PE), danach folgen PET (21 %), Polypropylen (PP) mit 19 Prozent und Polystyrol (PS, 7 %).
Weitere 3604 Tonnen waren energetisch verwertete Anteile. Diese konnten mehrheitlich Kehrrichtverbrennungsanlagen und Zementwerken zur Verarbeitung weitergegeben werden.
Ende Oktober gab es in der Schweiz rund 500 Gemeinden, welche eine vom VSPR zertifizierte Sammelstelle anboten.
Auffällig ist, dass im Thurgau oder Uri alle Gemeinden solche Sammelstellen in Betrieb haben. In anderen Regionen, die zertifizierte Sammlung dagegen noch kaum verbreitet ist. Mit ein Grund dafür sind Systembetreiber, welche meist sehr regional tätig sind. Das oben erwähnte Mosaik von verschiedenen Anbietern zeigt sich auf der Karte deutlich. Zudem wurde das Label 2019 im Thurgau gestartet. In der Romandie ist dieses gemäss dem VSPR noch zu wenig bekannt.
Wenig überraschend sind die grössten Plastiksammler auch im Kanton Uri zu finden. 2021 lieferte er rund 4,1 Kilogramm pro Person.
Doch warum ist die Plastiksammlung nicht schweizweit geregelt? Der Verein sah eine solche 2020 durchaus als Priorität, aber er spürte schnell Gegenwind seitens der Monopolinhaber – in diesem Fall den Gemeinden. Denn Kunststoff gehört zum Siedlungsabfall und darf diesem ohne eine Konzession nicht entzogen werden.
Im Mai 2021 lancierte die Migros in der Zentralschweiz ebenfalls einen Plastik-Sammelsack. Ab August wurde das Angebot auch auf die Migros Genossenschaften Fribourg und Waadt ausgeweitet. Mittlerweile ist sowohl der Migros-Genossenschafts-Bund, als auch der Zentralschweizer Gemeindeverband REAL mit dem Label ausgezeichnet worden.
Es geht aber auch auf nationaler Ebene etwas. Im März 2021 wurde die Motion «Förderung der Kreislaufwirtschaft» von Nationalrat Marcel Dobler im Ständerat angenommen. Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wann und wie eine nationale Sammlung kommt.
Zudem wurde die parlamentarische Initiative «Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken» der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates eingereicht. Im Juni 2022 wurde hier im Nationalrat eine Fristverlängerung bis zur Sommersession 2024 gesprochen. Im Kanton Zürich wurde der Gegenvorschlag zur «Kreislauf-Initiative» im September 2022 mit 89 Prozent der Stimmen angenommen.
Der Verein Schweizer Plastik Recycler führte am Mittwoch, 30. November die fünfte «Verwert-Bar» durch, wo Expertinnen und Experten aus der Wirtschaft und Politik zentrale Fragen beantworteten. Dabei wurde klar, dass die Challenge die Koordination und Harmonisierung bleibt.
Swiss Recycling rief die «Sammlung 2025» ins Leben. «Dabei arbeiten Organisationen entlang der ganzen Wertschöpfungskette an einer Kreislaufwirtschaft für Kunststoffverpackungen und Getränkekartons», wie Mediensprecherin Viviane Weber auf Anfrage schreibt.
Aktuell sei man «mitten im Prozess vom Aufbau eines nationalen Sammel- und Recyclingsystems von Kunststoffverpackungen und Getränkekartons mit entsprechender Organisation und Finanzierungslösung.» Damit eine breit akzeptierte Lösung gefunden wird, sind alle Akteure der Wertschöpfungskette mit dabei. «Anfang 2023 sollen die Voraussetzungen für das schweizweit koordinierte System geklärt sein und ein Aufbau ermöglicht werden.»
Wie die schweizweite Plastiksammlung einst aussehen wird, ist aktuell noch unklar. Genauso, wann es denn tatsächlich losgehen wird. Im Jahr 2023 dürften Details geklärt werden.