wechselnd bewölkt
DE | FR
Sport
Eismeister Zaugg

Eismeister Zaugg zum Hockey-Start: Eine wilde Party mit Nebenwirkungen

SC Rapperswil-Jona Lakers Stuermer Andrew Rowe gegen ZSC Lions Stuermer Justin Azevedo, rechts, waehrend dem Eishockey-Meisterschaftsspiel der National League zwischen den SC Rapperswil-Jona Lakers un ...
SCRJ gegen ZSC heisst es am Mittwochabend zum Saisonstart.Bild: keystone
Eismeister Zaugg

Hockey-Start: Eine wilde Party mit Nebenwirkungen

In Rapperswil-Jona wird die aufregendste Meisterschaft der Geschichte (seit 1908) mit der Partie gegen die ZSC Lions eröffnet. Alles ist – oder scheint - teurer, besser, spektakulärer. Zirkus Maximus. Über die Nebenwirkungen des Spektakels für unser Hockey machen wir uns für einmal keine Gedanken.
14.09.2022, 15:3114.09.2022, 15:51
Folge mir
Mehr «Sport»

So gut, so teuer, so riskant wie noch nie – na und? Die Geschichte lehrt uns: Nach einer Krise geht es noch wilder zu und her als vor der Krise. All die klugen Reden, nach den schwierigen Zeiten seien alle vernünftiger, sind schneller vergessen, als sich ein Morgennebel aufzulösen vermag. So war es zu allen Zeiten. So ist es in allen gesellschaftlichen Bereichen und so ist es nun eben auch im Eishockey: Die erste Saison ohne Einschränkungen nach der Pandemie wird die teuerste, unvernünftigste, aber mit ziemlicher Sicherheit auch die beste der Geschichte. Mit einer 14er-Liga (erstmals hat unsere höchste Spielklasse so viele Teams), die mit einer maroden Swiss League keine tragfähige Basis mehr hat, mit so vielen und so teuren Ausländern wie noch nie.

Die neue Ausländerregelung – die Erhöhung von 4 auf 6 pro Team - ohne jede Not eingeführt, beschert der National League 28 neue hochkarätige, aber eben auch teure ausländische Profis. Sie verursacht Zusatzkosten von insgesamt mindestens 15 Millionen Franken. Noch nie ist so viel Geld für Eishockey ausgegeben worden. Es ist noch nicht zwei Jahre her, da haben die Klubs um Steuergelder gebettelt – und sie bekommen.

epa09985485 Mikko Lehtonen of Finland celebrates after winning the final between Finland and Canada at the IIHF Ice Hockey World Championship 2022 in Tampere, Finland, 29 May 2022. EPA/KIMMO BRANDT
Ein finnischer Weltmeister kommt zum ZSC: Mikko Lehtonen.Bild: keystone

Weil die russische KHL wegen der weltpolitischen Lage für Spieler aus dem Westen kein Ziel mehr sein kann, ist unsere National League (NL) neben der nordamerikanischen National Hockey League (NHL) vor allem für skandinavische Weltmeister und Olympiasieger die attraktivste Liga der Welt geworden. Noch nie hatte unser Hockey besseres ausländisches Personal. Diese Saison wird in Europa das wahre, grosse, gute Hockey in der Schweiz zelebriert. Meister Zug und die ZSC Lions haben gar das Potenzial, um die Champions Hockey League zu gewinnen.

Die Fans kommen auf ihre Rechnung. In so guten Stadien wie noch nie (bereits im Oktober hat auch Zürich einen neuen Hockey-Tempel), mit so viel TV-Präsenz wie noch nie und so viel Spektakel wie noch nie: Die ersten Sechs sind direkt für die Playoffs qualifiziert und für diese sechs Plätze kommen elf Teams infrage. Parallel dazu tragen Langnau, Ajoie und Aufsteiger Kloten die Kellermeisterschaft aus: Wer Rang 12 erreicht, hat vorzeitig den Ligaerhalt gesichert. Favorit ist Kloten. Ganz oben in der richtigen Meisterschaft werden Zug und die ZSC Lions erwartet – und nach der grössten Transferoffensive seiner Historie direkt dahinter der SC Bern.

Tigers Head Coach Thierry Paterlini, waehrend einem Vorbereitungsspiel der National League, zwischen den SCL Tigers und dem HC Lugano, am Freitag 9. September 2022, im Ilfisstadion in Langnau. (KEYSTO ...
Wie lange bleibt er in Langnau an der Bande? Thierry Paterlini.Bild: keystone

Wir ahnen es: Hohe Erwartungen – und die gibt es auch in Lugano, Biel, Rapperswil-Jona, Davos, Ambri, Fribourg, Genf und Lausanne – begünstigen das Flugwetter. Ganz besonders in Zürich und Bern. Spielen ihre Teams nicht um Spitzenpositionen, dann brauchen Rikard Grönborg und Johan Lundskog keinen Wintermantel. Und wenn Thierry Paterlini im neuen Jahr in Langnau nach wie vor an der Bande steht, ist er schon fast Trainer des Jahres. Aber bei aller Trainerpolemik nie vergessen: Trainer kommen und gehen, die Klubs bleiben bestehen.

Das grosse Spektakel steht auf dünnem Eis.

Das grosse Spektakel steht auf wirtschaftlich dünnem Eis. Es wäre eigentlich angebracht, zur Vernunft zu mahnen und zu warnen. Nicht bloss ein notorischer Nörgeler, wer sich beispielsweise erkundigt, wie ein neuer Leonardo Genoni oder Reto Berra (beide sind 35) heranwachsen soll, wenn bereits fünf Teams auf ausländische Torhüter vertrauen.

Die Frage ist auch, ob sechs Ausländer pro Team der Nationalmannschaft (Patrick Fischer möchte ja 2026 bei der WM im eigenen Land Weltmeister werden) schaden. Zur Beruhigung: Da die Nationalspieler ihren Platz in ihren Teams haben, werden sie durch die zusätzliche ausländische Konkurrenz stärker gefordert und somit besser. Aber wo ist noch Platz für unsere Nachwuchsspieler?

Bei aller berechtigten Skepsis: Wenn Eishockey so vielen Unternehmen, Männern, Frauen und Kindern so wichtig ist, dass nach den zwei finanziell schwierigsten Jahren der Neuzeit nun noch mehr Geld als vor der Krise ausgegeben wird – dann dürfen wir egoistisch sein und uns fürs Hockey freuen und mit Bertolt Brecht sagen: Das Spektakel kommt vor der sportlichen Moral.

Zwar folgt nach jeder wilden Party ein neuer Tag. Eine alte Weisheit lehrt: Beurteile die Qualität des Weines nicht, während du ihn trinkst. Sondern erst, nachdem du am nächsten Morgen aufgewacht bist. Der Wein (die Meisterschaft) dürfte der beste, aber auch der teuerste seit Menschengedenken sein. Mit allerlei Zutaten, deren Wirkung auf das längerfristige wirtschaftliche und sportliche Wohlsein unseres Hockeys noch unbekannt sind. Eine wilde Party mit Nebenwirkungen also. Aber wir dürfen beruhigt sein: Sie wird sicher nicht mit dem Untergang aller Beteiligten enden wie Das grosse Fressen (La Grande Bouffe) von Marco Ferreri. Sondern mit einer Meisterfeier.

Die Zuger jubeln mit dem Pokal nach ihrem Sieg im siebten Playoff-Final Eishockeyspiel der National League zwischen dem EV Zug und ZSC Lions am Sonntag, 1. Mai 2022, in der Bossard Arena in Zug. (KEYS ...
Die Meisterfeier des EV Zug nach der letzten Saison.Bild: keystone

Ob wir in zwei, drei Jahren mit heftigem Kopfweh aufwachen werden, wissen wir nicht. Und wenn es so sein sollte, dann tröstet wiederum eine Erfahrung aus der Geschichte: Der Sport mit der ihm innewohnenden Dynamik und Flexibilität vermag Fehlentwicklungen erstaunlich rasch zu korrigieren, Krisen zu meistern und zur nächsten wilden Party zu rüsten.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet um die Zahlung abzuschliessen)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die neuen Trikots der National-League-Saison 2022/23
1 / 32
Die neuen Trikots der National-League-Saison 2022/23
HC Ajoie – heim.
quelle: hc ajoie / hc ajoie
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Die Migros will nicht, dass wir diesen Betrieb besichtigen
Video: youtube
Das könnte dich auch noch interessieren:
24 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Apfelmus
14.09.2022 16:15registriert September 2022
Werde vermutlich die ganze Quali brauchen, bis ich all die neuen Finnen den entsprechenden Teams zuordnen kann...
460
Melden
Zum Kommentar
avatar
Regius
14.09.2022 16:16registriert August 2017
Endlich gehts wieder los! Keine Vorahnungen, Gedankenspiele und Prognosen mehr! Ich wünsche euch allen eine tolle Saison!
280
Melden
Zum Kommentar
avatar
ZSC Fan Forever
14.09.2022 17:08registriert April 2021
Die sechs Ausländer waren von Anfang an ein absoluter Flop. Wollte doch da der SCB, als Treiber dieses Debakels, weniger Löhne zahlen müssen. Wie man nun aber sieht, sind die Kosten um einiges höher. Dazu werden wir, weil hauptsächlich nur noch die ausländischen Torhüter eingesetzt werden, auf kurz oder lang keine nationalen mehr haben mit Weltniveau. Darum danke viel Mals für diese katastrophale Superidee.
2312
Melden
Zum Kommentar
24
Nati-Direktor Tami: «Für mich ist Murat die erste Option»
Nach der wenig überzeugenden EM-Qualifikation geht es für das Schweizer Nationalteam mit zwei Testspielen weiter. Direktor Pierluigi Tami spricht über die aktuelle Situation rund um die Mannschaft.

Pierluigi Tami, das Nationalteam bereitet sich in La Manga in Spanien auf die Testspiele gegen Dänemark und Irland vor. Weshalb dieser Ort?
Hier herrschen angenehme äusserliche Bedingungen und ausserdem profitieren wir von einer schönen Trainingsanlage. Viele Spieler sind bei Klubs engagiert, mit denen sie in den letzten Wochen bei eher tiefen Temperaturen spielen mussten. Nun bekommen sie etwas Abwechslung – und natürlich ist die Sonne auch gut für die Moral.

Zur Story