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Drogen und Tantra sind eine toxische Kombination

Der kürzlich verstorbene Psychiater Samuel Widmer und seine Frau Danièle, die nun die Kirschblütengemeinschaft führt.
Der kürzlich verstorbene Psychiater Samuel Widmer und seine Frau Danièle, die nun die Kirschblütengemeinschaft führt.
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Aussteigerin: «Drogen und Tantra sind eine toxische Kombination»

Interview mit der Autorin Ariela Bogenberger, die den Ausstieg aus der Kirschblütengemeinschaft des Psychiaters Samuel Widmer schaffte.
22.07.2017, 08:3317.09.2019, 15:09

Die erfolgreiche deutsche Autorin Ariela Bogenberger hat rund 20 Jahre lang Kurse und Drogentherapien beim kürzlich verstorbenen Lüsslinger Psychiater Samuel Widmer besucht. Der Arzt war der spirituelle Meister der Solothurner Kirschblütengemeinschaft. Er führte Drogentherapien in Grossgruppen durch und betrachtete LSD, Ecstasy und andere Drogen als Türöffner zur Seele.

Die Aussteigerin Ariela Bogenberger.
Die Aussteigerin Ariela Bogenberger.

Am nächsten Dienstag strahlt der Bayrische Rundfunk um 22.30 Uhr einen Dokumentarfilm über Ariela Bogenberger aus, die den Ausstieg aus der Kirschblütengemeinschaft schaffte. Im Interview mit watson spricht die Autorin über ihren Ausstieg und ihre leidvolle Zeit bei Widmer.

Was motiviert Sie, mit Name und Gesicht Ihre Geschichte mit dem Schweizer Psychiater Samuel Widmer und seinen Drogentherapien öffentlich zu machen?
Ariela Bogenberger: Mir ist klar geworden, dass die Drogenabgabe und -einnahme im Untergrund gefährlich ist. Es gab dabei schon Tote und Verletzte. Widmers Therapie ist ja identisch mit seiner Lehre: Werdet euer Ego los, dann gibt es auch keine psychischen Störungen mehr.

Wie gross ist die Szene um Widmer und die Kirschblütler?
Es gibt im grossen Umfeld von Widmer ein paar tausend Leute mit langjährigen Drogentherapie-Erfahrungen, doch niemand schaut hin. In diesem Dunstkreis wird so vieles geheim gehalten, dass es dringend eine öffentliche Debatte braucht. Vor allem Ärzte sollten sich zu Wort melden, die nicht mit Widmers Lehre und Praktiken übereinstimmen. Ich frage mich, weshalb die Behörden diese Auseinandersetzung nicht führen wollen.

«Im Rauschzustand würde man auch einen Nasenbären für einen Erleuchteten halten.»
Ariela Bogenberger

Im Fernsehbeitrag vom nächsten Dienstag charakterisieren Sie die Kirschblütengemeinschaft von Lüsslingen SO als Sekte. Welche Aspekte sind für Sie besonders sektenhaft?
Widmer spricht selbst von der «guten Sekte». Das klingt wie die gute Diktatur. Es ist ein hierarchisches System, auch wenn Widmer und seine Frau Danièle, die nun Kopf der Gemeinschaft ist, immer von Liebe sprachen. Demokratisch ist das nicht. Widmer wurde als Autorität in allen Belangen verehrt. Als Lehrer und Meister, der für alle Probleme dieser Welt die perfekten Lösungen zur Hand hat. Die Drogen sind dabei mächtige Mittel zur Manipulation. Im Rauschzustand würde man auch einen Nasenbären für einen Erleuchteten halten.

Wie liefen die Drogentherapien ab, welche Funktion hatte dabei die Sexualität?
Darüber möchte ich eigentlich nicht reden. Das tut weh. Tantra mit Drogen ist toxisch. Drogen reissen wichtige Grenzen nieder. Auch die Idee, dass ohne Ego alles besser sei, führt zu schmerzlichen Prozessen.

Wie muss man sich die Abhängigkeiten vorstellen?
Wie bei jedem Kult oder bei jeder ausschliesslichen Heilslehre. Widmer unterscheidet die Durchschnittsmenschen von den Kriegern. Alle, die nicht den Kriegerweg gehen, sind arme Socken, die «die Liebe» verpassen. Verräter gibt es bei dieser Weltsicht auch. Das wäre dann ich, zum Beispiel. Und da sind die Indoktrination, «undue influence» (unzulässige Beeinflussung) und Manipulationen. Es wäre wichtig, diese Phänomene zu erforschen. In Bayern, wo ich wohne, gibt es rund 1500 sektenartige Gruppen. Kommt hinzu, dass sich viele Ärzte und Therapeuten in Widmers Dunstkreis bewegen. Zu diesen steht man ja sowieso in einer Abhängigkeit.

Sie haben 20 Jahre lang an den umstrittenen Kursen und Drogentherapien teilgenommen. Was hat dies mit Ihnen und Ihrer Persönlichkeit gemacht?
Das Bedrückende ist, dass ich das nicht weiss. Ich würde das auch nicht mehr als Therapien bezeichnen! Es sind bestenfalls Rituale. Die auch anders durchgeführt werden als die Drogensitzungen in den sogenannten Studien. Widmer mischte Drogen, hauptsächlich MDMA und LSD, und gab sie an sehr viele Leute auf einmal ab. So auch an seine Schüler.

Wie haben Ihre Familie und Freunde auf Ihre mentale Veränderung reagiert?
Die Anhänger der Kirschblütengemeinschaft sprechen nicht mehr mit mir und erzählen komische Sachen über mich. Ich vermisse die Freunde, die ich dort hatte. Das sind sensible, idealistische Menschen. Mir bleibt nur, mit Blumenstrauss und rotem Teppich «draussen» auf sie zu warten. Denn die Welt ausserhalb der Gemeinschaft ist schöner und liebevoller, als sie aussieht, wenn man noch in der Widmer-Zuckerwatte-Welt festklebt.

«Ich glaube nicht mehr an spirituelle oder politische Führer.»
Ariela Bogenberger

War Samuel Widmer, der vor ein paar Monaten verstarb, für die Teilnehmer ein spiritueller Meister oder wurde er gar als Guru verehrt?
Die Frage verstehe ich nicht so ganz. Was wäre der Unterschied? Gegenfrage: Ist das Konzept, dass es Erleuchtete gibt, nicht weit verbreitet? Wenn es Erleuchtete gibt, dann folgt man ihnen, um selbst erleuchtet zu werden, richtig? Das sehen viele so, auch wenn sie es nicht konkret umsetzen. Zumeist folgt man blind, weil man ja vertrauen muss. Das ist ein wesentlicher Teil der Lehrer-Schüler-Beziehung und wird in fast allen spirituellen Gemeinschaften so praktiziert. Ich für meinen Teil glaube nicht mehr an Führer. Weder an spirituelle noch an politische.

Wann begannen Sie am System Widmer zu zweifeln?
Als ich realisierte, dass Widmer sich selbst nicht an seine Lehre und Dogmen hielt, die er uns vermittelte.

Was war der schwierigste Aspekt beim Ausstieg?
Mir einzugestehen, dass ich mich getäuscht habe. Das habe ich mit vielen Aussteigern gemeinsam. Die Lehre ist nicht das Entscheidende. Sekten oder Kulte dienen der Bereicherung der jeweiligen Führer. Sie nähren sich vom Geld und der Bewunderung ihrer Gefolgschaft.

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Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
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88 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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dath bane
22.07.2017 10:24registriert April 2015
Wow. Dort draussen gibts Tantra-Orgien auf LSD und ich versiffe hier vor dem Computer. :(
110
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Zum Kommentar
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Saraina
22.07.2017 09:02registriert August 2016
Komisch, ausser dass es eine Sekte ist, aus der sie sich entfernt hat, habe ich von diesem Interview gar keinen Inhalt erfahren. Was war denn das Problem? Wieso ist sie gegangen? Wo denkt sie, habe dienTeilnahme ihr geschadet? Wieso ist sie nicht vorher gegangen?
40
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Michael Mettler
22.07.2017 10:14registriert Februar 2014
Das Interview ist nicht gut:

Was sollen die Recherchefragen?
Mehrfachfragen verwirren.
Keine roter Faden vorhanden.
Praktisch kein nachfragen.
Beim nicht beantworten von Fragen wird nicht nachgehakt.

Nicht genügend. Und das bei diesem Thema!
50
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