Der Blick auf die Tabelle der National League überrascht derzeit: Nicht Meister Zug steht dort zuoberst. Auch nicht die ZSC Lions, die auf diese Saison hin noch einmal massiv aufgerüstet haben. Nein, es ist Fribourg-Gottéron, das sich nach exakt einem Viertel der Meisterschaft zuoberst wiederfindet. Auch in der Champions Hockey League überzeugt die Mannschaft bislang.
Ausgerechnet Fribourg, dem man vor der Saison Attribute wie «zu alt» oder «auf dem absteigenden Ast» zugewiesen hatte. Was sind die Gründe für den momentanen Höhenflug? watson hat es analysiert.
Keine andere Mannschaft in der National League kontrolliert das Spiel derzeit so gut wie Fribourg-Gottéron. Damit ist nicht das Verhältnis der Schussversuche (Corsi) gemeint, dort sind die Drachen nur etwas besser als der Ligadurchschnitt.
Doch wenn man sich die Qualität der selbst herausgespielten und den dem Gegner zugelassenen Chancen anschaut, dann ist Fribourg – wie es auch die Tabelle beweist – die beste Mannschaft der Liga. Pro 60 Minuten Spielzeit (ohne Überzahl und Unterzahl) lässt die Mannschaft von Sportchef-Trainer Christian Dubé nur Chancen für 1,74 Tore zu, was der zweitbeste Wert der Liga ist, nach den ZSC Lions.
Und auch in der Offensive mischt Gottéron ganz vorne mit. Pro 60 Minuten Spielzeit (ohne Überzahl und Unterzahl) kreieren die Drachen Chancen für 2,42 Tore. Auch das ist der zweitbeste Wert der Liga, dieses Mal hinter dem HC Lugano. Das hat zur Folge, dass Fribourg in seinen Spielen erwartungsgemäss rund 58 Prozent der fallenden Tore erzielen sollte. Die Realität sieht mit 53,92 Prozent etwas schlechter aus, was bedeutet, dass Fribourg eigentlich noch besser dastehen müsste, als es das momentan tut.
Der aktuelle Erfolg von Fribourg fusst auch auf dem defensiven Spielsystem. Wenn der Gegner in Scheibenbesitz ist, gehen die beiden Freiburger Flügel ins Forechecking und versuchen, so Fehler bei Pässen zu provozieren. Kommt der Gegner oder der Pass doch durch, bilden die zwei Verteidiger und der Center in der Rückwärtsbewegung eine Linie, die sich auf Höhe der blauen Linie immer enger zusammenzieht und den Gegner so nach aussen zwingt.
Auf den Aussenbahnen greifen dann die Flügel wieder ins Backchecking ein und erzwingen Scheibenverluste. Das ist bei weitem keine Weltneuheit, aber in Gottérons Fall äusserst effektiv. Gemäss dem Tracking von nlicedata.com schaffen es Fribourgs Gegner nur bei jedem zweiten Versuch auch tatsächlich in die Offensivzone – Bestwert der National League. In nur 42 Prozent aller Versuche kommen die Gegner zudem kontrolliert ins Verteidigungsdrittel von Gottéron. Auch das ist der beste Wert der Liga.
Christian Dubé hat es offenbar geschafft, seinen Spielern diese Disziplin in der Rückwärtsbewegung einzuimpfen. So gelingt es den Drachen, die gefährlichen Schüsse und Torchancen der Gegner arg zu limitieren. Das wiederum wirkt sich – wie wir oben bereits gesehen haben – positiv auf die Spielkontrolle aus.
Dass Fribourg bei ausgeglichenem Spielerbestand überzeugt, wissen wir nun also. Doch die Drachen verfügen auch über herausragende Special Teams. Mit zehn Powerplaytoren aus 13 Spielen haben sie das zweitbeste Überzahlspiel der Liga nach Davos. Und das Penalty-Killing ist mit einer Erfolgsquote von 88,37 Prozent die Nummer drei der Liga.
Natürlich wird Fribourg auch von seinen besten Spielern wie Killian Mottet, Chris DiDomenico, David Desharnais oder Julien Sprunger getragen. Anders als etwa Langnau, als Extrembeispiel, ist es aber nicht nur von praktisch einer Linie abhängig.
Auch die nominell vierte Linie mit Samuel Walser (4 Tore, 3 Assists), Mauro Jörg (2 Tore, 8 Assists) und Nathan Marchon (5 Tore, 4 Assists) produziert munter Skorerpunkte, während Spieler wie Raphael Diaz oder Andrey Bykov noch gar nicht ihr volles Potenzial ausschöpften. Insgesamt gibt es bei Gottéron acht Spieler, die einen halben Punkt oder mehr pro Spiel skoren.
Nicht nur punktemässig verteilt sich die Last bei den Drachen auf viele Schultern. Sportchef-Trainer Dubé achtet sich auch darauf, die Eiszeit gleichmässig zu verteilen. Die einzigen zwei Spieler, die bei Fribourg mehr als 20 Minuten Eiszeit erhalten, sind die Verteidiger Ryan Gunderson und Raphael Diaz.
Ein beliebter Spruch im Eishockey lautet: «Ein guter Goalie ist nicht alles, aber ohne guten Goalie ist alles nichts.» Über den Wahrheitsgehalt dieser Binsenweisheit streitet man sich heute noch. Klar ist: Es hilft einer Mannschaft immer, wenn auch der Torhüter gute Leistungen zeigt.
Diese guten Leistungen erhält Fribourg aktuell in der Person von Reto Berra. Der 34-jährige Torhüter hat sich nach einer vergleichsweise schwachen letzten Saison erholt und ist nun wieder der gewohnt sichere Rückhalt. In seinen bisher zehn Starteinsätzen hat der Zürcher bereits über vier Tore mehr verhindert als dies ein durchschnittlicher National-League-Torhüter machen würde. In dieser Sparte ist Berra der drittbeste Keeper der National League.
Dass Fribourg-Gottéron aktuell an der Tabellenspitze der National League steht ist kein Zufall. Die Drachen kontrollieren das Spiel aus einer grundsoliden Defensive heraus, können auf einen soliden Torhüter zählen und sind auch im Angriff breit abgestützt.
Es deutet aktuell auch nichts auf einen plötzlichen Leistungsabfall bei den Westschweizern hin. Die Mannschaft profitiert nicht von übermässig hohen Fangquoten oder Schusseffizienzen und sie performt auch nicht über den Erwartungen gemäss Expected Goals. Es scheint so, als wäre Fribourg dieses Jahr tatsächlich ein Spitzenteam.