Der Name Graham Potter dürfte vor einigen Jahren nur absoluten Fussball-Kennern etwas gesagt haben. Doch in den letzten Jahren erarbeitete sich der charismatische Engländer den Ruf, einer der besten Trainer seines Landes zu sein.
Der FC Chelsea verpflichtet Graham Potter als neuen Trainer. Damit entscheidet man sich gegen grosse Namen wie Zinédine Zidane oder Mauricio Pochettino, als Nachfolger von Thomas Tuchel.
Chelsea Football Club is delighted to welcome Graham Potter as our new Head Coach! 🤝
— Chelsea FC (@ChelseaFC) September 8, 2022
Doch hinter Graham Potter steht eine seit 2011 andauernde Erfolgsstory. Welche den Briten über Östersund in Schweden, zu Swansea City nach Wales, Brighton & Hove Albion in die Premier League und nun zum FC Chelsea führte. Doch was steckt hinter dem Erfolg des 47-jährigen Engländers?
Graham Potters erste Station als Trainer war der schwedische Klub Östersunds FK. Potter übernahm das Team nach dem Abstieg in die vierte schwedische Liga. In Schweden begann Potters Erfolgsgeschichte. Potter ging einen für schwedische Teams unkonventionellen Weg. Während andere Klubs vor allem auf physisch starke Spieler setzten, um in einem 4-4-2 System vor allem mit Flanken und langen Bällen nach vorne arbeiten zu können, entschied sich der Engländer dafür, auf technisch versierte Spieler zusetzten. Damit ergab sich für die Schweden eine Art «Moneyball»-System. Östersunds FK verpflichtete Spieler, die von anderen Klubs gar nicht in Betracht gezogen wurden.
Auch abseits des Spielfelds ging der Klub mit Potter völlig neue Wege. Der Engländer, der noch während seiner Aktivkarriere als Fussballer mit einem Sozialwissenschaftsstudium begann, welches er nach dem Karriereende abschloss, wollte seine Spieler aus ihrer Komfortzone bringen.
Dafür liess er sich jedes Jahr zusammen mit den Klub-Verantwortlichen vor dem Saisonstart etwas Neues einfallen. Im ersten Jahr führte das Team ein Theaterstück auf, dann wurde gemeinsam ein Buch geschrieben, später gab es dann eine Kunstausstellung oder die Spieler tanzten ein Teil von Schwanensee und in Potters letztem Jahr in Schweden gab der Östersunds FK ein Musikkonzert zum besten.
Allerdings sollte Potter mit seinen Ideen neben dem Platz und seiner Spielidee auf dem Platz recht behalten. Er führte Östersund nicht nur aus der vierten schwedischen Liga in die Allsvenskan (Schwedens höchste Fussballliga), sondern wurde 2017 auch noch Pokalsieger.
Dies berechtigte das Team dazu, an der Qualifikation für die Europa League teilzunehmen. Dort schalteten die Schweden Galatasaray Istanbul und PAOK Thessaloniki aus. Auch in der Gruppe mit Hertha BSC, Athletic Bilbao und Zorya Lugansk, war für die Mannschaft noch nicht Endstation. Erst Arsène Wengers Arsenal war im Sechzehntelfinal zu stark. Nach einer 0:3-Niederlage in London, konnten Potters Mannen die «Gunners» vor heimischer Kulisse zwar mit 2:1 besiegen, doch dies reichte nicht mehr, um weiterzukommen.
Auch für Graham Potter sollte am Ende dieser Saison in Schweden Schluss sein. Denn nach dem Abstieg von Swansea City aus der Premier League wurde Potter von den Walisern als neuer Trainer verpflichtet. Dort versuchte der heute 47-Jährige an den Fussball anzuknüpfen, mit dem das Team unter seinen Vorgängern Roberto Martinez, Brendan Rodgers und Michael Laudrup einst Erfolg hatte.
Der Brite kehrte zum angriffsorientierten Ballbesitzfussball zurück und hatte damit Erfolg. Die Mannschaft wurde in der einen Saison unter der Leitung des ehemaligen englischen U21 Nationalspielers zwar nur Zehnter. Doch Swansea hatte die beste Passquote der gesamten Liga, den zweithöchsten Ballbesitzanteil und war das fairste Team. Zudem verjüngte Potter die Mannschaft von durchschnittlich 27 auf 24,8 Jahre.
Mit seiner Arbeit legte er den Grundstein für die folgenden beiden Saisons, in welchen sein Nachfolger Steve Cooper mit dem Team jeweils die Playoffs zur Premier League erreichen konnte. Zudem verhalf er den beiden späteren Premier-League-Spielern Daniel James (wechselte von Swansea zu Manchester United) und Joe Rodon (wechselte später zu Tottenham Hotspur) zu ihren ersten Spielen im Profibereich.
Bei Swansea war für Potter allerdings bereits nach einer Saison wieder Schluss, denn die Premier League wartete auf ihn. Brighton & Hove Albion sicherte sich die Dienste des aufstrebenden Trainers. In seinen ersten beiden Jahren war das Team noch in den Abstiegskampf verwickelt, doch Potter und die «Seagulls» konnten die Klasse immer souverän halten.
In der letzten Saison führte Potter Brighton sensationell auf den neunten Tabellenplatz. Dabei bewies er erneut seine Qualitäten als Trainer, welcher auch einmal unkonventionelle Wege geht. Anders als die meisten Trainer variierte Potter häufig die Formation seines Teams. Über die gesamte Saison 2021/22 wandte der Engländer zehn verschiedene Spiel-Systeme an. Gegen Liverpool griff er dabei zum ersten Mal in der Saison auf eine Viererkette in der Abwehr zurück, um so einen Punkt von der Anfield Road mitzunehmen.
Auch in der aktuellen Saison liess Potter Brighton bereits in drei verschiedenen Systemen auflaufen und holte sich Siege gegen Manchester United, West Ham und Leicester City. Aktuell stehen die «Seagulls» in der Premier League auf dem vierten Platz. Der Rückstand zum Leader Arsenal beträgt nur zwei Punkte.
Manchester City-Coach Pep Guardiola outete sich in der Vergangenheit bereits als «grosser Fan» von Graham Potter und auch Liverpools Jürgen Klopp hält grosse Stücke auf den Briten. Nachdem dieser nun schon länger mit einem Wechsel zu einem grossen englischen Klub in Verbindung gebracht wurde, zieht es ihn jetzt zum kriselnden FC Chelsea.
Nach drei Siegen aus sechs Premier-League-Spielen steht der FC Chelsea nur auf dem sechsten Tabellenplatz und hinkt den Erwartungen des neuen Eigentümers Todd Boehly hinterher. Trotz Transfers in Höhe von fast 300 Millionen Euro schaffte es Potters Vorgänger Thomas Tuchel nicht, Teams wie Leeds und den FC Southampton zu besiegen. Dazu kamen die Niederlage in der Champions League gegen Dinamo Zagreb, welche Tuchel letztendlich auch zum Verhängnis wurde.
Potter steht in London nun also vor der Aufgabe, den Champions-League-Sieger von 2021 zurück zu alter Stärke zu führen. Dass er dazu in der Lage ist, hat er bei seinen vorherigen Stationen bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt. In London findet Potter eine Mannschaft vor, welche genau seinen Vorstellungen entspricht. Bereits unter Tuchel war Chelsea sehr flexibel, was die Formation angeht. Graham Potter wird diese Variabilität im Spielsystem der «Blues» weiter pflegen.
Spieler wie die robusten Innenverteidiger Wesley Fofana, Kalidou Koulibaly oder der Routinier Thiago Silva dürften in Potters-System eine zentrale Rolle spielen. Zudem trifft er in London mit Marc Cucurella auf einen alten Bekannten, welcher schon unter ihm bei Brighton eine tolle Entwicklung hinlegte und zum spanischen Nationalspieler wurde. Auch die technisch versierten Spieler wie Kai Havertz, Mason Mount, Hakim Ziyech oder Jorginho dürften unter dem neuen Coach eine wichtige Rolle spielen. Womöglich profitieren auch einige Nachwuchsspieler wie der junge Stürmer Armando Broja oder Conor Gallagher von Potters Qualitäten als Förderer von jungen Spielern.
Etwas dürfte allerdings sicher sein: Die neue Führungsriege des FC Chelsea ist sich bewusst, dass Graham Potter ein Trainer ist, der langfristig arbeitet und seine Arbeit dementsprechend auch auf fortwährenden Erfolg auslegt. Dies bestätigt auch die Laufzeit von Potters Vertrag, welcher bis Sommer 2027 gültig ist.