Ja, es gibt sie: die «guten» Life-Coaches. Jene, die keine Scharlatane sind. Die nicht den Einstieg in eine Sekte bedeuten. Die ihrer Kundschaft tatsächlich weiterhelfen können, ohne auf deren Leichtgläubigkeit zu bauen. Das sagt Eric Lippmann. Er ist Professor für angewandte Psychologie an der ZHAW und war von 2002 bis 2024 Leiter des Studiengangs Coaching.
Lippmann gibt allerdings zu: Diese «guten» Life-Coaches in einem so undurchsichtigen Markt zu finden, in dem sich Verfechter von Pseudowissenschaften und Gurus tummeln, ist gar nicht so einfach.
«Hellhörig sollte man immer werden, wenn Heilversprechen gemacht werden», sagt Lippmann. Die klare Abgrenzung des Coachings zur Psychotherapie sei das A und O. Das unterscheide einen seriösen Anbieter von einem unseriösen. Diese Grenze sollte Lippmann kennen wie kein anderer. Bevor er selbst anfing, Privatpersonen und Firmen im beruflichen Kontext zu coachen, führte er zehn Jahre lang als Psychologe Familientherapien durch.
«Das Setting und die Fragestellungen, mit denen man in der Therapie und im Coaching konfrontiert ist, sind zwar ähnlich», sagt Lippmann. Aber in seinen Coachings gehe er nie so sehr in die Tiefe, wie er es in einer Psychotherapiesitzung getan hätte. Und er würde auch nie Krankheitsbilder behandeln, sondern jeweils ein klares Ziel verfolgen. Ein Ziel, das sich entweder sein Kunde selbst gesetzt hat oder aber dessen Vorgesetzte. Denn Lippmann führt häufig auch Coachings im Auftrag von Unternehmen durch, die beispielsweise ihre Führungskräfte weiterbilden möchten.
Viele Anbieter, insbesondere private Coaching-Ausbildungsstätten, geben an, diese Grenze einzuhalten. Sie betonen: Sie würden nur mit «gesunden Menschen» arbeiten.
Grundsätzlich stimmt Lippmann dieser Haltung zu. Findet sie gleichzeitig aber auch realitätsfern. «Was bedeutet schon gesund?», fragt Lippmann. Mentale Gesundheit sei ein Spektrum. Je nachdem, wo man sich darauf befinde, könne man gleichzeitig eine psychische Störung haben und trotzdem «coachbar» sein. Weil man im Coaching die Themen, die in eine Psychotherapiesitzung gehörten, gar nicht behandeln würde. Und zwar aus einem simplen Grund:
Die Haltung, dass sich Coaches nur auf den beruflichen Kontext konzentrieren sollen, vertritt auch der Berufsverband für Coaching, Supervision und Organisationsberatung BSO. Lippmanns Tipp an alle, die auf der Suche nach einem Coach sind, lautet deshalb:
Dieser stelle und überprüfe Qualitätsstandards bei Coaches in der Schweiz. So brauche ein Coach beispielsweise ein eidgenössisches Diplom in Coaching, Organisationsberatung oder Supervision, um Mitglied werden zu können.
Die BSO-Anerkennung allein ist allerdings noch keine Garantie für ein gutes Coaching, hält Lippmann fest. Denn:
Lippmann vergleicht Coaches mit Chirurgen: Ein Chirurg könne zwar über alle Ausbildungen und Anerkennungen verfügen. Aber eine Herz-OP wolle man trotzdem lieber bei jenem machen, der regelmässig solche durchführe. Lippmanns zweiter Tipp ist deshalb:
Damit meint Lippmann aber explizit nicht die Empfehlungen, die man online findet. Etwa auf Google. Wie schon der erste Teil dieser Serie zeigen konnte, sind beispielsweise in der Stadt Zürich so gut wie alle Life-Coaches auf Maps mit fünf Sternen bewertet.
Von diesen Online-Bewertungen hält Lippmann nichts. «Sie lassen sich ganz einfach kaufen oder manipulieren, indem schlechte Bewertungen einfach gelöscht werden.» Lippmann würde auf Empfehlungen aus dem eigenen Umfeld vertrauen, mit Leuten sprechen, die beim einen oder anderen Coach schon Erfahrungen gesammelt haben. Doch auch dieser Ansatz könnte seine Tücken haben.
Es gibt zahlreiche Menschen, die positive Erfahrungen mit Life-Coaches machen, die sich nicht an Lippmanns Definition von «seriösen» Coachings halten. Life-Coaches, die Heilversprechen machen, mit pseudowissenschaftlichen und esoterischen Methoden hantieren, die sich in ihren Coachings nicht auf den beruflichen Kontext beschränken, gar angeben, ernstzunehmende psychische Krankheiten wie Schizophrenie heilen zu können. Und deren Kundinnen und Kunden trotzdem begeistert sind.
Das zeigten zahlreiche Mails und Kommentare, die unsere Redaktion auf die ersten beiden Teile dieser Serie erhielt. Ein Leser schrieb: «Mein Coach hat auch keine psychologische Ausbildung gehabt, aber hat mir trotzdem mehr helfen können, meine Traumata zu bewältigen, als die Psychologen vor ihm.» Ein anderer meinte:
Und eine Person schrieb in unseren Kommentaren gar:
Wie kann es sein, dass gemäss Lippmanns Definition «unseriöse Life-Coaches» der Kundschaft nachhaltig helfen? Auch darauf hat Lippmann eine Antwort:
Das heisst: Coachings würden den Kundinnen und Kunden nur schon deshalb helfen, weil diese daran glaubten, dass es helfe. So wie Globuli gegen Prüfungsangst, Liebeskummer und Schnupfen helfen können, solange man daran glaubt.
Es gibt aber noch zwei weitere Gründe, weshalb selbst unseriöse Life-Coaches den Menschen helfen können. Selbst mit esoterischen und pseudowissenschaftlichen Theorien wie die Coach Akademie Schweiz, die wir im zweiten Teil dieser Serie undercover getestet haben. Ein Grund ist das Verhältnis zwischen Coach und Coachee. «Dieses ist von Anfang an anders als in der Psychotherapie», hält Lippmann fest.
Seinen Coach suche man sich meistens selbst aus. Bei der Psychotherapie sei das häufig nicht möglich. Einfach aufgrund der wenigen Therapieplätze. «Da kann es schon sein, dass es menschlich zwischen Therapeut und Patient nicht so passt, zwischen Coach und Klient hingegen schon», sagt Lippmann. Dass sich jemand in der Therapie oder eben im Coaching wohlfühle, habe einen grossen Einfluss darauf, wie hilfreich die Sitzungen empfunden würden.
Der zweite Grund: «Es tut uns Menschen grundsätzlich gut, von jemandem ernst genommen und gehört zu werden. Und es tut uns grundsätzlich gut, uns mit uns selbst auseinanderzusetzen.» Deshalb Lippmanns Fazit zu esoterisch angehauchten Life-Coaches:
Dasselbe gilt aus Lippmanns Sicht für die diversen Life-Coach-Ausbildungsstätten.
Qualifikationen und Zertifikate, nachweisbare Erfahrung, klare Informationen zu Methoden und Preisen, keine unrealistischen Heilversprechen. Positive Referenzen von früheren Klienten, professionelle Website, seriöse Kommunikationskanäle, klare Abgrenzung zu Psychotherapie, schriftlicher od. mündliche Vertrag, Datenschutz- und Vertraulichkeit geregelt. Mitglied bei SCA, BSO, ICF, eidgen. Berufsprüfung, höhere Fachprüfung. Aylin, bitte besuche noch eine seriöse Begleitungsperson und berichte.