Plastik ist der Prügelknabe des 21. Jahrhunderts. 600 Tonnen Mikroplastik landen pro Jahr in Schweizer Böden. 15 Tonnen in den hiesigen Gewässern. Das zeigt eine Studie der Empa von 2019.
Die jüngste Meta-Studie zu Plastik zeichnet ein noch düsteres Bild: 86 bis 150 Millionen Tonnen Plastik liegt in den Weltmeeren. Bis 2050 könnte sich diese Menge vervierfachen. Davor warnt der WWF, der das Alfred-Wegener-Instituts (AWI) beauftragte, 2500 Studien zu Plastik auszuwerten.
«Die Kunststoffproduktion wird sich bis 2040 voraussichtlich mehr als verdoppeln. In der Folge vervierfacht sich grösseres Makroplastik im Ozean in den nächsten dreissig Jahren. Dieses zersetzt sich in immer kleinere Teile bis hin zu Mikro- und Nanoplastik. Bis zum Ende des Jahrhunderts droht die Menge des marinen Mikroplastiks, um das 50-fache zuzunehmen», so Axel Hein, Meeresexperte des WWF Österreich.
Die Politik ist sich der Problematik bewusst. 2019 stimmte das EU-Parlament umfassenden Plastikregulierungen zu. Seit Juli 2021 dürfen Strohhalme, Besteck, Teller oder Becher aus Plastik in EU-Ländern nicht mehr produziert werden. Auch der Import ist verboten. Solange es die Einwegprodukte aber noch an Lager gibt, dürfen sie verkauft werden.
Die Plastikverordnung der EU sieht zudem neue Regeln für PET-Flaschen vor. Ab 2024 muss der Deckel von PET-Flaschen fix an der Flasche angebracht sein. So soll verhindert werden, dass nicht nur die Flasche, sondern auch der Deckel recycelt wird. Die Schweiz würde diese Regelung ebenfalls betreffen. Die Schweizer Getränkehersteller rüsten bereits um. «Der Schweizer Markt ist zu klein, als dass sich eine separate Produktion lohnen würde», sagte Michael Krüger, Chef der Schweizer Firma Corvaglia gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Corvaglia ist der weltweit grösste Hersteller von Getränkedeckelhalter.
Auch in diversen Schweizer Kantonen geht es dem Plastik an den Kragen: In Basel-Stadt dürfen seit dem 1. September 2019 Getränke und Esswaren nur in Mehrweggeschirr verkauft werden. In Genf sind seit Anfang 2020 Einwegprodukte wie Trinkröhrli, Besteck oder Becher verboten.
Schlecht seien solche Regulierungen, wie es sie in der EU oder in den Kantonen gibt, nicht, sagt Denise Mitrano. «Die Verbote bringen die Öffentlichkeit dazu, das Problem der Plastikverschmutzung anzuerkennen.» Mitrano ist Umwelttechnikerin und Professorin an der ETH. Dort untersucht sie, welche Auswirkungen menschengemachte Materialien wie Plastik auf die Umwelt haben. «Solche spezifischen Verbote fühlen sich zwar gut an. Aber diese gezielten Massnahmen werden nicht verhindern, dass Plastik in die Umwelt gelangt», sagt Mitrano.
«Ich würde mir einen ganzheitlicheren Ansatz im Kampf gegen Plastik wünschen – nicht nur Verbote. Es ergibt wenig Sinn, die Verschmutzung der Umwelt isoliert zu betrachten.»
Bei der Produktion von Plastik werde auch sehr viel CO2 ausgestossen. Oder viele Industrieländer würden ihren Plastikabfall in Entwicklungsländer exportieren. Dort seien die Recycling-Prozesse weniger stark reguliert. «Wir müssen unser Verhältnis zum Kunststoff grundsätzlich überdenken», schliesst Mitrano.
«Die Plastikverschmutzung ist ein komplexes Problem, für dessen Lösung es keine klar umrissene Lösung gibt, sondern viele Strategien gleichzeitig braucht», so Mitrano weiter.
Komme hinzu, dass die Auswirkungen des Plastiks und Mikroplastiks in der Umwelt noch zu wenig erforscht sei. Der grosse Teil der Studien fokussiere auf die Feststellung des Plastiks in der Umwelt oder darauf, wie er in die Flüsse und Meere gelange. «Wir können aber noch nicht abschliessend beantworten, was der Plastik in der Umwelt anrichtet. Sondert er Giftstoffe und Chemikalien ab? Verändert der Plastik die Struktur und Prozesse im Boden? Oder verändert der Mikroplastik im Meer das gesamte Ökosystem? Das muss alles noch genau untersucht werden.»
Mitrano will, dass über weitreichende Veränderungen von Kunststofftypen diskutiert wird. Deren Herstellung, Verwendung und Entsorgung soll so weiterentwickelt werden, dass die Umweltverschmutzung eingedämmt und Umweltauswirkungen während des gesamten Lebenszyklus des Plastiks minimiert werden. «Dafür muss das Gleichgewicht in verschiedenen Bereichen der Kunststoffproduktion optimiert werden. Denn sie sind auch in Zukunft ein wesentlicher Bestandteil unseres modernen Lebensstils», so Mitrano.
Schade Watson, dass das nicht thematisiert wurde.
Wenn man die Verbote als nicht ausreichend erklärt, dann muss man aber auch einen Schritt weitergehen und Alternativen aufzeigen.
Natürlich bewirken Verbote etwas, aber nur sehr minim. Zielführender wäre die Förderung von Entsorgungskonzepten im asiatischen Raum und ein Verbot von Kunststoffexport in Ländern ohne funktionierendes Abfallmanagement.
Die ganzen Röhrli-Verbote sind doch ehrlich gesagt mehr psychologisch damit wir das Gefühl haben etwas zu ändern aber unterm Strich genau gleich weiterleben.