
Sportlich scheint die Serie schon entschieden, emotional noch lange nicht.Bild: KEYSTONE
Eismeister Zaugg
Im NLB-Halbfinal zwischen Langnau und
Langenthal geht es zu wie zu Gotthelfs
Zeiten. Zorn und Aufregung sind so gross,
dass sogar Videos verloren gehen.
05.03.2015, 18:4105.03.2015, 18:46
Zum ersten Mal in der Geschichte treten
die SCL Tigers und der SC Langenthal im
Rahmen einer Playoffserie gegeneinander
an. Es ist eines der letzten wahren Derbys
im Schweizer Hockey.
Beide Klubs sind im gleichen Jahr (1946)
gegründet worden, und seit dieser
Gründung sind die Langenthaler von einer
Mission beseelt: einmal besser sein als
Langnau. Bis heute ist das noch nie
gelungen. Einzelne grosse Siege hat es
wohl gegeben – aber am Ende der Saison
waren die Langnauer bis heute halt immer
besser und im Gegensatz zu den
Langenthalern haben sie es bis in die NLA,
ja bis zum Schweizer Meister (1976)
gebracht. Aber jetzt diese goldene
Gelegenheit: in einer Playoffserie die
Langnauer bodigen. Es wäre der grösste
Triumph in der Klubgeschichte. Die
Erfüllung eines Traumes. Es wäre
vollbracht.

Nicht immer geht es auf den Rängen der Eishalle Schoren so ruhig zu und her wie hier.Bild: KEYSTONE
Aber der Traum wird nicht in Erfüllung
gehen. Langnau führt bereits 2:0. Mit 10:2
und 9:4 ist Langenthal gedemütigt
worden. Und wie einstmals zu Gotthelfs
Zeiten wird ordentlich mit Stecken
dreingeschlagen. Bisher sind 188
Strafminuten verhängt worden.
Die Aufregung ist so gross, dass sogar
Videos verloren gehen. Nach dem 9:4 in
Langenthal war der Zorn der Langnauer
über die raue Spielweise des Gegners
gross. Sportchef Jörg Reber verkündete,
man werde Videos einreichen. «Ich bin
kein Fan von solchen Aktionen, aber das
können wir uns nicht bieten lassen.» Jawohl! Gut gebrüllt!
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Video landet beim «Blick» statt beim Einzelrichter
Den markigen Worten folgten keine Taten.
Seine Video-Eingabe kam zwar
unverzüglich auf das Onlineportal der
nationalen Tageszeitung «Blick», aber
dummerweise nie beim Einzelrichter an.
Es deshalb bleibt bei der automatischen
Spielsperre nach einer Matchstrafe gegen
Joël Fröhlicher, Langenthals Mann fürs
Sackgrobe.
Jörg Rebers Ausrede: Dummerweise habe
Nick Hess, in Langnau für die
Bildermaschine verantwortlich, das Video
Supervisor Heinz Ramseier statt dem
Einzelrichter zugestellt – und dort blieb es
dann auch. Erst am Donnerstag, nach
mehreren Nachfragen, warum nichts
gehe, kamen die Bilder doch noch an der
zuständigen Stelle der Liga-Hierarchie an.
Viel zu spät – die Eingabefrist war schon
am Vortag um 10 Uhr abgelaufen.

Langnau vs. Langenthal: Eine Serie, die polarisiert.Bild: KEYSTONE
Um die Gemüter zu beruhigen und die
Peinlichkeit zu mildern, erklärte
Einzelrichter Reto Steinmann den
Langnauern, er habe nachträglich die
Bilder analysiert und er hätte so oder so
kein Verfahren eröffnet. Es ging um einen
Stockschlag von Anton Ramov gegen Chris
DiDomenico.
Sportchef Jörg Reber weiss
jetzt wenigstens, dass er die Videos direkt
beim Einzelrichter und nicht bei
irgendwelchen Funktionären oder beim
Online-Portal einer Boulevard-Zeitung
einreichen muss. Langenthals
Geschäftsführer Gian Kämpf hat
Verständnis für die Aufregung. «Ich kann
gut nachvollziehen, dass es für die
Langnauer eine Zumutung ist, in unserem
kleinen Stadion spielen zu müssen. Aber
so ist es halt, wenn man in der gleichen
Liga spielt …»
Mit Gotthelfs Worten
Die Frage ist ja schon: Wie kommt es,
dass im tiefen Herzen des Schweizer
Landes doch noch ein Rest der Derby-Kultur bewahrt worden ist? Heute haben
die Bewohner der urbanen Zentren ja
kaum mehr eine Vorstellung von der
reichen Kultur der echten Dorfrivalitäten.
Selbst die Partien zwischen dem SC Bern
und den SCL Tigers sind seit Jahren keine
echten Derbys mehr.
Aber Langenthal (14'944 Einwohner) und
Langnau (8956 Einwohner) sind eben von
der Mentalität her keine urbanen Zentren, sondern grosse Dörfer im Emmental und
im Oberaargau. In beiden Landesteilen
hat einst der grosse Dichterfürst Jeremias
Gotthelf gelebt und gearbeitet. Im
oberaargauischen Herzogenbuchsee und
im emmentalischen Lützelflüh.

Der Dichterfürst himself: Jeremias Gotthelf.
Wenn wir «Uli der Pächter» zur Hand
nehmen (ein Klassiker der Weltliteratur!),
dann verstehen wir, warum die Fetzen
zwischen Langnau und Langenthal fliegen,
und was ein Derby im Emmental und im
Oberaargau bedeutet. Hier der mehr als
150 Jahre alte Bericht über einen
sportlichen Wettkampf zwischen
Brönzwyl und Erdöpfelkofen in der Region
Emmental/Oberaargau – aus der Feder
des grossen Dichterfürsten. Mit ein paar
sprachlichen Handgriffen wird daraus eine
vortreffliche Schilderung, wie es in diesen
Tagen zwischen den SCL Tigers und dem
SC Langenthal zu und her geht.
«Es war schon lange davon die Rede
gewesen, dass die Langnauer und
Langenthaler ein Wetthockeylen abhalten
sollten. Zur Zeit, als nun die beiden Dörfer
miteinander hockeylen wollten, war auch
der Dorfhass in vollem Leben. Es war
nämlich eine Zeit im Kanton Bern, wo
jedes Dorf das andere hasste, jedes Dorf
seinen Spottnamen hatte, wo dieser Hass
bei jedem Tanz, an jedem Markt und
zwischendurch im Jahr noch sehr oft mit
Prügeleien neu besiegelt wurde, daher nie
veraltete, sondern in seiner gleichen
Schärfe von einem Geschlecht zum
anderen überging. Damals schlug man
sich noch mehr als jetzt, es war ein
nationales Schlagen mit Scheitern,
Stuhlbeinen, Zaun- und Hockeystecken,
und die harten Bernergrinde wurden wohl
sturm dabei, aber brachen nicht ein.
Schon lange hatten sie sich während der
Qualifikation gegenseitig verhöhnt, ehe
man dazu kam, sich im Halbfinale zu
begegnen. Nun entstand in beiden
Dörfern ein reges Leben, jede
Abendstunde wurde zum Training genutzt.
Die Alten brummten über viel
Zeitversäumnis, sagten voraus, das werde
eine schöne Geschichte absetzen, und
nahmen doch eifrig Teil an allem. Die
Auswahl der Spielenden geschah mit der
grössten Sorgfalt und nach langem Prüfen
und Wägen; denn die Ehre des Dorfes
stand auf dem Spiele.»
Nächste Runde: Freitag, 19.45 Uhr an der
Ilfis zu Langnau.
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