Manche Menschen vollziehen in einer solchen Geschwindigkeit weltanschauliche, geistige, religiöse oder politische Metamorphosen, dass den Beobachtern schwindlig wird. Ist eine dieser Personen ein Promi mit Einfluss auf seine grosse Fangemeinde, gefriert die Verwunderung zu einem kalten Lächeln.
Und man fragt sich: Was zum Teufel ist in ihn oder sie gefahren?
Ein Paradebeispiel liefert aktuell der bekannte englische Schauspieler und Comedian Russell Brand. Der einstige Revolutionär und bekennende Marxist liess sich kürzlich von einem freikirchlichen Pastor taufen. Gleichzeitig verkauft er magische Amulette und verbreitet Verschwörungstheorien.
Der linke Freigeist mutierte fast über Nacht zum esoterischen Christen und schwurbelnden Populisten mit einem starken Rechtsdrall. Mehr Metamorphose geht kaum.
Am Anfang des Wandels waren Frauen. Einmal mehr. Der Schönling, der auf X 11 Millionen Follower hat, leidet offenbar unter einem überschäumenden Testosteronspiegel, gepaart mit Allmachtsphantasien.
Konkret: Mehrere Frauen erklären, sie seien vom Schauspieler sexuell genötigt, vergewaltigt oder emotional missbraucht worden. Ob sie eine Strafanzeige eingereicht haben, ist nicht gesichert.
Verschiedene Medien berichteten, die britische Polizei untersuche die Vorwürfe gegen Brand. Ausserdem soll ein Opfer Anfang Oktober in New York eine Klage eingereicht haben. Es gilt natürlich die Unschuldsvermutung, die Vorwürfe sind jedoch gewichtig.
Vier Frauen outeten sich in einem Dokumentarfilm des englischen TV-Senders «Channel 4» als Opfer des 49-jährigen Komikers. Brand gibt zu, dass er früher «sehr promiskuitiv» und sexsüchtig gewesen sei. Seine sexuellen Eskapaden seien aber immer einvernehmlich gewesen.
Der Schauspieler, der früher mit Katy Perry verheiratet war, weist die Anschuldigungen weit von sich. Man kennt die Strategie, doch es fehlt der Glaube, sie für plausibel zu halten.
Am meisten Bauchweh dürfte ihm eine Frau machen, die behauptet, der Schauspieler habe sie missbraucht, als sie 16 Jahre alt gewesen sei. In der Fernsehsendung sagte sie, Brand habe sie auf dem Londoner Leicester Square angesprochen und sie von einem Dienstwagen des Senders BBC, für den er gearbeitet hatte, von der Schule abholen lassen. Sie habe Brand gesagt, dass sie noch Jungfrau sei. Dies habe ihn erst recht angetörnt.
Der Komiker weiss natürlich, was ihm bei einem allfälligen Gerichtsverfahren blüht. Deshalb kann man nachvollziehen, dass er bei einer übernatürlichen Macht Halt, Trost und Unterstützung sucht.
So mutierte der Atheist zum gläubigen Christen und liess sich im April von einem freikirchlichen Pastor in der Themse taufen. Es sei eine unglaubliche, tiefgreifende und überwältigende Erfahrung gewesen, erklärte er in einem Video.
Der Schauspieler könnte sich nun den Richtern als reuigen Sünder präsentieren, der von Jesus auf den richtigen Weg geführt wurde. Verbunden mit der Hoffnung auf mildernde Umstände.
Irritierend ist allerdings, dass er gleichzeitig eine esoterische Schlagseite entwickelte. So legte er schon kurz nach der Taufe Tarotkarten. Und auf den sozialen Plattformen pries er ein Amulett an, das angeblich vor schädlichen Strahlen aller Art und bösen Energien schützen soll. Kostenpunkt des wertlosen Flunders: stolze 210 Franken.
Weiter entwickelte Brand in jüngster Zeit einen Hang zu Verschwörungstheorien. So fragt er sich, ob bei den Anschuldigungen der Frauen und den Berichten in den internationalen Medien noch andere Absichten im Spiel seien.
Er spricht von einem «koordinierten Angriff» auf seine Person und mutierte zum Fan des Schwurblers Elon Musk. Ausserdem gibt er neustens Wahlempfehlungen für Donald Trump ab.
Weshalb Brand, dem früher nichts heilig war, zum christlichen Influencer mutierte, verrät er nicht. Deshalb liegt die Vermutung nahe: Im Notfall frisst der Teufel Fliegen und geht mit Gott einen Pakt ein.