Der Zürcher AL-Stadtrat Richard Wolff hat genug: Der 63-Jährige will bei den Stadtratswahlen 2022 nicht mehr antreten. Wolff ist seit 2013 Stadtrat, in jüngster Vergangenheit galt er zunehmend als amtsmüde.
Den Entscheid, nicht mehr anzutreten, habe er seit längerem gefasst, sagte Wolff vor den Medien. «Das ist keine Tageslaune.» Sein engstes Umfeld und die Parteileitung hätten schon lange gewusst, dass diese Legislatur seine letzte sein werde. «Die Zeit ist reif, ein grosses Kapitel in meinem Leben abzuschliessen.»
Die Zeit als Stadtrat habe er «fast immer genossen». Das letzte Jahr wolle er nun voller Energie angehen. Vor allem in Sachen Verkehrspolitik will er nicht zur «Lame Duck» werden. «Der Strassenverkehr muss weiter beruhigt werden.» Er will sich auch in seinem letzten Jahr für Temporeduktionen einsetzen, Strassenräume neu organisieren und mehr Platz für Fussgänger schaffen.
«Wir bedauern den Entscheid ausserordentlich, dass er nicht mehr kandidieren will», sagte AL-Kantonsrat Markus Bischoff. Seine Amtszeit habe nicht nur der Stadt sondern auch der AL gutgetan.
Bei der AL haben sich allerdings noch nicht alle damit abgefunden, dass die AL mittlerweile mitregiert. Es gibt nach wie vor Stimmen, die dagegen sind, dass die Partei im Stadtrat sitzt.
Am 30. März will die Partei an einer Vollversammlung deshalb zuerst entscheiden, ob die AL überhaupt in den Stadtratswahlkampf steigt. Für den Vorstand ist aber klar, dass die AL mitregieren soll. Es brauche diese manchmal unbequeme Stimme, die nicht im rot-grünen Mainstream mitschwimme, sagte Bischoff dazu.
Falls sich die Partei zum Mitregieren entscheidet, wird sie am 20. April dann einen Kandidaten oder eine Kandidatin küren. Zur Auswahl stehen die beiden Gemeinderäte Olivia Romanelli und Walter Angst.
Romanelli ist 46-jährig, Heilpädagogin, Imkerin und dreifache Mutter. Ihr Kinder seien nun weitgehend selbständig, weshalb sie Zeit und Energie habe, sich politisch zu engagieren. Sie sitzt seit 2019 im Gemeinderat und fokussiert sich in erster Linie auf Verkehrsthemen, sprich weniger Autos in der Stadt.
Der zweite Kandidat ist der 50-jährige Walter Angst vom Mieterinnen- und Mieterverband. Er sitzt seit 19 Jahren im Gemeinderat und trat in der Vergangenheit schon mehrfach als Kandidat für verschiedene Ämter an, etwa für den Regierungsrat und den Nationalrat. Gereicht hat es dem ausgebildeten Lehrer bisher nicht.
Wolff war in den ersten fünf Jahren seiner Amtszeit Sicherheitsvorsteher. Dort galt er dann aber als befangen, weil seine Söhne selber in der Hausbesetzerszene unterwegs waren und auch auf dem Koch-Areal gesichtet wurden. Wolff musste das Dossier «Koch-Areal» schliesslich an Stadtrat Daniel Leupi (Grüne) abgeben.
Im Jahr 2018 wechselte er ins Tiefbau- und Entsorgungsdepartement, wo er in der ERZ-Affäre um schwarze Kassen und illegal angeschaffte Emus aufräumen musste. In jüngster Vergangenheit hatte aber auch im Tiefbau- und Entsorgungsdepartement mit Opposition zu tun.
Er scheiterte mit seinem geplanten Spurabbau an der Bellerivestrasse, von links bis rechts gab es Kritik, weil er eigenmächtig entschieden habe. Auch dieses Dossier gab er schliesslich ab. Darum kümmert sich nun die Grüne Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart.
Die Zürcherinnen und Zürcher werden ihre neunköpfige Stadtregierung am 13. Februar 2022 neu wählen. (sda)