Der Zweck des Spiels ist der Sieg. Punkt. Wer also ein Spiel gewinnt, ist besser. Auch Punkt. Also sind die Tschechen besser. Sie haben gegen die Schweiz 2:0 gewonnen und sind Weltmeister geworden. Noch einmal Punkt.
Das ist alles richtig. Die Debatte ist auch nie, ob jemand verdient oder unverdient Weltmeister wird. Wer Weltmeister wird, hat es verdient. Wieder Punkt.
Aber da ist noch etwas anderes: Die schöne schweizerische Bescheidenheit, eine Niederlage dem besseren Gegner zuzuschreiben. Und sich dabei kleiner zu machen, als wir wirklich sind.
Nein, die Tschechen hatten nicht mehr Energie. Nein, die Schweizer hatten im Halbfinal mit Verlängerung nicht mehr Energie verloren als die Tschechen mit dem Halbfinal ohne Verlängerung. Nein, die Niederlage war nicht logisch, unvermeidlich, zwingend.
Seit die Tschechoslowaken (damals waren die Slowakei und Tschechien noch eine Nation) 1985 bei der WM in Prag die UdSSR besiegt haben, gab es nie mehr ein nur annähernd so stimmungsvolles WM-Spiel wie dieser Final am Sonntagabend.
Es geht nicht um die Anzahl Fans, um den Lärmpegel. Es geht um eine Atmosphäre, die nur in einer Stadt mit einer so langen und reichen Sportkultur wie Prag und im Eishockey möglich ist.
World Champions🇨🇿🏆 #MensWorlds @czehockey pic.twitter.com/U6vMlJR9n0
— IIHF (@IIHFHockey) May 26, 2024
Vielleicht hat es in einem so wichtigen Spiel an einer WM noch nie ein so leidenschaftliches und zugleich faires und sachkundiges Publikum gegeben. Ein Publikum, das auch dem Gegner so viel Respekt entgegengebracht hat. Hühnerhaut-Atmosphäre.
Das Urteil, dass die Schweizer ebenbürtig waren, dass es kein zwingender, logischer Sieg der Tschechen war, hat … das Publikum gefällt.
Im Schlussdrittel spüren die Männer, Frauen und Kinder im Stadion, dass alles auf des Messers Schneide steht. Ja, es ist fühlbar, dass die Schweizer mindestens so viel, vielleicht sogar mehr Energie haben. Dass sie die Tschechen an den Rand des Abgrundes drängen. Dass alles passieren kann. Hier spielt sich ein Drama mit einer Intensität ab, wie wir es nur alle sieben, acht Jahre erleben.
Wenn wir herausfinden wollen, was die Entscheidung herbeigeführt hat, ist es auf den ersten Blick ein verlorenes Bully nach einem unnötigen Icing.
Aber es gibt eine tiefere Ursache. Die Reparaturpause (ein Plexiglas musste ausgewechselt werden) verschafft den Tschechen die Atempause, um sich wieder zu sammeln. Eine solche Pause hilft einem Team in Bedrängnis und unter Druck mehr als dem Aussenseiter.
Die Schweizer haben ein grosses Spiel, eines der grössten, dramatischsten unserer Hockey-Historie verloren. Aber nicht, weil der Gegner besser war. Die Schweizer haben dieses Spiel verloren, weil die Hockey-Götter mit dem Gegner waren.
Unser Hockey ist in Prag ganz oben angekommen. Die Finalniederlage hinzunehmen, weil der Gegner besser war, und uns bescheiden dem Schicksal zu fügen, ist die falsche Schlussfolgerung.
Es ist eine Finalniederlage, die nicht hätte sein müssen. Die richtige Schlussfolgerung müsste sein, sich dem Schicksal nicht zu fügen. Sondern alles dafür zu tun, das Schicksal zu bezwingen. Mit dem gesunden Selbstvertrauen, dass wir gut genug sind, um Weltmeister zu werden. Dass wir eigentlich in Prag besser waren als die Tschechen.