Sie hätten gerne mal wieder etwas Ruhe. So etwas wie Normalität. Aber damit wird es auch diesen Winter nichts für die Schweizer Sportvereine. Im Gegenteil, es könnte wieder sehr kompliziert werden, ein dunkler Winter, im Wortsinn.
Es schwebe schon wieder etwas über dem Eishockey, so formuliert das Patrick Bloch, der CEO des Eishockeyverbandes SIHF, und das trifft es gut, für seinen Sport und viele andere auch: Es schwebt etwas über allem. Der Auslöser ist der Überfall der Russen auf die Ukraine. Hier kommt er mit Begriffen wie Energiekrise oder Strommangellage an, sie schwirren den Sportfunktionären nun im Kopf herum. Und auch: die Angst vor dem nächsten Nackenschlag.
Der EHC Schwarzenburg ist ein Eishockeyverein im Kanton Bern. Sieben Nachwuchsteams und drei bei den Aktiven, ein eher kleiner Verein, sagt Thomas Scheuner, der Präsident. Aber einer mit durchschnittlichen Sorgen. Und die drehen sich gerade vor allem um eines: die steigenden Kosten, die für die Miete von Eisflächen für Training und Spiele anfallen, kurz: die Eiskosten.
In Schwarzenburg haben sie Glück und Pech. Pech, weil sie auf einer offenen Eisbahn spielen. Da braucht das Eis mehr Strom als in einer Halle. Glück haben die Schwarzenburger, weil der neue Stromvertrag im letzten Jahr abgeschlossen worden ist, noch vor dem Krieg. Doch auch so sind die Kosten jetzt 25 Prozent höher. Andere Vereine treffe es gerade viel schlimmer, sagt Scheuner, der auch den Berner Eishockeyverband präsidiert, den grössten Regionalverband im Land.
Sein Verein wirtschaftet mit einem Budget von 300'000 Franken im Jahr. Die Eiskosten machen die Hälfte davon aus. «So sieht das beim durchschnittlichen Amateurklub meist aus», sagt Scheuner. Wenn nun das Eis plötzlich viel mehr kostet, wird das schnell zu einer grossen Belastung. Und der Handlungsspielraum ist klein. Höhere Mitgliederbeiträge? Lieber nicht. Das bedeutet dann: Eiszeit reduzieren, also: weniger Trainings.
«Hauptsache, wir können überhaupt spielen», sagt Thomas Scheuner. Er hat schon Gerüchte gehört, die ihm nicht gefallen haben: Dass Eisbahnen wegen der Strompreise schon bald einfach zumachen könnten. Und natürlich beschäftigt ihn auch ein anderes Szenario: Dass die Eisbahnen und -hallen zu den ersten Anlagen gehören, die abgeschaltet werden müssen, wenn es zu einer Strommangellage kommt.
Wie er in einem solchen Fall konkret vorgehen will, hat der Bundesrat noch nicht festgelegt. Derzeit beschränkt er sich auf Sparappelle. Doch wenn sich die Situation verschärft, sind verordnete Verbote von Anlagen, die viel Strom verbrauchen und gleichzeitig verzichtbar sind, ein möglicher nächster Schritt.
Die Hallenbäder, das weiss Philippe Walter genau, geraten dann rasch ins Visier. Und diese Aussicht gefällt ihm gar nicht. Er ist Präsident des Schwimmklubs Uster, zu dem auch eine Schwimmschule gehört. Der Steckbrief: 500 Mitglieder, jährlich 1500 Schwimmschüler, 90 Prozent davon Kinder, und Medaillengewinner an Grossanlässen in der Hall of Fame des Klubs.
39 Jahre steht Walter seinem Schwimmklub schon vor. Zeiten wie diese hat er noch nie erlebt, und je länger er darüber spricht, was es heissen würde, wenn die Hallenbäder zugingen, desto mehr redet er sich in Fahrt. «Das Hallenbad ist wie ein Stück Brot, das braucht man doch zum Leben», sagt er irgendwann.
Eine bewusste Übertreibung, natürlich, aber auch eine, die einen Ausblick bietet auf die Diskussionen, die der Schweiz in diesem Winter noch blühen. Es könnte dann noch öfter darum gehen, für wen nun was so wichtig ist wie ein Stück Brot.
In Uster versuchen sie, Strom zu sparen – die Schwimmer trainieren in kälterem Wasser als sonst. Philippe Walter findet, dass es vor der Schliessung der Hallenbäder noch viele andere Wege gebe, um Strom zu sparen. Er zählt die Weihnachtsbeleuchtung auf, die in den Schaufenstern oder an Strassen. «Lieber dunkler leben als Hallenbäder schliessen», so das Credo von Walter, der auch Sportdirektor beim Schweizer Schwimmverband Swiss Aquatics ist.
Das Licht treibt auch Stephan Häuselmann um, den Präsidenten des Ostschweizer Fussballverbands. Wie andere Sportverbände befassen sich auch die Fussballer damit, was sie tun können, um Strom zu sparen und sich für mögliche Abschaltungen zu wappnen. Der SFV hat deshalb Anfang Monat einen Brief mit einem brisanten Vorschlag verschickt: Nämlich dem, möglichst viele Spiele bei Tageslicht auszutragen, um so den Strom für das Flutlicht zu sparen.
In Häuselmanns Verband spielen 146 Fussballvereine mit. Dort werden nun Pläne gewalzt, wie man das anstellen würde, Fussball ohne Flutlicht. Schon jetzt ist klar, dass es Verschiebungen braucht. In der Innerschweiz geht man von bis zu 20'000 Neuansetzungen aus. Und der Regionalverband ist kleiner als jener in der Ostschweiz.
Wie viele Spiele dort betroffen wären, ist noch offen, so wie viele andere Fragen. Zum Beispiel jene, wie die Schiedsrichter, sowieso schon ein rares Gut, über das Wochenende verteilt werden sollen, wenn der Freitagabend als Spieltermin wegfällt. Und wie das mit dem abendlichen Training ohne Flutlicht funktionieren soll. «Etwa mit Taschenlampe?», fragt Häuselmann.
Aber das alles müsse nun angegangen werden, sagt Häuselmann, denn eines ist für ihn keine Option: eine Saison, die einfach irgendwann aufhört, weil der Strom abgedreht wird. «Im Notfall spielen wir lieber ein paar Wochen länger», sagt er.
Irgendwie weitermachen. Dieses Ziel verbindet sie alle, den Eishockeyaner Scheuner mit dem Schwimmer Walter und dem Fussballer Häuselmann. Der Antrieb ist die Angst davor, dass sonst grosser Schaden droht.
Häuselmann sagt, bei den Senioren habe Corona zu einem Mitgliederschwund geführt. Walter verweist auf die vielen Kinder, die wegen des Virus nicht schwimmen lernen konnten. Scheuner berichtet, man habe die Folgen des Virus irgendwie überlebt, 20 Prozent der Spieler seien aber nicht mehr zurückgekehrt. «Eine weitere Krise können wir einfach nicht mehr stemmen», sagt er, und der Satz könnte auch von den beiden anderen Funktionären stammen.
Der Sport drängt also auch vor diesem Winter auf Unterstützung, im politischen Sinne, aber auch im finanziellen. SIHF-CEO Patrick Bloch sagt, dass der Bund in der Pandemie unkompliziert geholfen habe. Nun, so Bloch, seien die Eishockeyvereine erneut auf Hilfe angewiesen, weil die Eiskosten so stark gestiegen sind.
In Magglingen gibt man sich zurückhaltend. Zu allfälliger Unterstützung wegen der Energiekrise könnten aktuell keine Aussagen gemacht werden, schreibt das Bundesamt für Sport. Und macht klar, dass Unterstützungen nicht isoliert für den Sport betrachtet würden. Im Klartext: Nach einer Sport-Extrawurst sieht es nicht aus.
Als nächstes kommen bestimmt die Pistenbetreiber und jammern, dass sie keinen Kunstschnee machen sollen...
Eisfelder künstlich zu kühlen ist eine riesige Energieverschwendung. Wer sich das leisten will soll selber bezahlen. Sicher nicht der Staat.