Während seine Teamkollegen vom FC Aarau Sieg an Sieg reihen, kämpft Miguel Peralta derzeit in der Reha für seine Rückkehr auf den Fussballplatz. Nicht zum ersten, nicht zum zweiten, nicht zum dritten Mal – der Kreuzbandriss, den Peralta am 4. November 2018 in Chiasso erlitten hat, ist die fünfte schwere Knieverletzung in der jungen Karriere des 23-jährigen Rechtsverteidigers.
Dass es der Mannschaft so gut läuft, macht die einsamen Stunden im Kraftraum für Peralta erträglicher. Trotzdem ist die Lust nicht jeden Morgen gleich gross. Also hat Peralta in seinem Zimmer eine «Motivations-Wand» gestaltet. Sie ist das Erste, das er nach dem Aufwachen anschaut.
Bereits hängen dort zwei Foto-Collagen mit Bildern von Peralta im FCA-Trikot – ein Geschenk von Sarah Rölli, gute Seele und Klubfotografin des FC Aarau. Doch der Ehrenplatz an Peraltas «Motivations-Wand» ist noch nicht besetzt – erst reserviert. Sobald Peralta einen passenden Rahmen gefunden hat, wird er einen Brief aufhängen. Kein Geringerer als Kyle Walker hat Peralta per Post nämlich gute Besserung gewünscht.
Zur Erklärung: Walker ist Stammspieler beim englischen Meister Manchester City und in der englischen Nationalmannschaft. In den Augen vieler Experten ist der 28-Jährige aktuell der beste Rechtsverteidiger der Welt. Ein Superstar und Vorbild für Millionen Fans und Berufskollegen. Walker schreibt:
Doch wieso schickt der Star aus der Fussball-Hochburg Manchester einen Brief in die Fussballprovinz Aarau? Kennt Peralta Walker persönlich? Haben sie den gleichen Berater? Ist Walker ein heimlicher Fan des FC Aarau?
Nichts von alldem. Hinter der Aktion steckt Serge Gysi, der seit vergangenem November Peraltas Coach und Mentor ist. In einem ihrer Gespräche ging es um die Vorbilder des Aarau-Verteidigers. Danach spürte Gysi: «Diesen Brief von Kyle Walker muss ich organisieren, das braucht Miguel.» Doch wie vorgehen? Ausser seinen englischen Wurzeln und der Bewunderung für die Premier League hat Gysi keinerlei Berührungspunkte mit dem Fussball auf der Insel.
Täglich erreichen die Superstars von Manchester City Abertausende Autogrammwünsche. Mit einer Antwort kann man als Fan, wenn überhaupt, frühestens nach einem halben Jahr rechnen. So sagt es die Dame am Telefon auch Gysi, als er das erste Mal in Manchester anruft. Doch er bleibt hartnäckig, versucht es über andere Abteilungen als das Merchandising und hat dann plötzlich eine Person am anderen Ende der Leitung, die, wie Gysi erzählt, «mich versteht».
Ihm wird versprochen, dass Kyle Walker rasch von Peraltas Geschichte erfährt. Direkten Kontakt mit Walker habe er zwar nicht gehabt. «Aber», so Gysi, «auch die sogenannten Superstars sind Menschen mit Gefühlen. Nur so kann ich mir erklären, dass einige Wochen später Post aus Manchester im Briefkasten lag.»
Beim nächsten Treffen sagt Gysi zu Peralta, er habe da was für ihn, und legt ein Matchprogramm von Manchester City auf den Tisch. Peralta grinst – und als Gysi ein Set mit den unterschriebenen Autogrammkarten aller City-Spieler nachreicht, wird aus dem Grinsen ungläubiges Staunen.
Schliesslich hält Peralta den Brief seines Idols Kyle Walker in den Händen und kann die Tränen nicht mehr zurückhalten: «Eine schönere Überraschung gibt es nicht! Ich war überwältigt.» Die Zeilen aus Manchester bekräftigen Peralta in seinem Vorhaben, trotz fünf schweren Knieverletzungen den Traum von der grossen Karriere nicht aufzugeben.